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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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daß dieses Papiere-Ausgeben sich nur einfach auf Wechsel. Ausstellen
beschränke.

Außer den rothröcktgen Gardisten und der alterthümlichen Feld¬
schlange hatte Eisenstabe aber noch eine andere und viel anziehendere
Eigenthümlichkeit: nämlich die vielen und schönen schwarzäugigen
.Töchter Israels, welche aus allen Fenstern auf den Fremden neugie¬
rige und verstohlene Blicke warfen, und das um so mehr, als ein
solcher in Eisenstabe gerade nicht zu den alltäglichsten Erscheinungen
gehörte. --

Nur wenn Nachmittags immer zu derselben Stunde ein leichtes
Fuhrwerk zu dem Stadtthore hereinrollte, so traten sie nicht mehr
an's ^Fenster, sondern warfen höchstens von der Stube aus einen
flüchtigen und mißvergnügten Blick auf die Straße, denn sie wußten
schon wer es war und wem allein der Besuch galt. Zwei Augen
aber leuchteten dann in hellerem Glänze, zwei Wangen färbten sich
röther vor Freude und zitterndem Erwarten, und ein junges feuriges
Herz klopfte dann stürmischer in einer unerfahrenen unschuldigen
Brust. --

Hugo nahm sich in der That auch gut genug aus, wenn er in
dem leichten Wurstwagen dahinflog. Hatten auch die schönen Brau¬
nen, seitdem sie ihm anvertraut worden waren, viel von ihrem natür¬
lichen Feuer verloren, so wußte das der junge Wagenlenker durch ein
um so energischeres Handhaben von Zügel und Peitsche zu ersetzen.
Eine kleine blaue Sammtmütze ohne Schirm saß jetzt keck auf seinem
übermüthigen lockcnumwallten Haupte, und auf seinem Sitze lag zu¬
rückgeschlagen ein weiter, ganz mit purpurrothen Wollstoffe gefütterter
Mantel, denn die Septembernächte singen schon an, kühl zu werden,
und es traf sich manchmal, daß es Abend wurde, ehe Hugo an die
Heimfahrt dachte. Der alte Johann, der auf dem Hintersitze saß,
langweilte sich während dieser Fahrten, die er nun schon mehrere
Wochen hindurch fast täglich mitmachen mußte, nuf's herzlichste, eine
Beschäftigung, die nur zuweilen durch ein unmuthiges und ärgerliches
Kopfschütteln unterbrochen wurde, wenn der junge Herr dein armen
Vieh, wie er sich ausdrückte, zu viel zumuthete, und die Peitsche gar
zu unbarmherzig handhabte.

Es war eigentlich schwer zu sagen, welches von drei Dingen der
mächtige Magnet war, der Hugo's Ausflüge unveränderlich nach
Eisenstabe hinrichtete. War es der köstliche feurige Ungarwein, der
in der räucherigen Schenke am Ende deS Städtchens für wenige


daß dieses Papiere-Ausgeben sich nur einfach auf Wechsel. Ausstellen
beschränke.

Außer den rothröcktgen Gardisten und der alterthümlichen Feld¬
schlange hatte Eisenstabe aber noch eine andere und viel anziehendere
Eigenthümlichkeit: nämlich die vielen und schönen schwarzäugigen
.Töchter Israels, welche aus allen Fenstern auf den Fremden neugie¬
rige und verstohlene Blicke warfen, und das um so mehr, als ein
solcher in Eisenstabe gerade nicht zu den alltäglichsten Erscheinungen
gehörte. —

Nur wenn Nachmittags immer zu derselben Stunde ein leichtes
Fuhrwerk zu dem Stadtthore hereinrollte, so traten sie nicht mehr
an's ^Fenster, sondern warfen höchstens von der Stube aus einen
flüchtigen und mißvergnügten Blick auf die Straße, denn sie wußten
schon wer es war und wem allein der Besuch galt. Zwei Augen
aber leuchteten dann in hellerem Glänze, zwei Wangen färbten sich
röther vor Freude und zitterndem Erwarten, und ein junges feuriges
Herz klopfte dann stürmischer in einer unerfahrenen unschuldigen
Brust. —

Hugo nahm sich in der That auch gut genug aus, wenn er in
dem leichten Wurstwagen dahinflog. Hatten auch die schönen Brau¬
nen, seitdem sie ihm anvertraut worden waren, viel von ihrem natür¬
lichen Feuer verloren, so wußte das der junge Wagenlenker durch ein
um so energischeres Handhaben von Zügel und Peitsche zu ersetzen.
Eine kleine blaue Sammtmütze ohne Schirm saß jetzt keck auf seinem
übermüthigen lockcnumwallten Haupte, und auf seinem Sitze lag zu¬
rückgeschlagen ein weiter, ganz mit purpurrothen Wollstoffe gefütterter
Mantel, denn die Septembernächte singen schon an, kühl zu werden,
und es traf sich manchmal, daß es Abend wurde, ehe Hugo an die
Heimfahrt dachte. Der alte Johann, der auf dem Hintersitze saß,
langweilte sich während dieser Fahrten, die er nun schon mehrere
Wochen hindurch fast täglich mitmachen mußte, nuf's herzlichste, eine
Beschäftigung, die nur zuweilen durch ein unmuthiges und ärgerliches
Kopfschütteln unterbrochen wurde, wenn der junge Herr dein armen
Vieh, wie er sich ausdrückte, zu viel zumuthete, und die Peitsche gar
zu unbarmherzig handhabte.

Es war eigentlich schwer zu sagen, welches von drei Dingen der
mächtige Magnet war, der Hugo's Ausflüge unveränderlich nach
Eisenstabe hinrichtete. War es der köstliche feurige Ungarwein, der
in der räucherigen Schenke am Ende deS Städtchens für wenige


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[0514] daß dieses Papiere-Ausgeben sich nur einfach auf Wechsel. Ausstellen beschränke. Außer den rothröcktgen Gardisten und der alterthümlichen Feld¬ schlange hatte Eisenstabe aber noch eine andere und viel anziehendere Eigenthümlichkeit: nämlich die vielen und schönen schwarzäugigen .Töchter Israels, welche aus allen Fenstern auf den Fremden neugie¬ rige und verstohlene Blicke warfen, und das um so mehr, als ein solcher in Eisenstabe gerade nicht zu den alltäglichsten Erscheinungen gehörte. — Nur wenn Nachmittags immer zu derselben Stunde ein leichtes Fuhrwerk zu dem Stadtthore hereinrollte, so traten sie nicht mehr an's ^Fenster, sondern warfen höchstens von der Stube aus einen flüchtigen und mißvergnügten Blick auf die Straße, denn sie wußten schon wer es war und wem allein der Besuch galt. Zwei Augen aber leuchteten dann in hellerem Glänze, zwei Wangen färbten sich röther vor Freude und zitterndem Erwarten, und ein junges feuriges Herz klopfte dann stürmischer in einer unerfahrenen unschuldigen Brust. — Hugo nahm sich in der That auch gut genug aus, wenn er in dem leichten Wurstwagen dahinflog. Hatten auch die schönen Brau¬ nen, seitdem sie ihm anvertraut worden waren, viel von ihrem natür¬ lichen Feuer verloren, so wußte das der junge Wagenlenker durch ein um so energischeres Handhaben von Zügel und Peitsche zu ersetzen. Eine kleine blaue Sammtmütze ohne Schirm saß jetzt keck auf seinem übermüthigen lockcnumwallten Haupte, und auf seinem Sitze lag zu¬ rückgeschlagen ein weiter, ganz mit purpurrothen Wollstoffe gefütterter Mantel, denn die Septembernächte singen schon an, kühl zu werden, und es traf sich manchmal, daß es Abend wurde, ehe Hugo an die Heimfahrt dachte. Der alte Johann, der auf dem Hintersitze saß, langweilte sich während dieser Fahrten, die er nun schon mehrere Wochen hindurch fast täglich mitmachen mußte, nuf's herzlichste, eine Beschäftigung, die nur zuweilen durch ein unmuthiges und ärgerliches Kopfschütteln unterbrochen wurde, wenn der junge Herr dein armen Vieh, wie er sich ausdrückte, zu viel zumuthete, und die Peitsche gar zu unbarmherzig handhabte. Es war eigentlich schwer zu sagen, welches von drei Dingen der mächtige Magnet war, der Hugo's Ausflüge unveränderlich nach Eisenstabe hinrichtete. War es der köstliche feurige Ungarwein, der in der räucherigen Schenke am Ende deS Städtchens für wenige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/514>, abgerufen am 15.01.2025.