Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ihrer Bevölkerung rcpartirt ihre besonderen Abgeordneten. Besonders durch eigene
Wähler wird der Adel vertreten, welcher Bebungen mit ritterschaftlicher Ge¬
richtsbarkeit besitzt. Der von diesen gewählte Vertreter muß in der Provinz, von
welcher er gewählt wird, auch mit ritterschaftlichen Gute angesessen sein. Rhein-
baiern, welches leinen derartigen Adel besitzt, wählt dasür mehr Vertreter der
anderen Stände. Dann senden noch die drei Universitäten Würzburg, München
und Erlangen, jede einen besondern Abgeordneten, ferner die katholische Geist¬
lichkeit zwölf und die protestantische sechs Deputirte, und endlich die Städte und
Marktflecken mit städtischen Rechten und die Landeigenthümer ohne ritterschaft¬
liche Rechte. Von den Städten sendet München für sich zwei, Augsburg und
Nürnberg aber je einen Vertreter für sich allein, von den übrigen aber so viele
stets gemeinschaftlich, bis die erforderliche Volkszahl dadurch erreicht wird. Alle
Abgeordnete müssen dem Stande, von dem sie gesendet werden, angehören, und
auch in der Provinz, von welcher dies geschieht, selbst angesessen sein. In der
Kammer selbst haben alle Abgeordneten gleiche Rechte und Pflichten, und unter¬
scheiden sich auch weder durch Plätze noch durch die Kleidung.

Diese verschiedenen Wahlordnungen äußern natürlich auch ihre Einflüsse auf
das Geschäft der Wahlen selbst. Am Ruhigsten, ja mir möchten fast sagen, am
Legalsten, geht es bei denselben in Baiern zu. Hier finden, wenn auch vielleicht in
langjährigen und sehr verborgen wirkenden Vorbereitungen, wobei die katholische
Geistlichkeit die Hände bedeutend im Spiel hat, doch bei den Wahlen selbst, öffentlich
die wenigsten Einwirkungen von Seiten der Regierung statt. Auch hat diese auf
die Wähler selbst den wenigsten directen Einfluß, da diese mehr unabhängigen
und auch schon wohlhabenderen Klassen der Bevölkerung angehören. Deshalb ist
die Zeit vor den Wahlen auch in Baiern bei weitem keine so aufgeregte, als in
den andern Staaten, namentlich Baden und auch Würtemberg; auch die Wahlprü-
fnngcu von Seiten der Kanuner selbst beim Beginn derselben nehmen nicht so viel
Zeit in Anspruch und führen nicht die unerquicklichen widerlichen Scenen herbei, die in
den genannten Staaten, besonders in Ersterem oft stattfinden. Dagegen wird man
nirgends so viel Urlaubsvcrweigerungen bei nur einigermaßen von der Regierung
abhängigen und ihr nicht angenehmen Abgeordneten finden, wie grade in Baiern.
Besonders vor Beginn des letzten Landtages mißbrauchte der jetzt glücklicherweise
abgetretue Minister von Abel dies von ihm sehr usurpirte Recht auf eine wirk¬
lich empörende Weise und suchte es auch auf Advokaten auszudehnen, was dann
zu sehr lebhaften Debatten den lebhaftesten Anlaß gab. Die große ungetheilte
Freude, mit der jetzt das ganze bairische Volk die Absetzung dieses Mannes be¬
grüßte, hat in diesen Urlaubsverweigernngen auch mit ihren Grund. In Würtem¬
berg finden, besonders in den letzten Jahren, wo die politische Theilnahme in ra¬
schem Steigen immer mehr alle Kreise des Volkes ergreift, bei den Wahlen in den
Wahlbezirken ziemlich lebhafte Kämpfe zwischen den verschiedenen Parteien statt.


ihrer Bevölkerung rcpartirt ihre besonderen Abgeordneten. Besonders durch eigene
Wähler wird der Adel vertreten, welcher Bebungen mit ritterschaftlicher Ge¬
richtsbarkeit besitzt. Der von diesen gewählte Vertreter muß in der Provinz, von
welcher er gewählt wird, auch mit ritterschaftlichen Gute angesessen sein. Rhein-
baiern, welches leinen derartigen Adel besitzt, wählt dasür mehr Vertreter der
anderen Stände. Dann senden noch die drei Universitäten Würzburg, München
und Erlangen, jede einen besondern Abgeordneten, ferner die katholische Geist¬
lichkeit zwölf und die protestantische sechs Deputirte, und endlich die Städte und
Marktflecken mit städtischen Rechten und die Landeigenthümer ohne ritterschaft¬
liche Rechte. Von den Städten sendet München für sich zwei, Augsburg und
Nürnberg aber je einen Vertreter für sich allein, von den übrigen aber so viele
stets gemeinschaftlich, bis die erforderliche Volkszahl dadurch erreicht wird. Alle
Abgeordnete müssen dem Stande, von dem sie gesendet werden, angehören, und
auch in der Provinz, von welcher dies geschieht, selbst angesessen sein. In der
Kammer selbst haben alle Abgeordneten gleiche Rechte und Pflichten, und unter¬
scheiden sich auch weder durch Plätze noch durch die Kleidung.

Diese verschiedenen Wahlordnungen äußern natürlich auch ihre Einflüsse auf
das Geschäft der Wahlen selbst. Am Ruhigsten, ja mir möchten fast sagen, am
Legalsten, geht es bei denselben in Baiern zu. Hier finden, wenn auch vielleicht in
langjährigen und sehr verborgen wirkenden Vorbereitungen, wobei die katholische
Geistlichkeit die Hände bedeutend im Spiel hat, doch bei den Wahlen selbst, öffentlich
die wenigsten Einwirkungen von Seiten der Regierung statt. Auch hat diese auf
die Wähler selbst den wenigsten directen Einfluß, da diese mehr unabhängigen
und auch schon wohlhabenderen Klassen der Bevölkerung angehören. Deshalb ist
die Zeit vor den Wahlen auch in Baiern bei weitem keine so aufgeregte, als in
den andern Staaten, namentlich Baden und auch Würtemberg; auch die Wahlprü-
fnngcu von Seiten der Kanuner selbst beim Beginn derselben nehmen nicht so viel
Zeit in Anspruch und führen nicht die unerquicklichen widerlichen Scenen herbei, die in
den genannten Staaten, besonders in Ersterem oft stattfinden. Dagegen wird man
nirgends so viel Urlaubsvcrweigerungen bei nur einigermaßen von der Regierung
abhängigen und ihr nicht angenehmen Abgeordneten finden, wie grade in Baiern.
Besonders vor Beginn des letzten Landtages mißbrauchte der jetzt glücklicherweise
abgetretue Minister von Abel dies von ihm sehr usurpirte Recht auf eine wirk¬
lich empörende Weise und suchte es auch auf Advokaten auszudehnen, was dann
zu sehr lebhaften Debatten den lebhaftesten Anlaß gab. Die große ungetheilte
Freude, mit der jetzt das ganze bairische Volk die Absetzung dieses Mannes be¬
grüßte, hat in diesen Urlaubsverweigernngen auch mit ihren Grund. In Würtem¬
berg finden, besonders in den letzten Jahren, wo die politische Theilnahme in ra¬
schem Steigen immer mehr alle Kreise des Volkes ergreift, bei den Wahlen in den
Wahlbezirken ziemlich lebhafte Kämpfe zwischen den verschiedenen Parteien statt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0196" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184960"/>
          <p xml:id="ID_656" prev="#ID_655"> ihrer Bevölkerung rcpartirt ihre besonderen Abgeordneten. Besonders durch eigene<lb/>
Wähler wird der Adel vertreten, welcher Bebungen mit ritterschaftlicher Ge¬<lb/>
richtsbarkeit besitzt. Der von diesen gewählte Vertreter muß in der Provinz, von<lb/>
welcher er gewählt wird, auch mit ritterschaftlichen Gute angesessen sein. Rhein-<lb/>
baiern, welches leinen derartigen Adel besitzt, wählt dasür mehr Vertreter der<lb/>
anderen Stände. Dann senden noch die drei Universitäten Würzburg, München<lb/>
und Erlangen, jede einen besondern Abgeordneten, ferner die katholische Geist¬<lb/>
lichkeit zwölf und die protestantische sechs Deputirte, und endlich die Städte und<lb/>
Marktflecken mit städtischen Rechten und die Landeigenthümer ohne ritterschaft¬<lb/>
liche Rechte. Von den Städten sendet München für sich zwei, Augsburg und<lb/>
Nürnberg aber je einen Vertreter für sich allein, von den übrigen aber so viele<lb/>
stets gemeinschaftlich, bis die erforderliche Volkszahl dadurch erreicht wird. Alle<lb/>
Abgeordnete müssen dem Stande, von dem sie gesendet werden, angehören, und<lb/>
auch in der Provinz, von welcher dies geschieht, selbst angesessen sein. In der<lb/>
Kammer selbst haben alle Abgeordneten gleiche Rechte und Pflichten, und unter¬<lb/>
scheiden sich auch weder durch Plätze noch durch die Kleidung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_657" next="#ID_658"> Diese verschiedenen Wahlordnungen äußern natürlich auch ihre Einflüsse auf<lb/>
das Geschäft der Wahlen selbst. Am Ruhigsten, ja mir möchten fast sagen, am<lb/>
Legalsten, geht es bei denselben in Baiern zu. Hier finden, wenn auch vielleicht in<lb/>
langjährigen und sehr verborgen wirkenden Vorbereitungen, wobei die katholische<lb/>
Geistlichkeit die Hände bedeutend im Spiel hat, doch bei den Wahlen selbst, öffentlich<lb/>
die wenigsten Einwirkungen von Seiten der Regierung statt. Auch hat diese auf<lb/>
die Wähler selbst den wenigsten directen Einfluß, da diese mehr unabhängigen<lb/>
und auch schon wohlhabenderen Klassen der Bevölkerung angehören. Deshalb ist<lb/>
die Zeit vor den Wahlen auch in Baiern bei weitem keine so aufgeregte, als in<lb/>
den andern Staaten, namentlich Baden und auch Würtemberg; auch die Wahlprü-<lb/>
fnngcu von Seiten der Kanuner selbst beim Beginn derselben nehmen nicht so viel<lb/>
Zeit in Anspruch und führen nicht die unerquicklichen widerlichen Scenen herbei, die in<lb/>
den genannten Staaten, besonders in Ersterem oft stattfinden. Dagegen wird man<lb/>
nirgends so viel Urlaubsvcrweigerungen bei nur einigermaßen von der Regierung<lb/>
abhängigen und ihr nicht angenehmen Abgeordneten finden, wie grade in Baiern.<lb/>
Besonders vor Beginn des letzten Landtages mißbrauchte der jetzt glücklicherweise<lb/>
abgetretue Minister von Abel dies von ihm sehr usurpirte Recht auf eine wirk¬<lb/>
lich empörende Weise und suchte es auch auf Advokaten auszudehnen, was dann<lb/>
zu sehr lebhaften Debatten den lebhaftesten Anlaß gab. Die große ungetheilte<lb/>
Freude, mit der jetzt das ganze bairische Volk die Absetzung dieses Mannes be¬<lb/>
grüßte, hat in diesen Urlaubsverweigernngen auch mit ihren Grund. In Würtem¬<lb/>
berg finden, besonders in den letzten Jahren, wo die politische Theilnahme in ra¬<lb/>
schem Steigen immer mehr alle Kreise des Volkes ergreift, bei den Wahlen in den<lb/>
Wahlbezirken ziemlich lebhafte Kämpfe zwischen den verschiedenen Parteien statt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0196] ihrer Bevölkerung rcpartirt ihre besonderen Abgeordneten. Besonders durch eigene Wähler wird der Adel vertreten, welcher Bebungen mit ritterschaftlicher Ge¬ richtsbarkeit besitzt. Der von diesen gewählte Vertreter muß in der Provinz, von welcher er gewählt wird, auch mit ritterschaftlichen Gute angesessen sein. Rhein- baiern, welches leinen derartigen Adel besitzt, wählt dasür mehr Vertreter der anderen Stände. Dann senden noch die drei Universitäten Würzburg, München und Erlangen, jede einen besondern Abgeordneten, ferner die katholische Geist¬ lichkeit zwölf und die protestantische sechs Deputirte, und endlich die Städte und Marktflecken mit städtischen Rechten und die Landeigenthümer ohne ritterschaft¬ liche Rechte. Von den Städten sendet München für sich zwei, Augsburg und Nürnberg aber je einen Vertreter für sich allein, von den übrigen aber so viele stets gemeinschaftlich, bis die erforderliche Volkszahl dadurch erreicht wird. Alle Abgeordnete müssen dem Stande, von dem sie gesendet werden, angehören, und auch in der Provinz, von welcher dies geschieht, selbst angesessen sein. In der Kammer selbst haben alle Abgeordneten gleiche Rechte und Pflichten, und unter¬ scheiden sich auch weder durch Plätze noch durch die Kleidung. Diese verschiedenen Wahlordnungen äußern natürlich auch ihre Einflüsse auf das Geschäft der Wahlen selbst. Am Ruhigsten, ja mir möchten fast sagen, am Legalsten, geht es bei denselben in Baiern zu. Hier finden, wenn auch vielleicht in langjährigen und sehr verborgen wirkenden Vorbereitungen, wobei die katholische Geistlichkeit die Hände bedeutend im Spiel hat, doch bei den Wahlen selbst, öffentlich die wenigsten Einwirkungen von Seiten der Regierung statt. Auch hat diese auf die Wähler selbst den wenigsten directen Einfluß, da diese mehr unabhängigen und auch schon wohlhabenderen Klassen der Bevölkerung angehören. Deshalb ist die Zeit vor den Wahlen auch in Baiern bei weitem keine so aufgeregte, als in den andern Staaten, namentlich Baden und auch Würtemberg; auch die Wahlprü- fnngcu von Seiten der Kanuner selbst beim Beginn derselben nehmen nicht so viel Zeit in Anspruch und führen nicht die unerquicklichen widerlichen Scenen herbei, die in den genannten Staaten, besonders in Ersterem oft stattfinden. Dagegen wird man nirgends so viel Urlaubsvcrweigerungen bei nur einigermaßen von der Regierung abhängigen und ihr nicht angenehmen Abgeordneten finden, wie grade in Baiern. Besonders vor Beginn des letzten Landtages mißbrauchte der jetzt glücklicherweise abgetretue Minister von Abel dies von ihm sehr usurpirte Recht auf eine wirk¬ lich empörende Weise und suchte es auch auf Advokaten auszudehnen, was dann zu sehr lebhaften Debatten den lebhaftesten Anlaß gab. Die große ungetheilte Freude, mit der jetzt das ganze bairische Volk die Absetzung dieses Mannes be¬ grüßte, hat in diesen Urlaubsverweigernngen auch mit ihren Grund. In Würtem¬ berg finden, besonders in den letzten Jahren, wo die politische Theilnahme in ra¬ schem Steigen immer mehr alle Kreise des Volkes ergreift, bei den Wahlen in den Wahlbezirken ziemlich lebhafte Kämpfe zwischen den verschiedenen Parteien statt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/196
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/196>, abgerufen am 22.07.2024.