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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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ihm Huldigungen über Huldigungen darzubringen, wie sie fast keinem deutschen
Mann noch dargebracht sind, ihn als unseru Erretter von dem Wüste des Vor¬
urtheiles des Schutzzolles darzustellen, in welcher Weise es bei den Reden der
Festessen, und in vielen öffentlichen Blättern geschehen. Muß der schlaue Eng¬
länder, müssen seine schlauen Landsleute nicht über unsern Mangel an Einsicht heim¬
lich in's Fäustchen lachen, hat er nicht gerechten Grund dazu, uns so übermüthig
zu behandeln, wie er dies gethan? Oder ist es nicht ein Zeichen des höchsten
Uebermuthes, wenn Jemand, der eine Reise nach Dentschland macht, um sich, wie
er sagt, über unsere Zustände zu unterrichten, sich anch nicht die Mühe gibt, vor¬
her nur ein einziges Wort unserer Sprache zu erlernen, und alle Anwesende bei
den ihm zu Ehren veranstalteten Festessen zwingt nur englisch zu sprechen, nur
-englische Reden zu halten? Würde wohl je ein Deutscher es wagen, in gleicher
Absicht nach England oder Frankreich zu gehen, ohne die dortigen Sprachen zu
verstehen, würde ein anderes Voll sich herablassen, große Versammlungen zu hal¬
ten, bei denen seine Mundart nicht gesprochen werden könnte? War es ferner nicht
eine große Insolenz von Herrn Cobden, als er bei dein ihm zu Ehren gegebenen
Festessen zu Hamburg öffentlich die ganze Partei des SchnKzolleö in Deiüschland
für unwissende, uuintelligeute Menschen erklärte, und geradezu behauptete, in Stutt¬
gart, Augsburg, kurz im ganzen deutschen Binnenlande verstehe man nicht über
Handels- und Schiffahrtöangelegenheiten und was Deutschland hierin fromme, z"
urtheilen.? Hätte dies uicht eine ernstliche Rüge verdient, statt "och beklatscht zu
werden. Wenn List bei einer öffentlichen Versammlung der sehr^zöllucr in Eng¬
land nnr deutsch hätte sprechen und die ganze englische Freihandels - Partei für
Dummköpfe erklären wollen, wie wäre dies dort wohl aufgenommen worden?

Berlin machte den Anfang in diesen Cobden-Huldigungen und die dortige
Freihandels-Partei begrüßte ihn in überschwänglicher Weise als ihren Messias, von
dem das Licht der Erkenntniß über uns armen Verblendeten ausgehen sollte. Nun
in Berlin wird gar viel Gescheidtes, aber auch große Narrheiten getrieben. Dafür
ist es allgemein bekannt. Besonders anch in der Sucht auf kurze Zeit mit irgend
einem Wesen, gleichviel welcher Art berühmt zu spielen, zeichnet es sich aus, und
die Sonntag wie die Taglioni, Lißt der Virtuose, wie Schreier mit seinem Affen¬
theater haben Beispiele genug davou gegeben. Berlin folgten die preußischen Ost¬
seehäfen, indem, wie uicht geleugnet werden kann, ein Theil der Kaufmannschaft
Vortheil von Cobden's Reform in England hat. Hamburg machte den Schluß,
und wollte recht eine Demonstration gegen das übrige Dentschland dadurch bilden.
Ob Hamburg, ob die dabei speziell Betheiligten Ehre davon getragen, ob Deutsch¬
land Grund hat, ihnen dafür zu danken -- dies überlassen nur der Entscheidung
unserer Leser. -




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ihm Huldigungen über Huldigungen darzubringen, wie sie fast keinem deutschen
Mann noch dargebracht sind, ihn als unseru Erretter von dem Wüste des Vor¬
urtheiles des Schutzzolles darzustellen, in welcher Weise es bei den Reden der
Festessen, und in vielen öffentlichen Blättern geschehen. Muß der schlaue Eng¬
länder, müssen seine schlauen Landsleute nicht über unsern Mangel an Einsicht heim¬
lich in's Fäustchen lachen, hat er nicht gerechten Grund dazu, uns so übermüthig
zu behandeln, wie er dies gethan? Oder ist es nicht ein Zeichen des höchsten
Uebermuthes, wenn Jemand, der eine Reise nach Dentschland macht, um sich, wie
er sagt, über unsere Zustände zu unterrichten, sich anch nicht die Mühe gibt, vor¬
her nur ein einziges Wort unserer Sprache zu erlernen, und alle Anwesende bei
den ihm zu Ehren veranstalteten Festessen zwingt nur englisch zu sprechen, nur
-englische Reden zu halten? Würde wohl je ein Deutscher es wagen, in gleicher
Absicht nach England oder Frankreich zu gehen, ohne die dortigen Sprachen zu
verstehen, würde ein anderes Voll sich herablassen, große Versammlungen zu hal¬
ten, bei denen seine Mundart nicht gesprochen werden könnte? War es ferner nicht
eine große Insolenz von Herrn Cobden, als er bei dein ihm zu Ehren gegebenen
Festessen zu Hamburg öffentlich die ganze Partei des SchnKzolleö in Deiüschland
für unwissende, uuintelligeute Menschen erklärte, und geradezu behauptete, in Stutt¬
gart, Augsburg, kurz im ganzen deutschen Binnenlande verstehe man nicht über
Handels- und Schiffahrtöangelegenheiten und was Deutschland hierin fromme, z»
urtheilen.? Hätte dies uicht eine ernstliche Rüge verdient, statt »och beklatscht zu
werden. Wenn List bei einer öffentlichen Versammlung der sehr^zöllucr in Eng¬
land nnr deutsch hätte sprechen und die ganze englische Freihandels - Partei für
Dummköpfe erklären wollen, wie wäre dies dort wohl aufgenommen worden?

Berlin machte den Anfang in diesen Cobden-Huldigungen und die dortige
Freihandels-Partei begrüßte ihn in überschwänglicher Weise als ihren Messias, von
dem das Licht der Erkenntniß über uns armen Verblendeten ausgehen sollte. Nun
in Berlin wird gar viel Gescheidtes, aber auch große Narrheiten getrieben. Dafür
ist es allgemein bekannt. Besonders anch in der Sucht auf kurze Zeit mit irgend
einem Wesen, gleichviel welcher Art berühmt zu spielen, zeichnet es sich aus, und
die Sonntag wie die Taglioni, Lißt der Virtuose, wie Schreier mit seinem Affen¬
theater haben Beispiele genug davou gegeben. Berlin folgten die preußischen Ost¬
seehäfen, indem, wie uicht geleugnet werden kann, ein Theil der Kaufmannschaft
Vortheil von Cobden's Reform in England hat. Hamburg machte den Schluß,
und wollte recht eine Demonstration gegen das übrige Dentschland dadurch bilden.
Ob Hamburg, ob die dabei speziell Betheiligten Ehre davon getragen, ob Deutsch¬
land Grund hat, ihnen dafür zu danken — dies überlassen nur der Entscheidung
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[0115] ihm Huldigungen über Huldigungen darzubringen, wie sie fast keinem deutschen Mann noch dargebracht sind, ihn als unseru Erretter von dem Wüste des Vor¬ urtheiles des Schutzzolles darzustellen, in welcher Weise es bei den Reden der Festessen, und in vielen öffentlichen Blättern geschehen. Muß der schlaue Eng¬ länder, müssen seine schlauen Landsleute nicht über unsern Mangel an Einsicht heim¬ lich in's Fäustchen lachen, hat er nicht gerechten Grund dazu, uns so übermüthig zu behandeln, wie er dies gethan? Oder ist es nicht ein Zeichen des höchsten Uebermuthes, wenn Jemand, der eine Reise nach Dentschland macht, um sich, wie er sagt, über unsere Zustände zu unterrichten, sich anch nicht die Mühe gibt, vor¬ her nur ein einziges Wort unserer Sprache zu erlernen, und alle Anwesende bei den ihm zu Ehren veranstalteten Festessen zwingt nur englisch zu sprechen, nur -englische Reden zu halten? Würde wohl je ein Deutscher es wagen, in gleicher Absicht nach England oder Frankreich zu gehen, ohne die dortigen Sprachen zu verstehen, würde ein anderes Voll sich herablassen, große Versammlungen zu hal¬ ten, bei denen seine Mundart nicht gesprochen werden könnte? War es ferner nicht eine große Insolenz von Herrn Cobden, als er bei dein ihm zu Ehren gegebenen Festessen zu Hamburg öffentlich die ganze Partei des SchnKzolleö in Deiüschland für unwissende, uuintelligeute Menschen erklärte, und geradezu behauptete, in Stutt¬ gart, Augsburg, kurz im ganzen deutschen Binnenlande verstehe man nicht über Handels- und Schiffahrtöangelegenheiten und was Deutschland hierin fromme, z» urtheilen.? Hätte dies uicht eine ernstliche Rüge verdient, statt »och beklatscht zu werden. Wenn List bei einer öffentlichen Versammlung der sehr^zöllucr in Eng¬ land nnr deutsch hätte sprechen und die ganze englische Freihandels - Partei für Dummköpfe erklären wollen, wie wäre dies dort wohl aufgenommen worden? Berlin machte den Anfang in diesen Cobden-Huldigungen und die dortige Freihandels-Partei begrüßte ihn in überschwänglicher Weise als ihren Messias, von dem das Licht der Erkenntniß über uns armen Verblendeten ausgehen sollte. Nun in Berlin wird gar viel Gescheidtes, aber auch große Narrheiten getrieben. Dafür ist es allgemein bekannt. Besonders anch in der Sucht auf kurze Zeit mit irgend einem Wesen, gleichviel welcher Art berühmt zu spielen, zeichnet es sich aus, und die Sonntag wie die Taglioni, Lißt der Virtuose, wie Schreier mit seinem Affen¬ theater haben Beispiele genug davou gegeben. Berlin folgten die preußischen Ost¬ seehäfen, indem, wie uicht geleugnet werden kann, ein Theil der Kaufmannschaft Vortheil von Cobden's Reform in England hat. Hamburg machte den Schluß, und wollte recht eine Demonstration gegen das übrige Dentschland dadurch bilden. Ob Hamburg, ob die dabei speziell Betheiligten Ehre davon getragen, ob Deutsch¬ land Grund hat, ihnen dafür zu danken — dies überlassen nur der Entscheidung unserer Leser. - 1-N

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/115>, abgerufen am 12.12.2024.