Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lische, der andere der protestantische u. s. w. Oesterreich mag immerhin
zwei Köpfe behalten -- hat es doch von jeher nur mit dem einen nach
Deutschland und mit dem andern auf seine Hausmacht gesehen. Auch
Rußland braucht zwei Köpfe, um mit dem einen auf sein blutiges Hoch¬
zeitsbett am Kaukasus, mit dem andern auf das große Leichentuch Polens
hinzusehen; um mit dem einen lüstern und beutespähend auf seinen Ein¬
fluß in dem türkisch-griechischen Orient hinzuschicken und mit dem andern
an seinen Einfluß in dem christlich-germanischen Occident sich zu weiden;
Rußland könnte, wie die griechische Hydra, mit noch weit mehr Köpfen
abgebildet werden. Aber der deutsche Bund, der sich von Frankreich ab¬
wendet, der sich von Amerika abwendet, der im Orient nichts mehr sucht,
der nirgends erobern kann und nur conserviren und abermals conserviren
will: was bedeutet dieses rechts und links Schauen seiner beiden Köpfe?
Ist es Besorgnis), die nach allen Seiten späht? Ist es ein Symbol,
daß der eine den Rhein, der andere die Donau bewacht? Aber auch
dann wäre es besser, wenn beide Köpfe, statt nach auswärts hin, nach
der Mitte blickten, und im Innern Deutschlands die Allianzen suchten
und die Beseitigung aller äußern Gefahren durch die Kräftigung des
Nationalgefühls und des Volksbewußtseins erzielten. Ein freies Deutsch¬
land, ausgerüstet mit Institutionen, die jedes Herz erheben -- ist ti
beste Abwehr gegen alle revolutionaire Propaganda und panslavistische
Unterjochungsgelüste. Sollte es kein Mittel geben, dies durch das neu
adoptiere Bundeswappen ausdrücken zu können?

-- An den großen Bauten, die in London behufs der Verschönerung
und Verbesserung der Sanität ausgeführt werden, hat sich ein neuer
Bauplan gesellt. Es ist die Rede davon, sämmtliche Stadttheile, die
jetzt von der arbeitenden Klasse bewohnt werden, umzubauen. Um diese
großartige Arbeit beginnen zu können, ist es natürlicherweise vor Allem
nothwendig, den betreffenden Einwohnern anderswo provisorische Woh¬
nungen zu verschaffen. Nun aber sind bekanntlich alle Theile der Stadt
und der Vorstädte überfüllt. Man ist daher auf folgendes Aushülfsmittel
gerathen. In einem Umkreise von drei bis vier englischen Meilen werden
rings um London auf allen Punkten, die von Eisenbahnen durchzogen
sind, provisorische Dörfer angelegt werden. Die Eisenbahngesellschaften
werden mit der Eonstruction dieser Dörfer betraut werden, in welchen
die in dem bisherigen alten und ungesunden Stadttheile wohnende Ar¬
beiterbevölkerung so lange Wohnungen findet, bis der Umbau der letztern
vollendet ist. Die Eisenbahngesellschaften werden ferner durch Ertrazüge
diese Arbeiter jeden Morgen in die Stadt und jeden Abend nach ihren
provisorischen Wohnungen bringen und die Transportkosten werden in den
Miethzins eingerechnet. Ist dies nicht grade so, wie bei uns in Deutsch¬
land ?j




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kurands,
Druck von Friedrich Andrä.

lische, der andere der protestantische u. s. w. Oesterreich mag immerhin
zwei Köpfe behalten — hat es doch von jeher nur mit dem einen nach
Deutschland und mit dem andern auf seine Hausmacht gesehen. Auch
Rußland braucht zwei Köpfe, um mit dem einen auf sein blutiges Hoch¬
zeitsbett am Kaukasus, mit dem andern auf das große Leichentuch Polens
hinzusehen; um mit dem einen lüstern und beutespähend auf seinen Ein¬
fluß in dem türkisch-griechischen Orient hinzuschicken und mit dem andern
an seinen Einfluß in dem christlich-germanischen Occident sich zu weiden;
Rußland könnte, wie die griechische Hydra, mit noch weit mehr Köpfen
abgebildet werden. Aber der deutsche Bund, der sich von Frankreich ab¬
wendet, der sich von Amerika abwendet, der im Orient nichts mehr sucht,
der nirgends erobern kann und nur conserviren und abermals conserviren
will: was bedeutet dieses rechts und links Schauen seiner beiden Köpfe?
Ist es Besorgnis), die nach allen Seiten späht? Ist es ein Symbol,
daß der eine den Rhein, der andere die Donau bewacht? Aber auch
dann wäre es besser, wenn beide Köpfe, statt nach auswärts hin, nach
der Mitte blickten, und im Innern Deutschlands die Allianzen suchten
und die Beseitigung aller äußern Gefahren durch die Kräftigung des
Nationalgefühls und des Volksbewußtseins erzielten. Ein freies Deutsch¬
land, ausgerüstet mit Institutionen, die jedes Herz erheben — ist ti
beste Abwehr gegen alle revolutionaire Propaganda und panslavistische
Unterjochungsgelüste. Sollte es kein Mittel geben, dies durch das neu
adoptiere Bundeswappen ausdrücken zu können?

— An den großen Bauten, die in London behufs der Verschönerung
und Verbesserung der Sanität ausgeführt werden, hat sich ein neuer
Bauplan gesellt. Es ist die Rede davon, sämmtliche Stadttheile, die
jetzt von der arbeitenden Klasse bewohnt werden, umzubauen. Um diese
großartige Arbeit beginnen zu können, ist es natürlicherweise vor Allem
nothwendig, den betreffenden Einwohnern anderswo provisorische Woh¬
nungen zu verschaffen. Nun aber sind bekanntlich alle Theile der Stadt
und der Vorstädte überfüllt. Man ist daher auf folgendes Aushülfsmittel
gerathen. In einem Umkreise von drei bis vier englischen Meilen werden
rings um London auf allen Punkten, die von Eisenbahnen durchzogen
sind, provisorische Dörfer angelegt werden. Die Eisenbahngesellschaften
werden mit der Eonstruction dieser Dörfer betraut werden, in welchen
die in dem bisherigen alten und ungesunden Stadttheile wohnende Ar¬
beiterbevölkerung so lange Wohnungen findet, bis der Umbau der letztern
vollendet ist. Die Eisenbahngesellschaften werden ferner durch Ertrazüge
diese Arbeiter jeden Morgen in die Stadt und jeden Abend nach ihren
provisorischen Wohnungen bringen und die Transportkosten werden in den
Miethzins eingerechnet. Ist dies nicht grade so, wie bei uns in Deutsch¬
land ?j




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kurands,
Druck von Friedrich Andrä.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0536" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184118"/>
            <p xml:id="ID_1557" prev="#ID_1556"> lische, der andere der protestantische u. s. w. Oesterreich mag immerhin<lb/>
zwei Köpfe behalten &#x2014; hat es doch von jeher nur mit dem einen nach<lb/>
Deutschland und mit dem andern auf seine Hausmacht gesehen. Auch<lb/>
Rußland braucht zwei Köpfe, um mit dem einen auf sein blutiges Hoch¬<lb/>
zeitsbett am Kaukasus, mit dem andern auf das große Leichentuch Polens<lb/>
hinzusehen; um mit dem einen lüstern und beutespähend auf seinen Ein¬<lb/>
fluß in dem türkisch-griechischen Orient hinzuschicken und mit dem andern<lb/>
an seinen Einfluß in dem christlich-germanischen Occident sich zu weiden;<lb/>
Rußland könnte, wie die griechische Hydra, mit noch weit mehr Köpfen<lb/>
abgebildet werden. Aber der deutsche Bund, der sich von Frankreich ab¬<lb/>
wendet, der sich von Amerika abwendet, der im Orient nichts mehr sucht,<lb/>
der nirgends erobern kann und nur conserviren und abermals conserviren<lb/>
will: was bedeutet dieses rechts und links Schauen seiner beiden Köpfe?<lb/>
Ist es Besorgnis), die nach allen Seiten späht? Ist es ein Symbol,<lb/>
daß der eine den Rhein, der andere die Donau bewacht? Aber auch<lb/>
dann wäre es besser, wenn beide Köpfe, statt nach auswärts hin, nach<lb/>
der Mitte blickten, und im Innern Deutschlands die Allianzen suchten<lb/>
und die Beseitigung aller äußern Gefahren durch die Kräftigung des<lb/>
Nationalgefühls und des Volksbewußtseins erzielten. Ein freies Deutsch¬<lb/>
land, ausgerüstet mit Institutionen, die jedes Herz erheben &#x2014; ist ti<lb/>
beste Abwehr gegen alle revolutionaire Propaganda und panslavistische<lb/>
Unterjochungsgelüste. Sollte es kein Mittel geben, dies durch das neu<lb/>
adoptiere Bundeswappen ausdrücken zu können?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1558"> &#x2014; An den großen Bauten, die in London behufs der Verschönerung<lb/>
und Verbesserung der Sanität ausgeführt werden, hat sich ein neuer<lb/>
Bauplan gesellt. Es ist die Rede davon, sämmtliche Stadttheile, die<lb/>
jetzt von der arbeitenden Klasse bewohnt werden, umzubauen. Um diese<lb/>
großartige Arbeit beginnen zu können, ist es natürlicherweise vor Allem<lb/>
nothwendig, den betreffenden Einwohnern anderswo provisorische Woh¬<lb/>
nungen zu verschaffen. Nun aber sind bekanntlich alle Theile der Stadt<lb/>
und der Vorstädte überfüllt. Man ist daher auf folgendes Aushülfsmittel<lb/>
gerathen. In einem Umkreise von drei bis vier englischen Meilen werden<lb/>
rings um London auf allen Punkten, die von Eisenbahnen durchzogen<lb/>
sind, provisorische Dörfer angelegt werden. Die Eisenbahngesellschaften<lb/>
werden mit der Eonstruction dieser Dörfer betraut werden, in welchen<lb/>
die in dem bisherigen alten und ungesunden Stadttheile wohnende Ar¬<lb/>
beiterbevölkerung so lange Wohnungen findet, bis der Umbau der letztern<lb/>
vollendet ist. Die Eisenbahngesellschaften werden ferner durch Ertrazüge<lb/>
diese Arbeiter jeden Morgen in die Stadt und jeden Abend nach ihren<lb/>
provisorischen Wohnungen bringen und die Transportkosten werden in den<lb/>
Miethzins eingerechnet. Ist dies nicht grade so, wie bei uns in Deutsch¬<lb/>
land ?j</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Verlag von Fr. Ludw. Herbig. &#x2014; Redacteur I. Kurands,<lb/>
Druck von Friedrich Andrä.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0536] lische, der andere der protestantische u. s. w. Oesterreich mag immerhin zwei Köpfe behalten — hat es doch von jeher nur mit dem einen nach Deutschland und mit dem andern auf seine Hausmacht gesehen. Auch Rußland braucht zwei Köpfe, um mit dem einen auf sein blutiges Hoch¬ zeitsbett am Kaukasus, mit dem andern auf das große Leichentuch Polens hinzusehen; um mit dem einen lüstern und beutespähend auf seinen Ein¬ fluß in dem türkisch-griechischen Orient hinzuschicken und mit dem andern an seinen Einfluß in dem christlich-germanischen Occident sich zu weiden; Rußland könnte, wie die griechische Hydra, mit noch weit mehr Köpfen abgebildet werden. Aber der deutsche Bund, der sich von Frankreich ab¬ wendet, der sich von Amerika abwendet, der im Orient nichts mehr sucht, der nirgends erobern kann und nur conserviren und abermals conserviren will: was bedeutet dieses rechts und links Schauen seiner beiden Köpfe? Ist es Besorgnis), die nach allen Seiten späht? Ist es ein Symbol, daß der eine den Rhein, der andere die Donau bewacht? Aber auch dann wäre es besser, wenn beide Köpfe, statt nach auswärts hin, nach der Mitte blickten, und im Innern Deutschlands die Allianzen suchten und die Beseitigung aller äußern Gefahren durch die Kräftigung des Nationalgefühls und des Volksbewußtseins erzielten. Ein freies Deutsch¬ land, ausgerüstet mit Institutionen, die jedes Herz erheben — ist ti beste Abwehr gegen alle revolutionaire Propaganda und panslavistische Unterjochungsgelüste. Sollte es kein Mittel geben, dies durch das neu adoptiere Bundeswappen ausdrücken zu können? — An den großen Bauten, die in London behufs der Verschönerung und Verbesserung der Sanität ausgeführt werden, hat sich ein neuer Bauplan gesellt. Es ist die Rede davon, sämmtliche Stadttheile, die jetzt von der arbeitenden Klasse bewohnt werden, umzubauen. Um diese großartige Arbeit beginnen zu können, ist es natürlicherweise vor Allem nothwendig, den betreffenden Einwohnern anderswo provisorische Woh¬ nungen zu verschaffen. Nun aber sind bekanntlich alle Theile der Stadt und der Vorstädte überfüllt. Man ist daher auf folgendes Aushülfsmittel gerathen. In einem Umkreise von drei bis vier englischen Meilen werden rings um London auf allen Punkten, die von Eisenbahnen durchzogen sind, provisorische Dörfer angelegt werden. Die Eisenbahngesellschaften werden mit der Eonstruction dieser Dörfer betraut werden, in welchen die in dem bisherigen alten und ungesunden Stadttheile wohnende Ar¬ beiterbevölkerung so lange Wohnungen findet, bis der Umbau der letztern vollendet ist. Die Eisenbahngesellschaften werden ferner durch Ertrazüge diese Arbeiter jeden Morgen in die Stadt und jeden Abend nach ihren provisorischen Wohnungen bringen und die Transportkosten werden in den Miethzins eingerechnet. Ist dies nicht grade so, wie bei uns in Deutsch¬ land ?j Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kurands, Druck von Friedrich Andrä.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/536
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/536>, abgerufen am 03.07.2024.