Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die Militärärzte an; der Hofkriegsrat!) antwortete ungefähr folgenden Inhalts:
"Die Fouricre mögen l'rav arbeiten, daß sie bald avanciren; die Aerzte sollten
sich aber bis zu ihrer Neorgauisiruug gedulden." In diesem Jahre antwor¬
tete der Hofkriegsrath den Thcucruugsgesuchcn der Offiziere und Aerzte aus
Böhmen: Der Hofkriegsrath sehe es wohl ein, daß bei der jetzigen Theuerung der
Offizier eine Zulage bcnöthige, die Aerzte aber, nachdem mit Grund zu hoffen sei,
die Neorgauisiruug werde alsbald erfolgen, würden darauf hingewiesen.

Forschen wir nun dem Grunde einer so zweideutigen Rolle genauer "ach,
welche der Hofkriegsrath spielt und warum er sein gegebenes Wort nicht einlösen
will, .so werden wir unter Anderem ganz sonderbare Dinge erfahren.

Bekanntlich werden die Offizierstellen von Adeligen und Reichen ausgebeutet.
Damit diese schneller vorwärts kommen, werden oft die kräftigsten Männer von
einigen 30 Jahren gezwungen, als Hauptleute sich penstouircn zu lasse"; es muß
Platz gemacht werden, damit Juhabersgünstlinge 2c. Offiziere werden. Sollen nnn
Leute entlassen werden, die sich der Gunst der Herren Truppencommandanten zu
erfreuen haben, so braucht mau dazu gefügige Werkzeuge, Aerzte, welche ohne
langes Zögern, Achselzucken, Widerreden von Pflicht und Gewissen zu Gebote stehen,
"in taugliche Offiziere als krank und untauglich für ferneren Dienst zu erklären; solche
Werkzeuge müssen die Militärärzte in ihrem jetzigen Zustande abgeben. Ihre leidliche
Existenz hängt um vou dem Verhalten ihres militärischen Vorgesetzten ab, sie müssen
sich seinem Willen fügen. Vor einiger Zeit ereignete sich der Fall, daß ein Major,
welcher noch fortdienen wollte, bei der "Superarbitriruugs-Commission" aussagte,
er habe die in der Krankheitsgeschichte angegebenen Gebrechen nicht. Der dirigi-
reude Stabsarzt, ein unparteiischer Maun, zeigte den Vorfall dem Hofkriegsrathe
an. Der Regimentsarzt wurde deshalb bestraft, erfuhr die allerhöchste Mißbilli¬
gung mit dein Bedeuten, daß künftighin solche Pflichtverletzungen aus das Schärfste
geahndet, daß ferner bei jeder "Snpcrarbitrirnug" vou Offizieren, wenn es Ein
Mitglied der Commission verlangt, anch Civilärztc zugezogen und alle Krankheits-
geschichten zur Beurtheilung und Entscheidung dem akademischen Senate übergeben
werden sollen, welcher auch die Befugniß erhielt, bei einigen Bedenklichkeiten den
Offizier nach Wien berufen zu können. Das war der Hofkriegsrath der öffent¬
lichen Meinung schuldig. Was geschah? Die "Superarbitriruugeu" wurden erschwert,
in die Länge gezogen, alle Commandanten beschwerten sich, daß der Dienst dar¬
unter leide; der Hofkriegsrath snverarbitrirte endlich die Offiziere gegen das Gut¬
achten des academischen Senates! In der Armee erzählt man sich, daß Se. Ma¬
jestät in jüngster Zeit angegangen wurde: Sie möge, nachdem man doch Offiziere
snperarbitrircn müsse, die ohne auffallende Gebrechen verschiedener Verhältnisse hal¬
ber nicht mehr zum Fortdieueu geeignet seien und die man doch nicht sofort ohne
Pension entlassen könne, zu befehlen geruhen, daß künftighin kein Offizier mehr
nach Wien zu berufen sei, welcher Befehl aber, um dem früheren nicht zu wider--


die Militärärzte an; der Hofkriegsrat!) antwortete ungefähr folgenden Inhalts:
„Die Fouricre mögen l'rav arbeiten, daß sie bald avanciren; die Aerzte sollten
sich aber bis zu ihrer Neorgauisiruug gedulden." In diesem Jahre antwor¬
tete der Hofkriegsrath den Thcucruugsgesuchcn der Offiziere und Aerzte aus
Böhmen: Der Hofkriegsrath sehe es wohl ein, daß bei der jetzigen Theuerung der
Offizier eine Zulage bcnöthige, die Aerzte aber, nachdem mit Grund zu hoffen sei,
die Neorgauisiruug werde alsbald erfolgen, würden darauf hingewiesen.

Forschen wir nun dem Grunde einer so zweideutigen Rolle genauer »ach,
welche der Hofkriegsrath spielt und warum er sein gegebenes Wort nicht einlösen
will, .so werden wir unter Anderem ganz sonderbare Dinge erfahren.

Bekanntlich werden die Offizierstellen von Adeligen und Reichen ausgebeutet.
Damit diese schneller vorwärts kommen, werden oft die kräftigsten Männer von
einigen 30 Jahren gezwungen, als Hauptleute sich penstouircn zu lasse»; es muß
Platz gemacht werden, damit Juhabersgünstlinge 2c. Offiziere werden. Sollen nnn
Leute entlassen werden, die sich der Gunst der Herren Truppencommandanten zu
erfreuen haben, so braucht mau dazu gefügige Werkzeuge, Aerzte, welche ohne
langes Zögern, Achselzucken, Widerreden von Pflicht und Gewissen zu Gebote stehen,
»in taugliche Offiziere als krank und untauglich für ferneren Dienst zu erklären; solche
Werkzeuge müssen die Militärärzte in ihrem jetzigen Zustande abgeben. Ihre leidliche
Existenz hängt um vou dem Verhalten ihres militärischen Vorgesetzten ab, sie müssen
sich seinem Willen fügen. Vor einiger Zeit ereignete sich der Fall, daß ein Major,
welcher noch fortdienen wollte, bei der „Superarbitriruugs-Commission" aussagte,
er habe die in der Krankheitsgeschichte angegebenen Gebrechen nicht. Der dirigi-
reude Stabsarzt, ein unparteiischer Maun, zeigte den Vorfall dem Hofkriegsrathe
an. Der Regimentsarzt wurde deshalb bestraft, erfuhr die allerhöchste Mißbilli¬
gung mit dein Bedeuten, daß künftighin solche Pflichtverletzungen aus das Schärfste
geahndet, daß ferner bei jeder „Snpcrarbitrirnug" vou Offizieren, wenn es Ein
Mitglied der Commission verlangt, anch Civilärztc zugezogen und alle Krankheits-
geschichten zur Beurtheilung und Entscheidung dem akademischen Senate übergeben
werden sollen, welcher auch die Befugniß erhielt, bei einigen Bedenklichkeiten den
Offizier nach Wien berufen zu können. Das war der Hofkriegsrath der öffent¬
lichen Meinung schuldig. Was geschah? Die „Superarbitriruugeu" wurden erschwert,
in die Länge gezogen, alle Commandanten beschwerten sich, daß der Dienst dar¬
unter leide; der Hofkriegsrath snverarbitrirte endlich die Offiziere gegen das Gut¬
achten des academischen Senates! In der Armee erzählt man sich, daß Se. Ma¬
jestät in jüngster Zeit angegangen wurde: Sie möge, nachdem man doch Offiziere
snperarbitrircn müsse, die ohne auffallende Gebrechen verschiedener Verhältnisse hal¬
ber nicht mehr zum Fortdieueu geeignet seien und die man doch nicht sofort ohne
Pension entlassen könne, zu befehlen geruhen, daß künftighin kein Offizier mehr
nach Wien zu berufen sei, welcher Befehl aber, um dem früheren nicht zu wider--


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184882"/>
          <p xml:id="ID_381" prev="#ID_380"> die Militärärzte an; der Hofkriegsrat!) antwortete ungefähr folgenden Inhalts:<lb/>
&#x201E;Die Fouricre mögen l'rav arbeiten, daß sie bald avanciren; die Aerzte sollten<lb/>
sich aber bis zu ihrer Neorgauisiruug gedulden." In diesem Jahre antwor¬<lb/>
tete der Hofkriegsrath den Thcucruugsgesuchcn der Offiziere und Aerzte aus<lb/>
Böhmen: Der Hofkriegsrath sehe es wohl ein, daß bei der jetzigen Theuerung der<lb/>
Offizier eine Zulage bcnöthige, die Aerzte aber, nachdem mit Grund zu hoffen sei,<lb/>
die Neorgauisiruug werde alsbald erfolgen, würden darauf hingewiesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_382"> Forschen wir nun dem Grunde einer so zweideutigen Rolle genauer »ach,<lb/>
welche der Hofkriegsrath spielt und warum er sein gegebenes Wort nicht einlösen<lb/>
will, .so werden wir unter Anderem ganz sonderbare Dinge erfahren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_383" next="#ID_384"> Bekanntlich werden die Offizierstellen von Adeligen und Reichen ausgebeutet.<lb/>
Damit diese schneller vorwärts kommen, werden oft die kräftigsten Männer von<lb/>
einigen 30 Jahren gezwungen, als Hauptleute sich penstouircn zu lasse»; es muß<lb/>
Platz gemacht werden, damit Juhabersgünstlinge 2c. Offiziere werden. Sollen nnn<lb/>
Leute entlassen werden, die sich der Gunst der Herren Truppencommandanten zu<lb/>
erfreuen haben, so braucht mau dazu gefügige Werkzeuge, Aerzte, welche ohne<lb/>
langes Zögern, Achselzucken, Widerreden von Pflicht und Gewissen zu Gebote stehen,<lb/>
»in taugliche Offiziere als krank und untauglich für ferneren Dienst zu erklären; solche<lb/>
Werkzeuge müssen die Militärärzte in ihrem jetzigen Zustande abgeben. Ihre leidliche<lb/>
Existenz hängt um vou dem Verhalten ihres militärischen Vorgesetzten ab, sie müssen<lb/>
sich seinem Willen fügen. Vor einiger Zeit ereignete sich der Fall, daß ein Major,<lb/>
welcher noch fortdienen wollte, bei der &#x201E;Superarbitriruugs-Commission" aussagte,<lb/>
er habe die in der Krankheitsgeschichte angegebenen Gebrechen nicht. Der dirigi-<lb/>
reude Stabsarzt, ein unparteiischer Maun, zeigte den Vorfall dem Hofkriegsrathe<lb/>
an. Der Regimentsarzt wurde deshalb bestraft, erfuhr die allerhöchste Mißbilli¬<lb/>
gung mit dein Bedeuten, daß künftighin solche Pflichtverletzungen aus das Schärfste<lb/>
geahndet, daß ferner bei jeder &#x201E;Snpcrarbitrirnug" vou Offizieren, wenn es Ein<lb/>
Mitglied der Commission verlangt, anch Civilärztc zugezogen und alle Krankheits-<lb/>
geschichten zur Beurtheilung und Entscheidung dem akademischen Senate übergeben<lb/>
werden sollen, welcher auch die Befugniß erhielt, bei einigen Bedenklichkeiten den<lb/>
Offizier nach Wien berufen zu können. Das war der Hofkriegsrath der öffent¬<lb/>
lichen Meinung schuldig. Was geschah? Die &#x201E;Superarbitriruugeu" wurden erschwert,<lb/>
in die Länge gezogen, alle Commandanten beschwerten sich, daß der Dienst dar¬<lb/>
unter leide; der Hofkriegsrath snverarbitrirte endlich die Offiziere gegen das Gut¬<lb/>
achten des academischen Senates! In der Armee erzählt man sich, daß Se. Ma¬<lb/>
jestät in jüngster Zeit angegangen wurde: Sie möge, nachdem man doch Offiziere<lb/>
snperarbitrircn müsse, die ohne auffallende Gebrechen verschiedener Verhältnisse hal¬<lb/>
ber nicht mehr zum Fortdieueu geeignet seien und die man doch nicht sofort ohne<lb/>
Pension entlassen könne, zu befehlen geruhen, daß künftighin kein Offizier mehr<lb/>
nach Wien zu berufen sei, welcher Befehl aber, um dem früheren nicht zu wider--</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0118] die Militärärzte an; der Hofkriegsrat!) antwortete ungefähr folgenden Inhalts: „Die Fouricre mögen l'rav arbeiten, daß sie bald avanciren; die Aerzte sollten sich aber bis zu ihrer Neorgauisiruug gedulden." In diesem Jahre antwor¬ tete der Hofkriegsrath den Thcucruugsgesuchcn der Offiziere und Aerzte aus Böhmen: Der Hofkriegsrath sehe es wohl ein, daß bei der jetzigen Theuerung der Offizier eine Zulage bcnöthige, die Aerzte aber, nachdem mit Grund zu hoffen sei, die Neorgauisiruug werde alsbald erfolgen, würden darauf hingewiesen. Forschen wir nun dem Grunde einer so zweideutigen Rolle genauer »ach, welche der Hofkriegsrath spielt und warum er sein gegebenes Wort nicht einlösen will, .so werden wir unter Anderem ganz sonderbare Dinge erfahren. Bekanntlich werden die Offizierstellen von Adeligen und Reichen ausgebeutet. Damit diese schneller vorwärts kommen, werden oft die kräftigsten Männer von einigen 30 Jahren gezwungen, als Hauptleute sich penstouircn zu lasse»; es muß Platz gemacht werden, damit Juhabersgünstlinge 2c. Offiziere werden. Sollen nnn Leute entlassen werden, die sich der Gunst der Herren Truppencommandanten zu erfreuen haben, so braucht mau dazu gefügige Werkzeuge, Aerzte, welche ohne langes Zögern, Achselzucken, Widerreden von Pflicht und Gewissen zu Gebote stehen, »in taugliche Offiziere als krank und untauglich für ferneren Dienst zu erklären; solche Werkzeuge müssen die Militärärzte in ihrem jetzigen Zustande abgeben. Ihre leidliche Existenz hängt um vou dem Verhalten ihres militärischen Vorgesetzten ab, sie müssen sich seinem Willen fügen. Vor einiger Zeit ereignete sich der Fall, daß ein Major, welcher noch fortdienen wollte, bei der „Superarbitriruugs-Commission" aussagte, er habe die in der Krankheitsgeschichte angegebenen Gebrechen nicht. Der dirigi- reude Stabsarzt, ein unparteiischer Maun, zeigte den Vorfall dem Hofkriegsrathe an. Der Regimentsarzt wurde deshalb bestraft, erfuhr die allerhöchste Mißbilli¬ gung mit dein Bedeuten, daß künftighin solche Pflichtverletzungen aus das Schärfste geahndet, daß ferner bei jeder „Snpcrarbitrirnug" vou Offizieren, wenn es Ein Mitglied der Commission verlangt, anch Civilärztc zugezogen und alle Krankheits- geschichten zur Beurtheilung und Entscheidung dem akademischen Senate übergeben werden sollen, welcher auch die Befugniß erhielt, bei einigen Bedenklichkeiten den Offizier nach Wien berufen zu können. Das war der Hofkriegsrath der öffent¬ lichen Meinung schuldig. Was geschah? Die „Superarbitriruugeu" wurden erschwert, in die Länge gezogen, alle Commandanten beschwerten sich, daß der Dienst dar¬ unter leide; der Hofkriegsrath snverarbitrirte endlich die Offiziere gegen das Gut¬ achten des academischen Senates! In der Armee erzählt man sich, daß Se. Ma¬ jestät in jüngster Zeit angegangen wurde: Sie möge, nachdem man doch Offiziere snperarbitrircn müsse, die ohne auffallende Gebrechen verschiedener Verhältnisse hal¬ ber nicht mehr zum Fortdieueu geeignet seien und die man doch nicht sofort ohne Pension entlassen könne, zu befehlen geruhen, daß künftighin kein Offizier mehr nach Wien zu berufen sei, welcher Befehl aber, um dem früheren nicht zu wider--

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/118
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/118>, abgerufen am 22.07.2024.