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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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begleiten. "Kreuzelement," brach er jetzt los, "schweigt oder ich werfe
euch die Schnapsflasche in's Gesicht." "Wer will das thun?" schrie
Jenner. "Sing' oder laß bleiben. Frisch auf, Jäger," fügte er dann
hinzu, "ich will den Ton angeben: Ein freies Leben führen wir :c."
Nun schien guter Rath theuer zu sein; sobald die Räuber auf's Tapet
kamen, war es gewöhnlich nicht mehr weit zu ähnlichen Auftritten.
Der Anblick war beinahe räubermäßig. Der Eine halbentkleidet, den
Andere fast ganz, die Mehrzahl mit einem Antlitz, aus welchem Trotz
und Lebensverachtung sprach, saßen sie da in der Gluth halber oder
gänzlicher Berauschung, doch keiner so, daß er nicht der Sinne, soviel
möglich, noch mächtig gewesen wäre. Diesen Vortheil haben die
Grenzjäger, wenige ausgenommen, fast durchgängig. Die Gefahr des
Lebens und die Nothwendigkeit, jederzeit bereit zu sein, macht ihnen
diese Vorsicht zur andern Natur. Man gewöhnt sich etwas Nüchtern¬
heit im Rausche, so wie das Wachen im Schlafe an.

Die Zänkerei war mittlerweile eifriger geworden, Jeder hatte
Recht und Keiner wußte, was der Andere sprach. Ich griff nach der
Guitarre und versuchte einige Accorde, als plötzlich ü^er meinem Kopf
mit der lieblichen Begrüßung: "Hol' mich der Teufel, wenn ich dir
nicht den Schädel spalte," ein Säbel sauste, Jenner von der Bank
aufsprang, mit der Linken Gläser und Leuchter vom Tisch hinunterstieß
und auf Werner losging. "Reißt der Canaille den Säbel aus der
Hand," schrie Leidenfroh. Kaum gesagt, war's auch schon geschehen.
"Jenner, setze dich," befahl er weiter; "wo nicht, Patrouille heraus!"
Jenner gehorchte, blitzte den Werner an und schrie mit halbunterdrück¬
ter Wuth: "Das verdammte Hundsgesicht! Quäle zu deiner Zither,
wenn du allein quaken willst, wo es dir beliebt; hier nicht." "Bravo,
Jenner," sagte Leidenfroh; "Gehorsam ist das Erste; solche Jäger liebe
ich. Hans, gieb ihm den Säbel zurück."

"O Jemine!" brummte Janko, "hatte das Waffen Rost. Zahlte
ein HalbS Schnaps, will ich morgen putzen/'

In diesem Augenblicke trat eine fremde Patrouille in das Zim¬
mer, darunter war ein junges Bürschchen, ein Schneider seines Hand¬
werks, Rudolph mit Namen. Er war, wie die Männer sagen, ein
fideler Kamerad, schmächtig, klein, von schwarzen Haaren und Augen,
mit schwarzem Schnurbärtchen, die Gesichtsfarbe ziemlich gelb. Tan-
zend kam er in das Zimmer gesprungen, warf das Gewehr bei Seite,
drehte die Kappe und griff nach einem Glas. "Wer Courage hat,
lade scharf, heute gilt'S!" Dabei zog er einen Brief aus der Tasche


begleiten. „Kreuzelement," brach er jetzt los, „schweigt oder ich werfe
euch die Schnapsflasche in's Gesicht." „Wer will das thun?" schrie
Jenner. „Sing' oder laß bleiben. Frisch auf, Jäger," fügte er dann
hinzu, „ich will den Ton angeben: Ein freies Leben führen wir :c."
Nun schien guter Rath theuer zu sein; sobald die Räuber auf's Tapet
kamen, war es gewöhnlich nicht mehr weit zu ähnlichen Auftritten.
Der Anblick war beinahe räubermäßig. Der Eine halbentkleidet, den
Andere fast ganz, die Mehrzahl mit einem Antlitz, aus welchem Trotz
und Lebensverachtung sprach, saßen sie da in der Gluth halber oder
gänzlicher Berauschung, doch keiner so, daß er nicht der Sinne, soviel
möglich, noch mächtig gewesen wäre. Diesen Vortheil haben die
Grenzjäger, wenige ausgenommen, fast durchgängig. Die Gefahr des
Lebens und die Nothwendigkeit, jederzeit bereit zu sein, macht ihnen
diese Vorsicht zur andern Natur. Man gewöhnt sich etwas Nüchtern¬
heit im Rausche, so wie das Wachen im Schlafe an.

Die Zänkerei war mittlerweile eifriger geworden, Jeder hatte
Recht und Keiner wußte, was der Andere sprach. Ich griff nach der
Guitarre und versuchte einige Accorde, als plötzlich ü^er meinem Kopf
mit der lieblichen Begrüßung: „Hol' mich der Teufel, wenn ich dir
nicht den Schädel spalte," ein Säbel sauste, Jenner von der Bank
aufsprang, mit der Linken Gläser und Leuchter vom Tisch hinunterstieß
und auf Werner losging. „Reißt der Canaille den Säbel aus der
Hand," schrie Leidenfroh. Kaum gesagt, war's auch schon geschehen.
„Jenner, setze dich," befahl er weiter; „wo nicht, Patrouille heraus!"
Jenner gehorchte, blitzte den Werner an und schrie mit halbunterdrück¬
ter Wuth: „Das verdammte Hundsgesicht! Quäle zu deiner Zither,
wenn du allein quaken willst, wo es dir beliebt; hier nicht." „Bravo,
Jenner," sagte Leidenfroh; „Gehorsam ist das Erste; solche Jäger liebe
ich. Hans, gieb ihm den Säbel zurück."

„O Jemine!" brummte Janko, „hatte das Waffen Rost. Zahlte
ein HalbS Schnaps, will ich morgen putzen/'

In diesem Augenblicke trat eine fremde Patrouille in das Zim¬
mer, darunter war ein junges Bürschchen, ein Schneider seines Hand¬
werks, Rudolph mit Namen. Er war, wie die Männer sagen, ein
fideler Kamerad, schmächtig, klein, von schwarzen Haaren und Augen,
mit schwarzem Schnurbärtchen, die Gesichtsfarbe ziemlich gelb. Tan-
zend kam er in das Zimmer gesprungen, warf das Gewehr bei Seite,
drehte die Kappe und griff nach einem Glas. „Wer Courage hat,
lade scharf, heute gilt'S!" Dabei zog er einen Brief aus der Tasche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/61>, abgerufen am 23.07.2024.