Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band."der Brandblattern. Sie sind die Anzeigen von den Bestrebungen der Naturkräfte So gefährlich die orientalische Pest ist, so viel Opfer sie anch gefordert hat, Die letzte große Pest in der europäischen Türkei hat endlich die Pforte zu »der Brandblattern. Sie sind die Anzeigen von den Bestrebungen der Naturkräfte So gefährlich die orientalische Pest ist, so viel Opfer sie anch gefordert hat, Die letzte große Pest in der europäischen Türkei hat endlich die Pforte zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184776"/> <p xml:id="ID_17" prev="#ID_16"> »der Brandblattern. Sie sind die Anzeigen von den Bestrebungen der Naturkräfte<lb/> das Uebel zu überwinden, denn ohne sie erfolgt leine Heilung; zugleich sind sie<lb/> die zuverlässigsten Merkmale der Pest, die sich bald anfangs oder längstens am<lb/> dritten Tage entwickelt. Bei hinreichenden Naturkräften schwellen bis zum vierten<lb/> oder sechsten Tage die Knötchen bis zur Dicke eines Fingers an, unter starkem<lb/> Schweiße und abnehmenden Schmerzen erreichen sie die Größe eines Hühner¬<lb/> eies; sie eitern bis sie selbst aufbrechen oder geöffnet werden, auch zertheilen sie<lb/> sich unter eitrigen! Urin oder galligen Stuhlgang. Ist die Natur weniger kräftig,<lb/> so werden diese Knoten zu einer weiche» schmerzlosen blasenähnlichen Geschwulst,<lb/> worauf der Tod dann bald erfolgt, oder es erzengen sich noch außerdem Karfun¬<lb/> keln, die unter einem brennenden Schmerz als ein linsengroßer Fleck anfangen.<lb/> Dieser schwarze Fleck, mit rothem Rande umgeben, wird so groß wie eine Hasel¬<lb/> nuß, bildet einen brandigen Schorf, den der ringsum befindliche Eiter von dem<lb/> Lebendigen absondert, wozu bis sieben Tage erfordert werden. Nehmen aber die<lb/> Kräfte des Kranken ab, so sinkt der Rand ein, der schwarzblau wird, und dann<lb/> erfolgt der Tod bald. Die Verstorbenen sehen wie die Erdrosselten oder vom<lb/> Blitz Erschlagenen schwarzblau aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_18"> So gefährlich die orientalische Pest ist, so viel Opfer sie anch gefordert hat,<lb/> so ist sie den Einwohnern doch lange nicht so fürchterlich, wie die asiatische<lb/> Cholera vorgekommen. Bald nach einander haben diese fürchterlichen Seuchen<lb/> in der Moldau und Walachei abgewechselt; man hat Gelegenheit gehabt, beide<lb/> kennen zu lernen, aber es herrscht nur eine Stimme darüber, daß die Pest bei<lb/> weitem nicht so gefürchtet wird. Deal vor dieser kann mau sich schützen; dieser<lb/> sie auch gewöhnlich die Reichen uicht angegriffen hat. Der Bojar schließt seinen<lb/> Hof, er hat Leute genug, mit denen er einen förmlichen Wachtdienst organisirt, er<lb/> läßt Niemand in den Hof, der verdächtig vorkommt; wer herein gelassen wird,<lb/> der wird in gehöriger Entfernung gehalten, und die erforderlichen Nahrungsmittel<lb/> werden von den schnell von den Gütern herbeigeschafften Vorräthen bereitet, oder<lb/> von dem Hausfleischer und Bäcker durch eine kleine Oeffnung in den Hof beför¬<lb/> dert, wo die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln getroffen werden. Dagegen dringt<lb/> das Gift der Cholera überall hin; die in manchen Staaten bewirkte Absperrung<lb/> durch Tausende von Bajonetten hat nichts geholfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_19" next="#ID_20"> Die letzte große Pest in der europäischen Türkei hat endlich die Pforte zu<lb/> Q-uarantainemaßregeln bestimmt; im Jahr 1836 ward dem Vesir von Bosnien be¬<lb/> fohlen, eine Contnmazanstalt an der Grenze von Niminik von 12 bis 17 Tagen<lb/> einzurichten, und im Jahr 1838 erließ der Sultan eine Bekanntmachung, in wel¬<lb/> cher bewiesen wurde, daß die Q-uarcmtaine nichts enthielte, was gegen die Lehren<lb/> des Koran gehe. Er befahl daher allen Pascha's Vorsichtsmaßregeln auf euro¬<lb/> päische Weise zu ergreifen. Seitdem ist Constantinopel mit einer Postenkette um¬<lb/> geben , so daß sich all» Viertelstunden eine Wache befindet. Alle Schisse müssen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
»der Brandblattern. Sie sind die Anzeigen von den Bestrebungen der Naturkräfte
das Uebel zu überwinden, denn ohne sie erfolgt leine Heilung; zugleich sind sie
die zuverlässigsten Merkmale der Pest, die sich bald anfangs oder längstens am
dritten Tage entwickelt. Bei hinreichenden Naturkräften schwellen bis zum vierten
oder sechsten Tage die Knötchen bis zur Dicke eines Fingers an, unter starkem
Schweiße und abnehmenden Schmerzen erreichen sie die Größe eines Hühner¬
eies; sie eitern bis sie selbst aufbrechen oder geöffnet werden, auch zertheilen sie
sich unter eitrigen! Urin oder galligen Stuhlgang. Ist die Natur weniger kräftig,
so werden diese Knoten zu einer weiche» schmerzlosen blasenähnlichen Geschwulst,
worauf der Tod dann bald erfolgt, oder es erzengen sich noch außerdem Karfun¬
keln, die unter einem brennenden Schmerz als ein linsengroßer Fleck anfangen.
Dieser schwarze Fleck, mit rothem Rande umgeben, wird so groß wie eine Hasel¬
nuß, bildet einen brandigen Schorf, den der ringsum befindliche Eiter von dem
Lebendigen absondert, wozu bis sieben Tage erfordert werden. Nehmen aber die
Kräfte des Kranken ab, so sinkt der Rand ein, der schwarzblau wird, und dann
erfolgt der Tod bald. Die Verstorbenen sehen wie die Erdrosselten oder vom
Blitz Erschlagenen schwarzblau aus.
So gefährlich die orientalische Pest ist, so viel Opfer sie anch gefordert hat,
so ist sie den Einwohnern doch lange nicht so fürchterlich, wie die asiatische
Cholera vorgekommen. Bald nach einander haben diese fürchterlichen Seuchen
in der Moldau und Walachei abgewechselt; man hat Gelegenheit gehabt, beide
kennen zu lernen, aber es herrscht nur eine Stimme darüber, daß die Pest bei
weitem nicht so gefürchtet wird. Deal vor dieser kann mau sich schützen; dieser
sie auch gewöhnlich die Reichen uicht angegriffen hat. Der Bojar schließt seinen
Hof, er hat Leute genug, mit denen er einen förmlichen Wachtdienst organisirt, er
läßt Niemand in den Hof, der verdächtig vorkommt; wer herein gelassen wird,
der wird in gehöriger Entfernung gehalten, und die erforderlichen Nahrungsmittel
werden von den schnell von den Gütern herbeigeschafften Vorräthen bereitet, oder
von dem Hausfleischer und Bäcker durch eine kleine Oeffnung in den Hof beför¬
dert, wo die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln getroffen werden. Dagegen dringt
das Gift der Cholera überall hin; die in manchen Staaten bewirkte Absperrung
durch Tausende von Bajonetten hat nichts geholfen.
Die letzte große Pest in der europäischen Türkei hat endlich die Pforte zu
Q-uarantainemaßregeln bestimmt; im Jahr 1836 ward dem Vesir von Bosnien be¬
fohlen, eine Contnmazanstalt an der Grenze von Niminik von 12 bis 17 Tagen
einzurichten, und im Jahr 1838 erließ der Sultan eine Bekanntmachung, in wel¬
cher bewiesen wurde, daß die Q-uarcmtaine nichts enthielte, was gegen die Lehren
des Koran gehe. Er befahl daher allen Pascha's Vorsichtsmaßregeln auf euro¬
päische Weise zu ergreifen. Seitdem ist Constantinopel mit einer Postenkette um¬
geben , so daß sich all» Viertelstunden eine Wache befindet. Alle Schisse müssen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |