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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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auch er leidet bisweilen an Phrasen und unnöthiger Weitschweifigkeit, welche
in allzu großem Eifer Dinge mit herbeizieht, die gar nicht zum ursprünglichen
Gegenstand selbst gehören, ja oft dazu dienen, denselben unklar und verworren
zu machen. Herr von Itzstein, der Resten.' der Kammer, spricht wenig und selten
lang, hat auch nicht viel eigene Ideen, aber eine große Geschicklichkeit den Inhalt
aller vorhergegangenen Reden seiner ganzen Partei noch einmal ganz kurz zu re-
sumiren, das Vortheilhafte darin auf geschickte Weise hervorzuheben und ein kla¬
res, leicht faßliches Bild des Ganzen zu geben. Deshalb wird Itzstein auch
fast nie am Anfang, sondern gewöhnlich nnr am Schluß einer Debatte, wenn seine
Partei so ziemlich alle ihre Gründe erschöpft hat, das Wort ergreifen und dann
mit seinen wenigen Sätzen oft von bedeutender Wirkung sein. Seiner sonstigen
Eigenschaften wegen ist er das wichtigste Mitglied der ganzen Opposition, denn
er besitzt die meiste Ruhe, die fast nie eine Inkonsequenz begehen wird, große
Menschenkenntniß und Fähigkeit Jeden auf den rechten Posten zu verwenden,
und eine staunenswerthe Gewandtheit mit allen noch so verschiedenen Ständen
und Parteien auf passende ungezwungene Weise umzugehen. Deshalb ist er
der Einzige auch, der die Opposition zusammenhält. Gute Redner sind ferner
Bassermann, Buhl der Jüngere, einfach und schlicht, aber mit Verstand, Gemüth
und ruhiger Mäßigung sprechend. Weller, von dem sich das Gleiche rühmen läßt,
und Peter, der gründliche Vertreter der Preßfreiheit. Entschieden unglückliche
Redner, die trotz aller mangelnden Eigenschaften dennoch häusig das Wort ergrei¬
fe", sind von Seiten der Opposition, Rapp, Professor aus Heidelberg verwor¬
ren und unklar im höchsten Grade, und daher ohne Wirkung, und Gottschall, ein
radikal gesinnter Fabrikant.

Die besten Redner der Mitte sind wohl der Pfarrer Zittek und der Prä¬
sident Mittermaier selbst, der sich zu derselben zu zähle" pflegt, sonst besitzt sie,
wie auch die ganze ministerielle Seite, kein ausgezeichnetes, rhetorisches Talent,
obgleich auch dort im Allgemeinen gerade nicht schlecht gesprochen wird.

Von den Ministern ist wohl der Präsident des Ministeriums Beck, auch in
parlamentarischer Hinsicht der bedeutendste. Klar, sehr cvncis gehalten und dabei
oft mit schneidender Schärfe, weiß er sich zu vertheidigen und den heftigsten An¬
griffen der Opposition zu begegnen, ohne persönliche Gereiztheit zu zeigen. Ele¬
ganter und mehr rhetorischen Schmuck gebrauchend, sonst aber lange nicht so
prägnant wie der vorige, spricht der Staatsrath Negcuauer, der Vorstand des
Fiuanzministeriums, der übrigens zu den besseren Rednern der süddeutschen Kam¬
mern gezählt werden kann.

Einen ganz verschiedenen Charakter hat die zweite Kammer in Darmstadt.
Daß dieselbe in ihrer größeren Mehrzahl aus höheren Beamten aller Art besteht,
merkt man ihr gleich auf den ersten Blick an. Sie ist vielleicht die gebildetste, ja
gelehrteste in ganz Deutschland, die im Verhältniß ihrer Mitgliederzahl die mei-


auch er leidet bisweilen an Phrasen und unnöthiger Weitschweifigkeit, welche
in allzu großem Eifer Dinge mit herbeizieht, die gar nicht zum ursprünglichen
Gegenstand selbst gehören, ja oft dazu dienen, denselben unklar und verworren
zu machen. Herr von Itzstein, der Resten.' der Kammer, spricht wenig und selten
lang, hat auch nicht viel eigene Ideen, aber eine große Geschicklichkeit den Inhalt
aller vorhergegangenen Reden seiner ganzen Partei noch einmal ganz kurz zu re-
sumiren, das Vortheilhafte darin auf geschickte Weise hervorzuheben und ein kla¬
res, leicht faßliches Bild des Ganzen zu geben. Deshalb wird Itzstein auch
fast nie am Anfang, sondern gewöhnlich nnr am Schluß einer Debatte, wenn seine
Partei so ziemlich alle ihre Gründe erschöpft hat, das Wort ergreifen und dann
mit seinen wenigen Sätzen oft von bedeutender Wirkung sein. Seiner sonstigen
Eigenschaften wegen ist er das wichtigste Mitglied der ganzen Opposition, denn
er besitzt die meiste Ruhe, die fast nie eine Inkonsequenz begehen wird, große
Menschenkenntniß und Fähigkeit Jeden auf den rechten Posten zu verwenden,
und eine staunenswerthe Gewandtheit mit allen noch so verschiedenen Ständen
und Parteien auf passende ungezwungene Weise umzugehen. Deshalb ist er
der Einzige auch, der die Opposition zusammenhält. Gute Redner sind ferner
Bassermann, Buhl der Jüngere, einfach und schlicht, aber mit Verstand, Gemüth
und ruhiger Mäßigung sprechend. Weller, von dem sich das Gleiche rühmen läßt,
und Peter, der gründliche Vertreter der Preßfreiheit. Entschieden unglückliche
Redner, die trotz aller mangelnden Eigenschaften dennoch häusig das Wort ergrei¬
fe», sind von Seiten der Opposition, Rapp, Professor aus Heidelberg verwor¬
ren und unklar im höchsten Grade, und daher ohne Wirkung, und Gottschall, ein
radikal gesinnter Fabrikant.

Die besten Redner der Mitte sind wohl der Pfarrer Zittek und der Prä¬
sident Mittermaier selbst, der sich zu derselben zu zähle» pflegt, sonst besitzt sie,
wie auch die ganze ministerielle Seite, kein ausgezeichnetes, rhetorisches Talent,
obgleich auch dort im Allgemeinen gerade nicht schlecht gesprochen wird.

Von den Ministern ist wohl der Präsident des Ministeriums Beck, auch in
parlamentarischer Hinsicht der bedeutendste. Klar, sehr cvncis gehalten und dabei
oft mit schneidender Schärfe, weiß er sich zu vertheidigen und den heftigsten An¬
griffen der Opposition zu begegnen, ohne persönliche Gereiztheit zu zeigen. Ele¬
ganter und mehr rhetorischen Schmuck gebrauchend, sonst aber lange nicht so
prägnant wie der vorige, spricht der Staatsrath Negcuauer, der Vorstand des
Fiuanzministeriums, der übrigens zu den besseren Rednern der süddeutschen Kam¬
mern gezählt werden kann.

Einen ganz verschiedenen Charakter hat die zweite Kammer in Darmstadt.
Daß dieselbe in ihrer größeren Mehrzahl aus höheren Beamten aller Art besteht,
merkt man ihr gleich auf den ersten Blick an. Sie ist vielleicht die gebildetste, ja
gelehrteste in ganz Deutschland, die im Verhältniß ihrer Mitgliederzahl die mei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/202>, abgerufen am 22.07.2024.