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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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mit englischen Fabrikwaaren überschwemmt werden, während immer mehr Tausende
von fleißigen Händen im gezwungenen Müßiggange werden feiern müsse". Dies
bringt uus die Cobden'sche Reform in England zu Wege, wenn der Zollverein
sich nicht dagegen zu wahren sucht. Es ist traurig, aber uun doch einmal unum¬
stößlich wahr, daß die Verhältnisse der Welt gegenwärtig so beschaffen sind, daß
Manches, was dem einen Staate Nutzen bringt, dem andern schadet, und so ist es
besonders auch in sehr vielen Dingen zwischeu England und Deutschland der Fall.
Das Princip deS freien Handels, wie der freien Concurrenz ist gewiß seiner
ursprünglichen Natur uach das richtigste, und es stände sicher um unsere Zu¬
stande besser, wenn alle Staaten von jeher dasselbe befolgt hätten. Aber um eine
Concurrenz zu beginnen gehört doch wenigstens einigermaßen ein Gleichgewicht der
Kräfte, und wo diese fehlen, da ist die Sache ein Unding, was ganz naturge¬
mäß mit der völligen Erdrückuug des schwächeren Theiles enden muß. Nun
wäre es aber thöricht, ungemein thöricht behaupten zu wollen, Deutschland hätte
mit England schon eine gleiche Stufe in der Entwickelung seiner Kräfte erreicht,
könne jetzt schon besonders in Allem, was Handel und Industrie betrifft, mit dem¬
selben in die Schränken treten. In allen diesen Dingen und was besonders
die Hauptsache dabei, in seinem Geldrcichthum ist England uns noch weit überle¬
gen, und wir haben noch unendlich viel Versäumtes nachzuholen und viele Anstren¬
gungen zu entfalten, bis wir uns dann mit demselben zu messen vermögen.
Oeffnen wir jetzt dem englischen Fabrikate ohne Zoll unsern Markt, so sind unsere
Fabrikanten verloren und mit ihnen Tausende und abermals Tausende von Arbei¬
tern, und es wird in vielen Gegenden von Deutschland eine Noth einreihen,
gegen welche Alles, was wir jetzt davon kennen, noch ein Possenspiel ist.
Jeder, der nnr irgend wie mit unbefangenen, in keiner Art interessirten Blick'
die Verhältnisse ansieht, wird nus darin beipflichten müssen. Wir sind sehr weit
entfernt davon, alle Ansichten des verstorbenen List zu billigen, haben uus wieder¬
holt mündlich und öffentlich mit demselben über seine theilweise viel zu hohen
Forderungen des Schutzzolles herumgestritten, aber sollte der Zollverein in den näch¬
sten zwanzig Jahren dazu kommen, die Ideen des Cobden und seiner Partei willig
bei sich einzuführen, so wäre dies mit das größte Unglück, was uns passiren könnte.
Cobden reist im englischen Interesse und sucht uus daher seine für England aller¬
dings passenden Ansichten aufzubringen. Es ist dies ganz naturgemäß von ihm, und
er weiß recht gut, was er dabei will. Aber der große Hause seiner Nachtreter bei
uns weiß nicht, was er will und sucht sich theilweise blos ans Nachahmungssucht
in wirklich unsinnigen Forderungen zu überbieten. Hätten wir nur Cobden bei
seiner Reise in Deutschland mit der Achtung, die ihm als geistigbedeuteuden Mann
gebührt, aufgenommen, ihm alle Mittel, sich über unsere Verhältnisse zu unterrich¬
ten, geliefert, so wäre dies angemessen gewesen. Aber unangemessen, höchst unan¬
gemessen war es, ihn ans alle mögliche Weise mit Festlichkeiten zu überhäufen,


mit englischen Fabrikwaaren überschwemmt werden, während immer mehr Tausende
von fleißigen Händen im gezwungenen Müßiggange werden feiern müsse». Dies
bringt uus die Cobden'sche Reform in England zu Wege, wenn der Zollverein
sich nicht dagegen zu wahren sucht. Es ist traurig, aber uun doch einmal unum¬
stößlich wahr, daß die Verhältnisse der Welt gegenwärtig so beschaffen sind, daß
Manches, was dem einen Staate Nutzen bringt, dem andern schadet, und so ist es
besonders auch in sehr vielen Dingen zwischeu England und Deutschland der Fall.
Das Princip deS freien Handels, wie der freien Concurrenz ist gewiß seiner
ursprünglichen Natur uach das richtigste, und es stände sicher um unsere Zu¬
stande besser, wenn alle Staaten von jeher dasselbe befolgt hätten. Aber um eine
Concurrenz zu beginnen gehört doch wenigstens einigermaßen ein Gleichgewicht der
Kräfte, und wo diese fehlen, da ist die Sache ein Unding, was ganz naturge¬
mäß mit der völligen Erdrückuug des schwächeren Theiles enden muß. Nun
wäre es aber thöricht, ungemein thöricht behaupten zu wollen, Deutschland hätte
mit England schon eine gleiche Stufe in der Entwickelung seiner Kräfte erreicht,
könne jetzt schon besonders in Allem, was Handel und Industrie betrifft, mit dem¬
selben in die Schränken treten. In allen diesen Dingen und was besonders
die Hauptsache dabei, in seinem Geldrcichthum ist England uns noch weit überle¬
gen, und wir haben noch unendlich viel Versäumtes nachzuholen und viele Anstren¬
gungen zu entfalten, bis wir uns dann mit demselben zu messen vermögen.
Oeffnen wir jetzt dem englischen Fabrikate ohne Zoll unsern Markt, so sind unsere
Fabrikanten verloren und mit ihnen Tausende und abermals Tausende von Arbei¬
tern, und es wird in vielen Gegenden von Deutschland eine Noth einreihen,
gegen welche Alles, was wir jetzt davon kennen, noch ein Possenspiel ist.
Jeder, der nnr irgend wie mit unbefangenen, in keiner Art interessirten Blick'
die Verhältnisse ansieht, wird nus darin beipflichten müssen. Wir sind sehr weit
entfernt davon, alle Ansichten des verstorbenen List zu billigen, haben uus wieder¬
holt mündlich und öffentlich mit demselben über seine theilweise viel zu hohen
Forderungen des Schutzzolles herumgestritten, aber sollte der Zollverein in den näch¬
sten zwanzig Jahren dazu kommen, die Ideen des Cobden und seiner Partei willig
bei sich einzuführen, so wäre dies mit das größte Unglück, was uns passiren könnte.
Cobden reist im englischen Interesse und sucht uus daher seine für England aller¬
dings passenden Ansichten aufzubringen. Es ist dies ganz naturgemäß von ihm, und
er weiß recht gut, was er dabei will. Aber der große Hause seiner Nachtreter bei
uns weiß nicht, was er will und sucht sich theilweise blos ans Nachahmungssucht
in wirklich unsinnigen Forderungen zu überbieten. Hätten wir nur Cobden bei
seiner Reise in Deutschland mit der Achtung, die ihm als geistigbedeuteuden Mann
gebührt, aufgenommen, ihm alle Mittel, sich über unsere Verhältnisse zu unterrich¬
ten, geliefert, so wäre dies angemessen gewesen. Aber unangemessen, höchst unan¬
gemessen war es, ihn ans alle mögliche Weise mit Festlichkeiten zu überhäufen,


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[0114] mit englischen Fabrikwaaren überschwemmt werden, während immer mehr Tausende von fleißigen Händen im gezwungenen Müßiggange werden feiern müsse». Dies bringt uus die Cobden'sche Reform in England zu Wege, wenn der Zollverein sich nicht dagegen zu wahren sucht. Es ist traurig, aber uun doch einmal unum¬ stößlich wahr, daß die Verhältnisse der Welt gegenwärtig so beschaffen sind, daß Manches, was dem einen Staate Nutzen bringt, dem andern schadet, und so ist es besonders auch in sehr vielen Dingen zwischeu England und Deutschland der Fall. Das Princip deS freien Handels, wie der freien Concurrenz ist gewiß seiner ursprünglichen Natur uach das richtigste, und es stände sicher um unsere Zu¬ stande besser, wenn alle Staaten von jeher dasselbe befolgt hätten. Aber um eine Concurrenz zu beginnen gehört doch wenigstens einigermaßen ein Gleichgewicht der Kräfte, und wo diese fehlen, da ist die Sache ein Unding, was ganz naturge¬ mäß mit der völligen Erdrückuug des schwächeren Theiles enden muß. Nun wäre es aber thöricht, ungemein thöricht behaupten zu wollen, Deutschland hätte mit England schon eine gleiche Stufe in der Entwickelung seiner Kräfte erreicht, könne jetzt schon besonders in Allem, was Handel und Industrie betrifft, mit dem¬ selben in die Schränken treten. In allen diesen Dingen und was besonders die Hauptsache dabei, in seinem Geldrcichthum ist England uns noch weit überle¬ gen, und wir haben noch unendlich viel Versäumtes nachzuholen und viele Anstren¬ gungen zu entfalten, bis wir uns dann mit demselben zu messen vermögen. Oeffnen wir jetzt dem englischen Fabrikate ohne Zoll unsern Markt, so sind unsere Fabrikanten verloren und mit ihnen Tausende und abermals Tausende von Arbei¬ tern, und es wird in vielen Gegenden von Deutschland eine Noth einreihen, gegen welche Alles, was wir jetzt davon kennen, noch ein Possenspiel ist. Jeder, der nnr irgend wie mit unbefangenen, in keiner Art interessirten Blick' die Verhältnisse ansieht, wird nus darin beipflichten müssen. Wir sind sehr weit entfernt davon, alle Ansichten des verstorbenen List zu billigen, haben uus wieder¬ holt mündlich und öffentlich mit demselben über seine theilweise viel zu hohen Forderungen des Schutzzolles herumgestritten, aber sollte der Zollverein in den näch¬ sten zwanzig Jahren dazu kommen, die Ideen des Cobden und seiner Partei willig bei sich einzuführen, so wäre dies mit das größte Unglück, was uns passiren könnte. Cobden reist im englischen Interesse und sucht uus daher seine für England aller¬ dings passenden Ansichten aufzubringen. Es ist dies ganz naturgemäß von ihm, und er weiß recht gut, was er dabei will. Aber der große Hause seiner Nachtreter bei uns weiß nicht, was er will und sucht sich theilweise blos ans Nachahmungssucht in wirklich unsinnigen Forderungen zu überbieten. Hätten wir nur Cobden bei seiner Reise in Deutschland mit der Achtung, die ihm als geistigbedeuteuden Mann gebührt, aufgenommen, ihm alle Mittel, sich über unsere Verhältnisse zu unterrich¬ ten, geliefert, so wäre dies angemessen gewesen. Aber unangemessen, höchst unan¬ gemessen war es, ihn ans alle mögliche Weise mit Festlichkeiten zu überhäufen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/114>, abgerufen am 24.08.2024.