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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Errichtung einer Ackerbanschule, die Entwerfung einer Gemeindeordnung. Bei
der Regierung bisher vergeblich beantragt wurde die Errichtung einer Landeshy-
pothekenbank und einer Börse für Prag *), die bessere Dotation der Schullehrer
und Verbesserung des Schulwesens überhaupt, die Errichtung einer Feldpolizei,
die gleichmäßige Vertheilung der Last der Militäreinqnartierung und des Schüb-
lingstransports, die Abänderung der Verzchrnngssteuergesetze; die Verbesserung
im Grundbuchswescu und der Criminaljustizpflege, die Abschaffung der Lotterie
mit ausdrücklicher Erklärung, daß zur Deckung des Ausfalls mit
Bereitwilligkeit ein anderer Fond von deu Ständen herbeige¬
schafft werdeu wird, die Milderung der bestehenden Censurgesetze (also keines¬
wegs Preßfreiheit, wie der Korrespondent angibt) und noch manches Andere, wel¬
ches wir, um nicht zu ermüden, übergehen.

Es ist demnach von dem, was der Korrespondent als frommen Wunsch hin¬
stellt, nicht nur Alles, sondern mehr als dies von den Ständen angeregt und so
weit ihre Macht reichte, auch ausgeführt worden, etwa mit der Ausnahme, daß
sie es nicht versucht haben, ihre Domestikalfondsrechnung zu veröffentlichen. Doch
wie kann daran gedacht werden, da das Ansinnen der Einsichtönahme dieser Rech¬
nung Seitens der Stände ihnen das allerhöchste Mißfallen zuzog, und überhaupt
gar nichts -- selbst nicht das kaiserliche Einberufuugspateut -- was die Stände
angeht, gedruckt werden darf. Und schlecht unterrichtet ist der Korrespondent,
wenn er nicht weiß, was der böhmische Adel nicht nur seit heute, sondern seit
lange her als Privatmann für Kunst und Wissenschaft, für Hnmanitätszwecke jeder
Art, insonderheit aber auf seinen Gütern thut und noch mehr thun würde, wenn
die Regierung nicht hemmend dazwischen träte. So z. B. haben edle Männer
an der Gründung eines Schullehrer-Seminars, wozu sie die reichen Mittel bei>
steuern wollten, gearbeitet; doch vergeblich! Regierung und Klerus waren dagegen.

Eine Statistik der Opfer, welche der Adel für Straßen, Schulen, Kirchen
und Armenpflege dem Lande gebracht, würde zeigen, daß er es beinahe allein ist,
welcher für diese Zwecke in Böhmen wirkt. Von der Negierung geschieht beinahe
gar nichts; ja sie entzieht sich sogar dem, was sie durch ihre eigene Gesetze zu
thun verpflichtet ist. So z. B. besteht ein Schulfond und ein Neligionsfond,
dessen Ueberschüsse alljährlich nach Wien wandern, während die von ihm zu leisten¬
den Congrual-Ergänzungen oder neue Dotirungen für Schullehrer und Pfarrer
nicht geleistet und dagegen die Privaten durch kreisämtliche Commissionen zur un¬
freiwilligen Uebernahme sogenannter freiwilliger Beiträge durch alle ersinnlichen
Mittel bestimmt werden, und wenn dies uicht gelingt, die Sache auf sich beruhen
bleibt, wenn sie auch noch so dringend wäre.



. *) Ein Filiale der österreichischen Nationalbank wurde ebenfalls beantragt, jedoch als
unausführbar abgewiesen, und acht Monate später aber aus Andringen des Gewerbevereins
in's Leben gerufen.

Errichtung einer Ackerbanschule, die Entwerfung einer Gemeindeordnung. Bei
der Regierung bisher vergeblich beantragt wurde die Errichtung einer Landeshy-
pothekenbank und einer Börse für Prag *), die bessere Dotation der Schullehrer
und Verbesserung des Schulwesens überhaupt, die Errichtung einer Feldpolizei,
die gleichmäßige Vertheilung der Last der Militäreinqnartierung und des Schüb-
lingstransports, die Abänderung der Verzchrnngssteuergesetze; die Verbesserung
im Grundbuchswescu und der Criminaljustizpflege, die Abschaffung der Lotterie
mit ausdrücklicher Erklärung, daß zur Deckung des Ausfalls mit
Bereitwilligkeit ein anderer Fond von deu Ständen herbeige¬
schafft werdeu wird, die Milderung der bestehenden Censurgesetze (also keines¬
wegs Preßfreiheit, wie der Korrespondent angibt) und noch manches Andere, wel¬
ches wir, um nicht zu ermüden, übergehen.

Es ist demnach von dem, was der Korrespondent als frommen Wunsch hin¬
stellt, nicht nur Alles, sondern mehr als dies von den Ständen angeregt und so
weit ihre Macht reichte, auch ausgeführt worden, etwa mit der Ausnahme, daß
sie es nicht versucht haben, ihre Domestikalfondsrechnung zu veröffentlichen. Doch
wie kann daran gedacht werden, da das Ansinnen der Einsichtönahme dieser Rech¬
nung Seitens der Stände ihnen das allerhöchste Mißfallen zuzog, und überhaupt
gar nichts — selbst nicht das kaiserliche Einberufuugspateut — was die Stände
angeht, gedruckt werden darf. Und schlecht unterrichtet ist der Korrespondent,
wenn er nicht weiß, was der böhmische Adel nicht nur seit heute, sondern seit
lange her als Privatmann für Kunst und Wissenschaft, für Hnmanitätszwecke jeder
Art, insonderheit aber auf seinen Gütern thut und noch mehr thun würde, wenn
die Regierung nicht hemmend dazwischen träte. So z. B. haben edle Männer
an der Gründung eines Schullehrer-Seminars, wozu sie die reichen Mittel bei>
steuern wollten, gearbeitet; doch vergeblich! Regierung und Klerus waren dagegen.

Eine Statistik der Opfer, welche der Adel für Straßen, Schulen, Kirchen
und Armenpflege dem Lande gebracht, würde zeigen, daß er es beinahe allein ist,
welcher für diese Zwecke in Böhmen wirkt. Von der Negierung geschieht beinahe
gar nichts; ja sie entzieht sich sogar dem, was sie durch ihre eigene Gesetze zu
thun verpflichtet ist. So z. B. besteht ein Schulfond und ein Neligionsfond,
dessen Ueberschüsse alljährlich nach Wien wandern, während die von ihm zu leisten¬
den Congrual-Ergänzungen oder neue Dotirungen für Schullehrer und Pfarrer
nicht geleistet und dagegen die Privaten durch kreisämtliche Commissionen zur un¬
freiwilligen Uebernahme sogenannter freiwilliger Beiträge durch alle ersinnlichen
Mittel bestimmt werden, und wenn dies uicht gelingt, die Sache auf sich beruhen
bleibt, wenn sie auch noch so dringend wäre.



. *) Ein Filiale der österreichischen Nationalbank wurde ebenfalls beantragt, jedoch als
unausführbar abgewiesen, und acht Monate später aber aus Andringen des Gewerbevereins
in's Leben gerufen.
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[0176] Errichtung einer Ackerbanschule, die Entwerfung einer Gemeindeordnung. Bei der Regierung bisher vergeblich beantragt wurde die Errichtung einer Landeshy- pothekenbank und einer Börse für Prag *), die bessere Dotation der Schullehrer und Verbesserung des Schulwesens überhaupt, die Errichtung einer Feldpolizei, die gleichmäßige Vertheilung der Last der Militäreinqnartierung und des Schüb- lingstransports, die Abänderung der Verzchrnngssteuergesetze; die Verbesserung im Grundbuchswescu und der Criminaljustizpflege, die Abschaffung der Lotterie mit ausdrücklicher Erklärung, daß zur Deckung des Ausfalls mit Bereitwilligkeit ein anderer Fond von deu Ständen herbeige¬ schafft werdeu wird, die Milderung der bestehenden Censurgesetze (also keines¬ wegs Preßfreiheit, wie der Korrespondent angibt) und noch manches Andere, wel¬ ches wir, um nicht zu ermüden, übergehen. Es ist demnach von dem, was der Korrespondent als frommen Wunsch hin¬ stellt, nicht nur Alles, sondern mehr als dies von den Ständen angeregt und so weit ihre Macht reichte, auch ausgeführt worden, etwa mit der Ausnahme, daß sie es nicht versucht haben, ihre Domestikalfondsrechnung zu veröffentlichen. Doch wie kann daran gedacht werden, da das Ansinnen der Einsichtönahme dieser Rech¬ nung Seitens der Stände ihnen das allerhöchste Mißfallen zuzog, und überhaupt gar nichts — selbst nicht das kaiserliche Einberufuugspateut — was die Stände angeht, gedruckt werden darf. Und schlecht unterrichtet ist der Korrespondent, wenn er nicht weiß, was der böhmische Adel nicht nur seit heute, sondern seit lange her als Privatmann für Kunst und Wissenschaft, für Hnmanitätszwecke jeder Art, insonderheit aber auf seinen Gütern thut und noch mehr thun würde, wenn die Regierung nicht hemmend dazwischen träte. So z. B. haben edle Männer an der Gründung eines Schullehrer-Seminars, wozu sie die reichen Mittel bei> steuern wollten, gearbeitet; doch vergeblich! Regierung und Klerus waren dagegen. Eine Statistik der Opfer, welche der Adel für Straßen, Schulen, Kirchen und Armenpflege dem Lande gebracht, würde zeigen, daß er es beinahe allein ist, welcher für diese Zwecke in Böhmen wirkt. Von der Negierung geschieht beinahe gar nichts; ja sie entzieht sich sogar dem, was sie durch ihre eigene Gesetze zu thun verpflichtet ist. So z. B. besteht ein Schulfond und ein Neligionsfond, dessen Ueberschüsse alljährlich nach Wien wandern, während die von ihm zu leisten¬ den Congrual-Ergänzungen oder neue Dotirungen für Schullehrer und Pfarrer nicht geleistet und dagegen die Privaten durch kreisämtliche Commissionen zur un¬ freiwilligen Uebernahme sogenannter freiwilliger Beiträge durch alle ersinnlichen Mittel bestimmt werden, und wenn dies uicht gelingt, die Sache auf sich beruhen bleibt, wenn sie auch noch so dringend wäre. . *) Ein Filiale der österreichischen Nationalbank wurde ebenfalls beantragt, jedoch als unausführbar abgewiesen, und acht Monate später aber aus Andringen des Gewerbevereins in's Leben gerufen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/176>, abgerufen am 22.07.2024.