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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Personen ein Protokoll zu fuhren, die Abgesperrten täglich in ihren Kobylen zu
besuchen und das Zeugniß über die überstandene Contumaz mit dem Director zu
unterschreiben. Ein Contnmaz-Geistlicher hält die Messe in der Contumaz-Kapelle
ab, hört die Beichte des Kranken in gehöriger Entfernung, ohne Zeugen, reicht
aber das Abendmahl in Gegenwart des Arztes mit einer silbernen Zange, mit
welcher auch die letzte Ochluug verrichtet wird, worauf er die dazu gebrauchte
Baumwolle mit Feuer vertilgt. Der Coutumazwaarenaufseher hat ein genaues
Verzeichniß der eingehenden Waaren aufzunehmen, eine Urkunde (Fete) über die
erfolgte Reinigung auszustellen, und dem Zollamte zu überweisen. Auch ein Doll-
metscher und ein Amtsschreiber sind bei jeder Contumazanstalt angestellt.

Zu den Unterbeamten einer solchen Anstalt gehört der Contumaz-Profoß oder
Qnardian, welcher die Polizei handhabt; ferner sind mehrere Thorsteher ange¬
stellt, so wie mehrere Neinigungsdiener. Vvzngsweise werden dazu ausgediente
Soldaten genommen, welche aber mit Unterthanen des jenseitigen Gebietes weder
verwandt noch verschwägert sein dürfen; die erste ihnen vorgeschriebene Amtspflicht
ist, sich bescheiden und anständig gegen die Contumazirenden zu benehmen, was
auch wirklich beobachtet wird, und findet sich gewöhnlich mehr Ungeduld bei den
Reisenden, welchen allerdings mauches lästig vorkommt, was rin ihnen vorgenom¬
men wird, als UnHöflichkeit bei den Cvntnmazdieuern, die von dem sämmtlichen
Sarnath-Personal am meisten der wirklichen Pestgcfahr ausgesetzt sind.

Nur bei Tage darf der Uebertritt der Fremden in den österreichischen Staaten
geschehen, Couriere sind ausgenommen. In verdächtigen oder gefährlichen Zeiten
müssen die Reisenden sich in Gegenwart des Arztes und eines Dieners hinter
Schranken entkleiden; diejenigen, welche sichtbare Pcstmerkmale an sich tragen,
werden wieder über die Grenze zurückgewiesen, mit allen, die sie begleitet haben.
Die andern werden gebadet und in eine Kobylenabtheilnng eingeschlossen, damit in
der bestimmten Zeit der etwa verborgene Peststofs zum Ausbruch komme. Diese Frist
ist verschieden, ob blos in Constantinopel, oder in einer näher gelegenen Provinz
die Pest herrscht. Sonst waren dazu 10 oder 20 Tage bestimmt; jetzt ist bei
uuverdächtiger Zeit diese Frist auf drei Stunden bestimmt worden, auch findet
bei manchen entfernter gelegenen Q-uarantaineanstalten gar kein Aufenthalt statt,
sondern nachdem das Examinativnsprotokoll aufgenommen und die mitgenommenen
Sachen untersucht worden, kann die Reise fortgesetzt werden.

? Bei jeder Contumazanstalt befindet sich ein Wirthshaus, aus welchem die
Contumazdiener alles Erforderliche auf Kosten des Eingesperrten herbeiholen; der
Director der Anstalt hat dafür zu sorgen, daß die Beschwerenden über schlechte
oder zu theure Behandlung untersucht und derselben abgeholfen wird. Erkrankte
Personen können Testamente machen; allein Niemand von dein Contumazialpersonal
darf zum Erben oder Legaten eingesetzt werden, ausgenommen wirklich erweisliche
Verwandte. Die Leichname der an der Pest verstorbenen Personen werden mit


Personen ein Protokoll zu fuhren, die Abgesperrten täglich in ihren Kobylen zu
besuchen und das Zeugniß über die überstandene Contumaz mit dem Director zu
unterschreiben. Ein Contnmaz-Geistlicher hält die Messe in der Contumaz-Kapelle
ab, hört die Beichte des Kranken in gehöriger Entfernung, ohne Zeugen, reicht
aber das Abendmahl in Gegenwart des Arztes mit einer silbernen Zange, mit
welcher auch die letzte Ochluug verrichtet wird, worauf er die dazu gebrauchte
Baumwolle mit Feuer vertilgt. Der Coutumazwaarenaufseher hat ein genaues
Verzeichniß der eingehenden Waaren aufzunehmen, eine Urkunde (Fete) über die
erfolgte Reinigung auszustellen, und dem Zollamte zu überweisen. Auch ein Doll-
metscher und ein Amtsschreiber sind bei jeder Contumazanstalt angestellt.

Zu den Unterbeamten einer solchen Anstalt gehört der Contumaz-Profoß oder
Qnardian, welcher die Polizei handhabt; ferner sind mehrere Thorsteher ange¬
stellt, so wie mehrere Neinigungsdiener. Vvzngsweise werden dazu ausgediente
Soldaten genommen, welche aber mit Unterthanen des jenseitigen Gebietes weder
verwandt noch verschwägert sein dürfen; die erste ihnen vorgeschriebene Amtspflicht
ist, sich bescheiden und anständig gegen die Contumazirenden zu benehmen, was
auch wirklich beobachtet wird, und findet sich gewöhnlich mehr Ungeduld bei den
Reisenden, welchen allerdings mauches lästig vorkommt, was rin ihnen vorgenom¬
men wird, als UnHöflichkeit bei den Cvntnmazdieuern, die von dem sämmtlichen
Sarnath-Personal am meisten der wirklichen Pestgcfahr ausgesetzt sind.

Nur bei Tage darf der Uebertritt der Fremden in den österreichischen Staaten
geschehen, Couriere sind ausgenommen. In verdächtigen oder gefährlichen Zeiten
müssen die Reisenden sich in Gegenwart des Arztes und eines Dieners hinter
Schranken entkleiden; diejenigen, welche sichtbare Pcstmerkmale an sich tragen,
werden wieder über die Grenze zurückgewiesen, mit allen, die sie begleitet haben.
Die andern werden gebadet und in eine Kobylenabtheilnng eingeschlossen, damit in
der bestimmten Zeit der etwa verborgene Peststofs zum Ausbruch komme. Diese Frist
ist verschieden, ob blos in Constantinopel, oder in einer näher gelegenen Provinz
die Pest herrscht. Sonst waren dazu 10 oder 20 Tage bestimmt; jetzt ist bei
uuverdächtiger Zeit diese Frist auf drei Stunden bestimmt worden, auch findet
bei manchen entfernter gelegenen Q-uarantaineanstalten gar kein Aufenthalt statt,
sondern nachdem das Examinativnsprotokoll aufgenommen und die mitgenommenen
Sachen untersucht worden, kann die Reise fortgesetzt werden.

? Bei jeder Contumazanstalt befindet sich ein Wirthshaus, aus welchem die
Contumazdiener alles Erforderliche auf Kosten des Eingesperrten herbeiholen; der
Director der Anstalt hat dafür zu sorgen, daß die Beschwerenden über schlechte
oder zu theure Behandlung untersucht und derselben abgeholfen wird. Erkrankte
Personen können Testamente machen; allein Niemand von dein Contumazialpersonal
darf zum Erben oder Legaten eingesetzt werden, ausgenommen wirklich erweisliche
Verwandte. Die Leichname der an der Pest verstorbenen Personen werden mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/16>, abgerufen am 22.07.2024.