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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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seine üble Laune durch einen merkwürdigen Umstand noch vermehrt.
Der alte Johann hatte es nämlich auch diesmal nicht unterlassen,
wahrend Hugo bei Esther im Parke sich befand, die Wagenlaternen
mit Cigarren und Lettinger-Tabak zu füllen. Als sie bei dem Grenz¬
schlage anlangten, wo Hugo und sein Gespann als wohlbekannte,
fast tägliche Gäste nie angehalten und untersucht wurde, waren an
demselben gerade eine außergewöhnlich große Menge von Fuhrwerken
der verschiedensten Art versammelt, und indem sich Hugo bemühte,
geschickt durch dieselben durchzufahren, konnte er es doch nicht ver¬
meiden, an eines derselben anzustoßen. Durch den gewaltigen Ruck
fiel eine von den gleich dem trojanischen Pferd unheilschwangeren
Laternen herunter. Dienstbeflissen hob sie ein Zollbeamter auf, und
öffnete, um nachzusehen, ob das Glas durch den Fall nicht zerbrochen
sei, den Blechdeckel. -- Da lag die Zolldefraudation offen vor den
Blicken des erstaunten Beamten. Der lange Franz, der in der Nähe
stand, lachte hell aus: Das ist schon, junger Herr, sagte er, gestern
Abend machten Sie noch mit uns Jagd auf die Pafcher, und heute
gehören Sie selbst dieser saubern Zunft an. Unter Anderem ich hatte
gestern Abend doch Recht mit der Behauptung, daß es der schwarze
Jsaak sein müsse, den wir verwundet haben, denn so eben meldet uns
einer unserer Spione, daß er in Eisenstabe, wohin ihn seine Spießge¬
sellen zurückgeschleppt hatten, auf den Tod darniederliege. Nun so
Gott will, wären wir also diese Geißel der Grenze los. Doch um
wieder auf ihren eigenen Paschversuch zu kommen, so müssen wir uns
vor Allem in den Besitz der Contrebande, des col'lui" clelieti setzen,
und damit warf seine gewandte Hand die Laternen aus, und steckte
sich auch sogleich einen Theil des cvrmis tlviioti in Gestalt einer Ci¬
garre in den Mund. So, jetzt können Sie weiter fahren, denn was
die Strafe und die Gerichtskosten anbelangt, so ist uns Ihr Herr
Onkel dafür gut genug. Der unangenehmen Stimmung Hugo's war
es wohl zuzuschreiben, daß er mit so rasendem Ungestüm über die höl¬
zerne Brücke, welche in die Fabrik führte, .fuhr, daß er den hölzernen Pfeiler
mit der Tafel, auf welcher das langsame Fahren anbefohlen war,
umriß. Krachend stürzte derselbe, einen Theil des Brückengeländers
mit sich reißend, in den Mühlbach.

Als das Fuhrwerk in den Hof hineingerasselt war und nun
stille hielt, fiel Hugo's Blick sichtlich überrascht auf die hell erleuchteten
Fenster im ersten Stockwerke, wo sich seines Onkels Wohnstube be-
fand. Einen Augenblick darauf stand der Gefürchtete unten im Hofe


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seine üble Laune durch einen merkwürdigen Umstand noch vermehrt.
Der alte Johann hatte es nämlich auch diesmal nicht unterlassen,
wahrend Hugo bei Esther im Parke sich befand, die Wagenlaternen
mit Cigarren und Lettinger-Tabak zu füllen. Als sie bei dem Grenz¬
schlage anlangten, wo Hugo und sein Gespann als wohlbekannte,
fast tägliche Gäste nie angehalten und untersucht wurde, waren an
demselben gerade eine außergewöhnlich große Menge von Fuhrwerken
der verschiedensten Art versammelt, und indem sich Hugo bemühte,
geschickt durch dieselben durchzufahren, konnte er es doch nicht ver¬
meiden, an eines derselben anzustoßen. Durch den gewaltigen Ruck
fiel eine von den gleich dem trojanischen Pferd unheilschwangeren
Laternen herunter. Dienstbeflissen hob sie ein Zollbeamter auf, und
öffnete, um nachzusehen, ob das Glas durch den Fall nicht zerbrochen
sei, den Blechdeckel. — Da lag die Zolldefraudation offen vor den
Blicken des erstaunten Beamten. Der lange Franz, der in der Nähe
stand, lachte hell aus: Das ist schon, junger Herr, sagte er, gestern
Abend machten Sie noch mit uns Jagd auf die Pafcher, und heute
gehören Sie selbst dieser saubern Zunft an. Unter Anderem ich hatte
gestern Abend doch Recht mit der Behauptung, daß es der schwarze
Jsaak sein müsse, den wir verwundet haben, denn so eben meldet uns
einer unserer Spione, daß er in Eisenstabe, wohin ihn seine Spießge¬
sellen zurückgeschleppt hatten, auf den Tod darniederliege. Nun so
Gott will, wären wir also diese Geißel der Grenze los. Doch um
wieder auf ihren eigenen Paschversuch zu kommen, so müssen wir uns
vor Allem in den Besitz der Contrebande, des col'lui« clelieti setzen,
und damit warf seine gewandte Hand die Laternen aus, und steckte
sich auch sogleich einen Theil des cvrmis tlviioti in Gestalt einer Ci¬
garre in den Mund. So, jetzt können Sie weiter fahren, denn was
die Strafe und die Gerichtskosten anbelangt, so ist uns Ihr Herr
Onkel dafür gut genug. Der unangenehmen Stimmung Hugo's war
es wohl zuzuschreiben, daß er mit so rasendem Ungestüm über die höl¬
zerne Brücke, welche in die Fabrik führte, .fuhr, daß er den hölzernen Pfeiler
mit der Tafel, auf welcher das langsame Fahren anbefohlen war,
umriß. Krachend stürzte derselbe, einen Theil des Brückengeländers
mit sich reißend, in den Mühlbach.

Als das Fuhrwerk in den Hof hineingerasselt war und nun
stille hielt, fiel Hugo's Blick sichtlich überrascht auf die hell erleuchteten
Fenster im ersten Stockwerke, wo sich seines Onkels Wohnstube be-
fand. Einen Augenblick darauf stand der Gefürchtete unten im Hofe


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[0523] seine üble Laune durch einen merkwürdigen Umstand noch vermehrt. Der alte Johann hatte es nämlich auch diesmal nicht unterlassen, wahrend Hugo bei Esther im Parke sich befand, die Wagenlaternen mit Cigarren und Lettinger-Tabak zu füllen. Als sie bei dem Grenz¬ schlage anlangten, wo Hugo und sein Gespann als wohlbekannte, fast tägliche Gäste nie angehalten und untersucht wurde, waren an demselben gerade eine außergewöhnlich große Menge von Fuhrwerken der verschiedensten Art versammelt, und indem sich Hugo bemühte, geschickt durch dieselben durchzufahren, konnte er es doch nicht ver¬ meiden, an eines derselben anzustoßen. Durch den gewaltigen Ruck fiel eine von den gleich dem trojanischen Pferd unheilschwangeren Laternen herunter. Dienstbeflissen hob sie ein Zollbeamter auf, und öffnete, um nachzusehen, ob das Glas durch den Fall nicht zerbrochen sei, den Blechdeckel. — Da lag die Zolldefraudation offen vor den Blicken des erstaunten Beamten. Der lange Franz, der in der Nähe stand, lachte hell aus: Das ist schon, junger Herr, sagte er, gestern Abend machten Sie noch mit uns Jagd auf die Pafcher, und heute gehören Sie selbst dieser saubern Zunft an. Unter Anderem ich hatte gestern Abend doch Recht mit der Behauptung, daß es der schwarze Jsaak sein müsse, den wir verwundet haben, denn so eben meldet uns einer unserer Spione, daß er in Eisenstabe, wohin ihn seine Spießge¬ sellen zurückgeschleppt hatten, auf den Tod darniederliege. Nun so Gott will, wären wir also diese Geißel der Grenze los. Doch um wieder auf ihren eigenen Paschversuch zu kommen, so müssen wir uns vor Allem in den Besitz der Contrebande, des col'lui« clelieti setzen, und damit warf seine gewandte Hand die Laternen aus, und steckte sich auch sogleich einen Theil des cvrmis tlviioti in Gestalt einer Ci¬ garre in den Mund. So, jetzt können Sie weiter fahren, denn was die Strafe und die Gerichtskosten anbelangt, so ist uns Ihr Herr Onkel dafür gut genug. Der unangenehmen Stimmung Hugo's war es wohl zuzuschreiben, daß er mit so rasendem Ungestüm über die höl¬ zerne Brücke, welche in die Fabrik führte, .fuhr, daß er den hölzernen Pfeiler mit der Tafel, auf welcher das langsame Fahren anbefohlen war, umriß. Krachend stürzte derselbe, einen Theil des Brückengeländers mit sich reißend, in den Mühlbach. Als das Fuhrwerk in den Hof hineingerasselt war und nun stille hielt, fiel Hugo's Blick sichtlich überrascht auf die hell erleuchteten Fenster im ersten Stockwerke, wo sich seines Onkels Wohnstube be- fand. Einen Augenblick darauf stand der Gefürchtete unten im Hofe 69*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/523>, abgerufen am 23.07.2024.