Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gen den von ihnen gleich tuller gehaßten Liberalismus geschlossen) Hoffnung,
wieder in Baden von nachhaltiger Bedeutung zu werden. Der Theil der
Kärrner, welcher spottweise das "Msle union", oder auch die "halben" genannt
wurde, aus dem auch das jetzige Ministerium hervorging, ist jetzt fest am
Ruder in Baden, und wir glauben, ohne gewaltsame Ereignisse wird derselbe nicht
davon verdrängt werden, denn der Kern des Volkes, der mittlere Bürger- und
Bauernstand, stimmt mit ihm überein, und er ist aufgeklärt genug, um weder von
Reaction noch Revolution etwas wissen zu wollen. Gesprochen wird in der zwei¬
ten badischen Kammer viel, gut und lebendig, oft vielleicht etwas zu leidenschaft¬
lich, so daß häusig persönliche Erbitterung daraus hervorblickt. Die fortwährenden
Parteikämpfe haben die parlamentarische Gewandtheit sehr geschärft und hierin und
besonders in der Kunst, gleich auf der Stelle leicht und gewandt zu antworten,
ist in ihrer Gesammtheit die Kammer in Karlsruhe entschieden die erste in ganz
Deutschland. Schon daß alle Reden frei gehalten und nicht wie theilweise an¬
derswo vom Papiere abgelesen werden, trägt viel dazu bei, dem Ganzen eine
gewisse Leichtigkeit zu verleihen. Dann haben auch die Erfahrungen der Par¬
teien das Gute, daß die Mitglieder derselben vorher unter einander ihre Rollen
vertheilen und so unnöthige Wiederholungen, wo oft fünf bis sechs Redner
hintereinander fast das Nämliche sagen, wie es in anderen Kammern noch so oft
vorkommt, beinahe gänzlich vermieden werden. Den großen Fehler haben manche
Redner der badischen Kammer, besonders von der linken Seite, daß sie sich vom
Gegenstand der Tagesordnung willkürlich entfernen und Abschweifungen aller Art
erlauben. Ost geschieht dies im Eifer der Rede selbst, ohne weitere Absicht, oft
aber auch wohl überlegt, um auf solche Weise die unvorbereitete Gegenpartei zu
überraschen und so deren schwache Seite aufzudecken. Um dies zu verhindern, muß
der Präsident viel Energie und zugleich Gewandtheit besitzen, wie denn überhaupt
bei der Lebhaftigkeit der Debatte und der bisweilen in Persönlichkeiten übergehen¬
den Gereiztheit mancher Redner seine Stelle gar nicht leicht ist.

Unter den besseren Rednern der liberalen Seite sind besonders zu nennen,
Mäthy, scharf, klar, präcis in hohem Grade, sehr gewandt im Ausdruck, oft ab¬
sichtlich seine Sätze so stellend, daß sie sehr zweideutig und der verschiedensten Aus¬
legung fähig sind, dann wieder ganz bestimmt und in wenigen Worten sehr viel
sagend. Etwas Hartes, spöttisches, das Gemüth Verletzendes beeinträchtigt für
uns den sonstigen Werth seiner Reden in hohem Grade. Dann Hecker, feurig,
brausend, blühend im Ausdruck, leicht mit fortreißend durch seine innere Wärme,
dabei in jeder Weise äußerlich bestechend, aber oft inkonsequent, und sich selbst wi¬
derlegend, parteiisch einseitig, persönlich gereizt erscheinend, was bisweilen in un¬
angenehm lmmhrcnde Wildheit überzugehen droht, dabei mit einem nicht angeneh¬
men Anflug von innerer Selbstgefälligkeit und befriedigter Eitelkeit. Professor
Welcker, reich an geistreichen Gedanken, vieler Wissenschaft und warmen Eifer, aber


lAmizboicu. IV. l"47. ^5 ,

gen den von ihnen gleich tuller gehaßten Liberalismus geschlossen) Hoffnung,
wieder in Baden von nachhaltiger Bedeutung zu werden. Der Theil der
Kärrner, welcher spottweise das „Msle union", oder auch die „halben" genannt
wurde, aus dem auch das jetzige Ministerium hervorging, ist jetzt fest am
Ruder in Baden, und wir glauben, ohne gewaltsame Ereignisse wird derselbe nicht
davon verdrängt werden, denn der Kern des Volkes, der mittlere Bürger- und
Bauernstand, stimmt mit ihm überein, und er ist aufgeklärt genug, um weder von
Reaction noch Revolution etwas wissen zu wollen. Gesprochen wird in der zwei¬
ten badischen Kammer viel, gut und lebendig, oft vielleicht etwas zu leidenschaft¬
lich, so daß häusig persönliche Erbitterung daraus hervorblickt. Die fortwährenden
Parteikämpfe haben die parlamentarische Gewandtheit sehr geschärft und hierin und
besonders in der Kunst, gleich auf der Stelle leicht und gewandt zu antworten,
ist in ihrer Gesammtheit die Kammer in Karlsruhe entschieden die erste in ganz
Deutschland. Schon daß alle Reden frei gehalten und nicht wie theilweise an¬
derswo vom Papiere abgelesen werden, trägt viel dazu bei, dem Ganzen eine
gewisse Leichtigkeit zu verleihen. Dann haben auch die Erfahrungen der Par¬
teien das Gute, daß die Mitglieder derselben vorher unter einander ihre Rollen
vertheilen und so unnöthige Wiederholungen, wo oft fünf bis sechs Redner
hintereinander fast das Nämliche sagen, wie es in anderen Kammern noch so oft
vorkommt, beinahe gänzlich vermieden werden. Den großen Fehler haben manche
Redner der badischen Kammer, besonders von der linken Seite, daß sie sich vom
Gegenstand der Tagesordnung willkürlich entfernen und Abschweifungen aller Art
erlauben. Ost geschieht dies im Eifer der Rede selbst, ohne weitere Absicht, oft
aber auch wohl überlegt, um auf solche Weise die unvorbereitete Gegenpartei zu
überraschen und so deren schwache Seite aufzudecken. Um dies zu verhindern, muß
der Präsident viel Energie und zugleich Gewandtheit besitzen, wie denn überhaupt
bei der Lebhaftigkeit der Debatte und der bisweilen in Persönlichkeiten übergehen¬
den Gereiztheit mancher Redner seine Stelle gar nicht leicht ist.

Unter den besseren Rednern der liberalen Seite sind besonders zu nennen,
Mäthy, scharf, klar, präcis in hohem Grade, sehr gewandt im Ausdruck, oft ab¬
sichtlich seine Sätze so stellend, daß sie sehr zweideutig und der verschiedensten Aus¬
legung fähig sind, dann wieder ganz bestimmt und in wenigen Worten sehr viel
sagend. Etwas Hartes, spöttisches, das Gemüth Verletzendes beeinträchtigt für
uns den sonstigen Werth seiner Reden in hohem Grade. Dann Hecker, feurig,
brausend, blühend im Ausdruck, leicht mit fortreißend durch seine innere Wärme,
dabei in jeder Weise äußerlich bestechend, aber oft inkonsequent, und sich selbst wi¬
derlegend, parteiisch einseitig, persönlich gereizt erscheinend, was bisweilen in un¬
angenehm lmmhrcnde Wildheit überzugehen droht, dabei mit einem nicht angeneh¬
men Anflug von innerer Selbstgefälligkeit und befriedigter Eitelkeit. Professor
Welcker, reich an geistreichen Gedanken, vieler Wissenschaft und warmen Eifer, aber


lAmizboicu. IV. l«47. ^5 ,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184965"/>
          <p xml:id="ID_669" prev="#ID_668"> gen den von ihnen gleich tuller gehaßten Liberalismus geschlossen) Hoffnung,<lb/>
wieder in Baden von nachhaltiger Bedeutung zu werden. Der Theil der<lb/>
Kärrner, welcher spottweise das &#x201E;Msle union", oder auch die &#x201E;halben" genannt<lb/>
wurde, aus dem auch das jetzige Ministerium hervorging, ist jetzt fest am<lb/>
Ruder in Baden, und wir glauben, ohne gewaltsame Ereignisse wird derselbe nicht<lb/>
davon verdrängt werden, denn der Kern des Volkes, der mittlere Bürger- und<lb/>
Bauernstand, stimmt mit ihm überein, und er ist aufgeklärt genug, um weder von<lb/>
Reaction noch Revolution etwas wissen zu wollen. Gesprochen wird in der zwei¬<lb/>
ten badischen Kammer viel, gut und lebendig, oft vielleicht etwas zu leidenschaft¬<lb/>
lich, so daß häusig persönliche Erbitterung daraus hervorblickt. Die fortwährenden<lb/>
Parteikämpfe haben die parlamentarische Gewandtheit sehr geschärft und hierin und<lb/>
besonders in der Kunst, gleich auf der Stelle leicht und gewandt zu antworten,<lb/>
ist in ihrer Gesammtheit die Kammer in Karlsruhe entschieden die erste in ganz<lb/>
Deutschland. Schon daß alle Reden frei gehalten und nicht wie theilweise an¬<lb/>
derswo vom Papiere abgelesen werden, trägt viel dazu bei, dem Ganzen eine<lb/>
gewisse Leichtigkeit zu verleihen. Dann haben auch die Erfahrungen der Par¬<lb/>
teien das Gute, daß die Mitglieder derselben vorher unter einander ihre Rollen<lb/>
vertheilen und so unnöthige Wiederholungen, wo oft fünf bis sechs Redner<lb/>
hintereinander fast das Nämliche sagen, wie es in anderen Kammern noch so oft<lb/>
vorkommt, beinahe gänzlich vermieden werden. Den großen Fehler haben manche<lb/>
Redner der badischen Kammer, besonders von der linken Seite, daß sie sich vom<lb/>
Gegenstand der Tagesordnung willkürlich entfernen und Abschweifungen aller Art<lb/>
erlauben. Ost geschieht dies im Eifer der Rede selbst, ohne weitere Absicht, oft<lb/>
aber auch wohl überlegt, um auf solche Weise die unvorbereitete Gegenpartei zu<lb/>
überraschen und so deren schwache Seite aufzudecken. Um dies zu verhindern, muß<lb/>
der Präsident viel Energie und zugleich Gewandtheit besitzen, wie denn überhaupt<lb/>
bei der Lebhaftigkeit der Debatte und der bisweilen in Persönlichkeiten übergehen¬<lb/>
den Gereiztheit mancher Redner seine Stelle gar nicht leicht ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_670" next="#ID_671"> Unter den besseren Rednern der liberalen Seite sind besonders zu nennen,<lb/>
Mäthy, scharf, klar, präcis in hohem Grade, sehr gewandt im Ausdruck, oft ab¬<lb/>
sichtlich seine Sätze so stellend, daß sie sehr zweideutig und der verschiedensten Aus¬<lb/>
legung fähig sind, dann wieder ganz bestimmt und in wenigen Worten sehr viel<lb/>
sagend. Etwas Hartes, spöttisches, das Gemüth Verletzendes beeinträchtigt für<lb/>
uns den sonstigen Werth seiner Reden in hohem Grade. Dann Hecker, feurig,<lb/>
brausend, blühend im Ausdruck, leicht mit fortreißend durch seine innere Wärme,<lb/>
dabei in jeder Weise äußerlich bestechend, aber oft inkonsequent, und sich selbst wi¬<lb/>
derlegend, parteiisch einseitig, persönlich gereizt erscheinend, was bisweilen in un¬<lb/>
angenehm lmmhrcnde Wildheit überzugehen droht, dabei mit einem nicht angeneh¬<lb/>
men Anflug von innerer Selbstgefälligkeit und befriedigter Eitelkeit. Professor<lb/>
Welcker, reich an geistreichen Gedanken, vieler Wissenschaft und warmen Eifer, aber</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> lAmizboicu. IV. l«47. ^5 ,</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0201] gen den von ihnen gleich tuller gehaßten Liberalismus geschlossen) Hoffnung, wieder in Baden von nachhaltiger Bedeutung zu werden. Der Theil der Kärrner, welcher spottweise das „Msle union", oder auch die „halben" genannt wurde, aus dem auch das jetzige Ministerium hervorging, ist jetzt fest am Ruder in Baden, und wir glauben, ohne gewaltsame Ereignisse wird derselbe nicht davon verdrängt werden, denn der Kern des Volkes, der mittlere Bürger- und Bauernstand, stimmt mit ihm überein, und er ist aufgeklärt genug, um weder von Reaction noch Revolution etwas wissen zu wollen. Gesprochen wird in der zwei¬ ten badischen Kammer viel, gut und lebendig, oft vielleicht etwas zu leidenschaft¬ lich, so daß häusig persönliche Erbitterung daraus hervorblickt. Die fortwährenden Parteikämpfe haben die parlamentarische Gewandtheit sehr geschärft und hierin und besonders in der Kunst, gleich auf der Stelle leicht und gewandt zu antworten, ist in ihrer Gesammtheit die Kammer in Karlsruhe entschieden die erste in ganz Deutschland. Schon daß alle Reden frei gehalten und nicht wie theilweise an¬ derswo vom Papiere abgelesen werden, trägt viel dazu bei, dem Ganzen eine gewisse Leichtigkeit zu verleihen. Dann haben auch die Erfahrungen der Par¬ teien das Gute, daß die Mitglieder derselben vorher unter einander ihre Rollen vertheilen und so unnöthige Wiederholungen, wo oft fünf bis sechs Redner hintereinander fast das Nämliche sagen, wie es in anderen Kammern noch so oft vorkommt, beinahe gänzlich vermieden werden. Den großen Fehler haben manche Redner der badischen Kammer, besonders von der linken Seite, daß sie sich vom Gegenstand der Tagesordnung willkürlich entfernen und Abschweifungen aller Art erlauben. Ost geschieht dies im Eifer der Rede selbst, ohne weitere Absicht, oft aber auch wohl überlegt, um auf solche Weise die unvorbereitete Gegenpartei zu überraschen und so deren schwache Seite aufzudecken. Um dies zu verhindern, muß der Präsident viel Energie und zugleich Gewandtheit besitzen, wie denn überhaupt bei der Lebhaftigkeit der Debatte und der bisweilen in Persönlichkeiten übergehen¬ den Gereiztheit mancher Redner seine Stelle gar nicht leicht ist. Unter den besseren Rednern der liberalen Seite sind besonders zu nennen, Mäthy, scharf, klar, präcis in hohem Grade, sehr gewandt im Ausdruck, oft ab¬ sichtlich seine Sätze so stellend, daß sie sehr zweideutig und der verschiedensten Aus¬ legung fähig sind, dann wieder ganz bestimmt und in wenigen Worten sehr viel sagend. Etwas Hartes, spöttisches, das Gemüth Verletzendes beeinträchtigt für uns den sonstigen Werth seiner Reden in hohem Grade. Dann Hecker, feurig, brausend, blühend im Ausdruck, leicht mit fortreißend durch seine innere Wärme, dabei in jeder Weise äußerlich bestechend, aber oft inkonsequent, und sich selbst wi¬ derlegend, parteiisch einseitig, persönlich gereizt erscheinend, was bisweilen in un¬ angenehm lmmhrcnde Wildheit überzugehen droht, dabei mit einem nicht angeneh¬ men Anflug von innerer Selbstgefälligkeit und befriedigter Eitelkeit. Professor Welcker, reich an geistreichen Gedanken, vieler Wissenschaft und warmen Eifer, aber lAmizboicu. IV. l«47. ^5 ,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/201
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/201>, abgerufen am 22.07.2024.