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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Die Pest gehört zu den gefährlichsten Nervenfiebern, verbunden mit Peit¬
schen und Buboncn; sie hat drei Perioden: den Anfall, die Reaction und die
Crisis. Die Pest dauert gewöhnlich 4 bis 5 Tage, außer wenn Typhus dazu
kommt, dann dauert sie 12 bis 15 Tage. Die ersten Symptome sind ein hefti¬
ges Kopfweh, Neigung zum Erbrechen und ein so entstelltes eigenthümliches Aus-
sehen, daß mau sich nicht irren kann, wenn man einmal mit diesem Ausdruck der
Pest bekannt ist.

Die Aerzte sind noch nicht einig über den Ursprung der Pest, und uoch hat
sich darüber keine Meinung festgestellt, ob sie aus Aegypten oder Asien kommt,
oder ob sie sich in Constantinopel erzeugt, wie man aus der OertUchkeit schließt,
wo gewöhnlich die ersten Pcstfälle angetroffen worden. Man hält die aus Tra-
pezunt und Sinope eingeschleppte Pest für gefährlicher als die aus Aegypten, welche
sich weniger zu verbreiten pflegt. Man glaubt, daß Jahre vou sehr veränderlichem
Wetter von der Pest frei bleiben, und daß große Hitze und große Kälte die
Verbreitung dieser Krankheit aufhalten; obgleich Andere bemerkt haben, daß die
Pest eben so häufig im Mai als im December anfängt. In Ansehung der An¬
steckung hat mau bemerkt, daß sie bei der bloßen Eröffnung eines Kästchens oder
eines Briefes stattgefunden, selbst durch das Riechen an einer Rose; dagegen ist
es bewiese", daß viele Personell Pestkranke und deren Sachen angerührt haben,
ohne angesteckt zu werden; so daß mau annimmt, wie diese Ansteckung am stärk¬
sten, wenn eine Disposition dazu vorhanden, oder uur bei gewissen Perioden der
Krankheit. Besonders soll Schmutz die Verbreitung der Pest befördern, Mangel
an Bewegung, schlechte Luft, Moräste und die Ausdünstungen von Kirchhöfen.
Bisweilen sind Krankheiten unter dem Geflügel und Wegziehen der Vögel mit der
Pest zusammengetroffen, auch sagt man, daß dann das Obst größer wird.

Aus dem Delta des Nil soll die Pest sich bei 30 Grad Reaumur nicht ver¬
breiten, und der Aufenthalt in stark geheizten Zimmern soll zur Heilung beitragen,
so daß starke Ausdünstung vortheilhaft einwirken dürste. Obwohl schon der Auf¬
enthalt in dem Dunstkreise eines Pestkranken ansteckend sein soll, so hat man doch
bemerkt, daß offne Wunden dagegen schützten; I)r. Bulard hat an Personen,
welche zum Tode verurtheilt waren, Versuche gemacht, ihnen die Pest mittelst der
Materie aus den Pestbeulen einzuimpfeu.

Ein Specificum gegen die Pest gibt es nicht; das Verfahren der Aerzte ist
dabei rein empyrisch. Gewöhnlich gibt man Limonade und sorgt für frische Luft;
Ulan öffnet die Bnbvnen und wirkt auf die Thätigkeit des lymphatischen Systems
titres Mercurialeiurelbnngen. Am Wirksamsten ist die ärztliche Hülfe am ersten
und zweiten Tage, selten am dritten Tage. Man behauptet, daß während der
Pest die andern Krankheiten abnehmen.. Die Türken als Fatalisten, bleiben ge¬
wöhnlich ruhig während der Pest; die Grieche" aber fliehen meist, sobald Pest¬
fälle sich ereignen. Man sucht gewöhnlich Berge oder andere hochgelegene Orte


Die Pest gehört zu den gefährlichsten Nervenfiebern, verbunden mit Peit¬
schen und Buboncn; sie hat drei Perioden: den Anfall, die Reaction und die
Crisis. Die Pest dauert gewöhnlich 4 bis 5 Tage, außer wenn Typhus dazu
kommt, dann dauert sie 12 bis 15 Tage. Die ersten Symptome sind ein hefti¬
ges Kopfweh, Neigung zum Erbrechen und ein so entstelltes eigenthümliches Aus-
sehen, daß mau sich nicht irren kann, wenn man einmal mit diesem Ausdruck der
Pest bekannt ist.

Die Aerzte sind noch nicht einig über den Ursprung der Pest, und uoch hat
sich darüber keine Meinung festgestellt, ob sie aus Aegypten oder Asien kommt,
oder ob sie sich in Constantinopel erzeugt, wie man aus der OertUchkeit schließt,
wo gewöhnlich die ersten Pcstfälle angetroffen worden. Man hält die aus Tra-
pezunt und Sinope eingeschleppte Pest für gefährlicher als die aus Aegypten, welche
sich weniger zu verbreiten pflegt. Man glaubt, daß Jahre vou sehr veränderlichem
Wetter von der Pest frei bleiben, und daß große Hitze und große Kälte die
Verbreitung dieser Krankheit aufhalten; obgleich Andere bemerkt haben, daß die
Pest eben so häufig im Mai als im December anfängt. In Ansehung der An¬
steckung hat mau bemerkt, daß sie bei der bloßen Eröffnung eines Kästchens oder
eines Briefes stattgefunden, selbst durch das Riechen an einer Rose; dagegen ist
es bewiese», daß viele Personell Pestkranke und deren Sachen angerührt haben,
ohne angesteckt zu werden; so daß mau annimmt, wie diese Ansteckung am stärk¬
sten, wenn eine Disposition dazu vorhanden, oder uur bei gewissen Perioden der
Krankheit. Besonders soll Schmutz die Verbreitung der Pest befördern, Mangel
an Bewegung, schlechte Luft, Moräste und die Ausdünstungen von Kirchhöfen.
Bisweilen sind Krankheiten unter dem Geflügel und Wegziehen der Vögel mit der
Pest zusammengetroffen, auch sagt man, daß dann das Obst größer wird.

Aus dem Delta des Nil soll die Pest sich bei 30 Grad Reaumur nicht ver¬
breiten, und der Aufenthalt in stark geheizten Zimmern soll zur Heilung beitragen,
so daß starke Ausdünstung vortheilhaft einwirken dürste. Obwohl schon der Auf¬
enthalt in dem Dunstkreise eines Pestkranken ansteckend sein soll, so hat man doch
bemerkt, daß offne Wunden dagegen schützten; I)r. Bulard hat an Personen,
welche zum Tode verurtheilt waren, Versuche gemacht, ihnen die Pest mittelst der
Materie aus den Pestbeulen einzuimpfeu.

Ein Specificum gegen die Pest gibt es nicht; das Verfahren der Aerzte ist
dabei rein empyrisch. Gewöhnlich gibt man Limonade und sorgt für frische Luft;
Ulan öffnet die Bnbvnen und wirkt auf die Thätigkeit des lymphatischen Systems
titres Mercurialeiurelbnngen. Am Wirksamsten ist die ärztliche Hülfe am ersten
und zweiten Tage, selten am dritten Tage. Man behauptet, daß während der
Pest die andern Krankheiten abnehmen.. Die Türken als Fatalisten, bleiben ge¬
wöhnlich ruhig während der Pest; die Grieche» aber fliehen meist, sobald Pest¬
fälle sich ereignen. Man sucht gewöhnlich Berge oder andere hochgelegene Orte


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[0010] Die Pest gehört zu den gefährlichsten Nervenfiebern, verbunden mit Peit¬ schen und Buboncn; sie hat drei Perioden: den Anfall, die Reaction und die Crisis. Die Pest dauert gewöhnlich 4 bis 5 Tage, außer wenn Typhus dazu kommt, dann dauert sie 12 bis 15 Tage. Die ersten Symptome sind ein hefti¬ ges Kopfweh, Neigung zum Erbrechen und ein so entstelltes eigenthümliches Aus- sehen, daß mau sich nicht irren kann, wenn man einmal mit diesem Ausdruck der Pest bekannt ist. Die Aerzte sind noch nicht einig über den Ursprung der Pest, und uoch hat sich darüber keine Meinung festgestellt, ob sie aus Aegypten oder Asien kommt, oder ob sie sich in Constantinopel erzeugt, wie man aus der OertUchkeit schließt, wo gewöhnlich die ersten Pcstfälle angetroffen worden. Man hält die aus Tra- pezunt und Sinope eingeschleppte Pest für gefährlicher als die aus Aegypten, welche sich weniger zu verbreiten pflegt. Man glaubt, daß Jahre vou sehr veränderlichem Wetter von der Pest frei bleiben, und daß große Hitze und große Kälte die Verbreitung dieser Krankheit aufhalten; obgleich Andere bemerkt haben, daß die Pest eben so häufig im Mai als im December anfängt. In Ansehung der An¬ steckung hat mau bemerkt, daß sie bei der bloßen Eröffnung eines Kästchens oder eines Briefes stattgefunden, selbst durch das Riechen an einer Rose; dagegen ist es bewiese», daß viele Personell Pestkranke und deren Sachen angerührt haben, ohne angesteckt zu werden; so daß mau annimmt, wie diese Ansteckung am stärk¬ sten, wenn eine Disposition dazu vorhanden, oder uur bei gewissen Perioden der Krankheit. Besonders soll Schmutz die Verbreitung der Pest befördern, Mangel an Bewegung, schlechte Luft, Moräste und die Ausdünstungen von Kirchhöfen. Bisweilen sind Krankheiten unter dem Geflügel und Wegziehen der Vögel mit der Pest zusammengetroffen, auch sagt man, daß dann das Obst größer wird. Aus dem Delta des Nil soll die Pest sich bei 30 Grad Reaumur nicht ver¬ breiten, und der Aufenthalt in stark geheizten Zimmern soll zur Heilung beitragen, so daß starke Ausdünstung vortheilhaft einwirken dürste. Obwohl schon der Auf¬ enthalt in dem Dunstkreise eines Pestkranken ansteckend sein soll, so hat man doch bemerkt, daß offne Wunden dagegen schützten; I)r. Bulard hat an Personen, welche zum Tode verurtheilt waren, Versuche gemacht, ihnen die Pest mittelst der Materie aus den Pestbeulen einzuimpfeu. Ein Specificum gegen die Pest gibt es nicht; das Verfahren der Aerzte ist dabei rein empyrisch. Gewöhnlich gibt man Limonade und sorgt für frische Luft; Ulan öffnet die Bnbvnen und wirkt auf die Thätigkeit des lymphatischen Systems titres Mercurialeiurelbnngen. Am Wirksamsten ist die ärztliche Hülfe am ersten und zweiten Tage, selten am dritten Tage. Man behauptet, daß während der Pest die andern Krankheiten abnehmen.. Die Türken als Fatalisten, bleiben ge¬ wöhnlich ruhig während der Pest; die Grieche» aber fliehen meist, sobald Pest¬ fälle sich ereignen. Man sucht gewöhnlich Berge oder andere hochgelegene Orte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/10>, abgerufen am 22.07.2024.