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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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großen Bündeln auf dem Rücken das diesseitige Ufer zu gewinnen
strebten. Sowie sie aber bemerkten, daß man hier zu ihrem Empfange
gerüstet sei, stiegen sie wieder an's Land und eröffneten ein wohlunter¬
haltenes Plänklerfeuer. Zum Glück herrschte eine wahrhaft ägyptische
Finsterniß, und so thaten denn ihre Kugeln keinen weiteren Schaden,
als daß eine derselben Hugo'n die Mütze vom Kopfe riß und eine
andere einen Grenzjäger an der Schulter streifte.

Indessen hatten die Pascher es auch an anderen Stellen versucht,
das Flüßchen zu durchwaten, waren aber überall gleich energisch em¬
pfangen worden. So dauerte dieses erfolglose Hinüber- und Herüber¬
schießen mehrere Stunden, bis endlich der Zufall die gesetzliche Macht
für diesmal zu begünstigen schien. Nach einer sehr lebhaften Salve
hörte man nämlich plötzlich vom jenseitigen Ufer ein Aechzen, wie das
eines Schwerverwundeten, und gleich darauf gaben die Pascher alle
ihre Versuche auf und zogen sich zurück.

Die Grenzjäger warteten, bis der Morgen graute und überschrit¬
ten den Fluß. Da fanden sie eine breite Blutspur, die landeinwärts
führte. Ich wette, hagre Franz, daß dieses Blut noch vor zwei Stümper
in den Adern des schwarzen Jsaak gerollt hat, denn so lange der sich
rühren kann, gibt er den Kampf nicht auf und wenn die helle liebe
Gottessonne dazu vom Firmamente schiene.

Als die Fabriksglocke die Arbeiter zum neuen Tagewerke rief,
kehrte Hugo verstört und durchnäßt nach Hause zurück, um den Schlaf
zu suchen. Er fand ihn jedoch nicht sogleich. Wirre, fieberhafte Phan¬
tasien umgaukelten ihn, und obgleich er den Schuß in seiner Büchse
wieder mit nach Hause gebracht hatte, so war es ihm doch immer,
als sei er der Mörder des schwarzen Jsaaks, und die Blutspur lief
im Kreise rings um sein Bett herum.

Da kam Esther, schön wie immer, aber bleicher als sonst, und
sie wollte zu ihm, aber sie konnte nicht über die Blutspur herüber
und sie rang sich die Hände wund.

Dann stand wieder sein Onkel vor ihm und verlangte Rechen¬
schaft über die halbtodtgefahrenen Pferde, über die zerbrochenen Jagd¬
wagen, über die geangelten Goldfische im Gartenbassin, über die ge¬
rauchten Havanna!)-Cigarren, über die durchlöcherte Scheunenwanv
uno über das lahmgeschossene Hinterbein Hectors.

Endlich verschwamme" alle diese Gestalten: der blutende schwarze
Jsaak, die händeringende Esther und der Rechenschaft fordernde On¬
kel in ein dunkles, unwirthbareö Chaos zusammen, und Hugo verfiel


Grenzboten. IV. K"Z

großen Bündeln auf dem Rücken das diesseitige Ufer zu gewinnen
strebten. Sowie sie aber bemerkten, daß man hier zu ihrem Empfange
gerüstet sei, stiegen sie wieder an's Land und eröffneten ein wohlunter¬
haltenes Plänklerfeuer. Zum Glück herrschte eine wahrhaft ägyptische
Finsterniß, und so thaten denn ihre Kugeln keinen weiteren Schaden,
als daß eine derselben Hugo'n die Mütze vom Kopfe riß und eine
andere einen Grenzjäger an der Schulter streifte.

Indessen hatten die Pascher es auch an anderen Stellen versucht,
das Flüßchen zu durchwaten, waren aber überall gleich energisch em¬
pfangen worden. So dauerte dieses erfolglose Hinüber- und Herüber¬
schießen mehrere Stunden, bis endlich der Zufall die gesetzliche Macht
für diesmal zu begünstigen schien. Nach einer sehr lebhaften Salve
hörte man nämlich plötzlich vom jenseitigen Ufer ein Aechzen, wie das
eines Schwerverwundeten, und gleich darauf gaben die Pascher alle
ihre Versuche auf und zogen sich zurück.

Die Grenzjäger warteten, bis der Morgen graute und überschrit¬
ten den Fluß. Da fanden sie eine breite Blutspur, die landeinwärts
führte. Ich wette, hagre Franz, daß dieses Blut noch vor zwei Stümper
in den Adern des schwarzen Jsaak gerollt hat, denn so lange der sich
rühren kann, gibt er den Kampf nicht auf und wenn die helle liebe
Gottessonne dazu vom Firmamente schiene.

Als die Fabriksglocke die Arbeiter zum neuen Tagewerke rief,
kehrte Hugo verstört und durchnäßt nach Hause zurück, um den Schlaf
zu suchen. Er fand ihn jedoch nicht sogleich. Wirre, fieberhafte Phan¬
tasien umgaukelten ihn, und obgleich er den Schuß in seiner Büchse
wieder mit nach Hause gebracht hatte, so war es ihm doch immer,
als sei er der Mörder des schwarzen Jsaaks, und die Blutspur lief
im Kreise rings um sein Bett herum.

Da kam Esther, schön wie immer, aber bleicher als sonst, und
sie wollte zu ihm, aber sie konnte nicht über die Blutspur herüber
und sie rang sich die Hände wund.

Dann stand wieder sein Onkel vor ihm und verlangte Rechen¬
schaft über die halbtodtgefahrenen Pferde, über die zerbrochenen Jagd¬
wagen, über die geangelten Goldfische im Gartenbassin, über die ge¬
rauchten Havanna!)-Cigarren, über die durchlöcherte Scheunenwanv
uno über das lahmgeschossene Hinterbein Hectors.

Endlich verschwamme« alle diese Gestalten: der blutende schwarze
Jsaak, die händeringende Esther und der Rechenschaft fordernde On¬
kel in ein dunkles, unwirthbareö Chaos zusammen, und Hugo verfiel


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[0521] großen Bündeln auf dem Rücken das diesseitige Ufer zu gewinnen strebten. Sowie sie aber bemerkten, daß man hier zu ihrem Empfange gerüstet sei, stiegen sie wieder an's Land und eröffneten ein wohlunter¬ haltenes Plänklerfeuer. Zum Glück herrschte eine wahrhaft ägyptische Finsterniß, und so thaten denn ihre Kugeln keinen weiteren Schaden, als daß eine derselben Hugo'n die Mütze vom Kopfe riß und eine andere einen Grenzjäger an der Schulter streifte. Indessen hatten die Pascher es auch an anderen Stellen versucht, das Flüßchen zu durchwaten, waren aber überall gleich energisch em¬ pfangen worden. So dauerte dieses erfolglose Hinüber- und Herüber¬ schießen mehrere Stunden, bis endlich der Zufall die gesetzliche Macht für diesmal zu begünstigen schien. Nach einer sehr lebhaften Salve hörte man nämlich plötzlich vom jenseitigen Ufer ein Aechzen, wie das eines Schwerverwundeten, und gleich darauf gaben die Pascher alle ihre Versuche auf und zogen sich zurück. Die Grenzjäger warteten, bis der Morgen graute und überschrit¬ ten den Fluß. Da fanden sie eine breite Blutspur, die landeinwärts führte. Ich wette, hagre Franz, daß dieses Blut noch vor zwei Stümper in den Adern des schwarzen Jsaak gerollt hat, denn so lange der sich rühren kann, gibt er den Kampf nicht auf und wenn die helle liebe Gottessonne dazu vom Firmamente schiene. Als die Fabriksglocke die Arbeiter zum neuen Tagewerke rief, kehrte Hugo verstört und durchnäßt nach Hause zurück, um den Schlaf zu suchen. Er fand ihn jedoch nicht sogleich. Wirre, fieberhafte Phan¬ tasien umgaukelten ihn, und obgleich er den Schuß in seiner Büchse wieder mit nach Hause gebracht hatte, so war es ihm doch immer, als sei er der Mörder des schwarzen Jsaaks, und die Blutspur lief im Kreise rings um sein Bett herum. Da kam Esther, schön wie immer, aber bleicher als sonst, und sie wollte zu ihm, aber sie konnte nicht über die Blutspur herüber und sie rang sich die Hände wund. Dann stand wieder sein Onkel vor ihm und verlangte Rechen¬ schaft über die halbtodtgefahrenen Pferde, über die zerbrochenen Jagd¬ wagen, über die geangelten Goldfische im Gartenbassin, über die ge¬ rauchten Havanna!)-Cigarren, über die durchlöcherte Scheunenwanv uno über das lahmgeschossene Hinterbein Hectors. Endlich verschwamme« alle diese Gestalten: der blutende schwarze Jsaak, die händeringende Esther und der Rechenschaft fordernde On¬ kel in ein dunkles, unwirthbareö Chaos zusammen, und Hugo verfiel Grenzboten. IV. K«Z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/521>, abgerufen am 23.07.2024.