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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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schräg in den Hofraum hereinfielen. Weste und Hosenträger schien
Hugo als höchst unnütze Erfindungen menschlichen Unbcschäftigtseins
gründlich zu verachten.

Ein prächtiger schwarzer Neufoundländerhund lag zu seinen Füßen
und schaute mit seinen klugen treuen Augen zu dem jungen Ge¬
bieter auf, der so eifrig in seiner Beschäftigung fortfuhr, als hätte er
sich vorgenommen, die unschuldige Scheunenwand noch vor Sonnen¬
untergang in ein Mehlsieb zu verwandeln.

"Aber um Gottes willen, junger Herr," sagte der alte schnurrbär¬
tige Diener, indem er das eine Pistol lud, während Hugo das andere
abfeuerte, "was wird denn der gnädige Herr Onkel sagen, wenn er
bei seiner Zurückkunft die schöne neue Scheune so in Grund und Bo¬
den geschossen findet? Sie wurde erst in diesem Frühjahre gebaut und
hat ein sündhaftes Geld gekostet, da jetzt --"

"BistDu bald fertig," unterbrach ihn Hugo lustig, "ich meine mit dem
Laden, denn schwatzen kannst Du, so viel Dir beliebt. Was mein
Onkel sagen wird, Johann? Nun wahrscheinlich das, was der Kam¬
merdiener des Fürsten in Schillers Kabale und Liebe zur Lady Mil-
ford sagte: Legt's zu dem Uebrigen: zu den matt gefahrenen Pferden,
zu den erbrochenen Jagdwagen, und zu der Asche seiner Havannah--
Cigarren." Nach diesen Worten wirbelte Hugo ein blaues wohlrie¬
chendes Rauchwölkchen aus seinem Munde und fuhr dann stillschwei¬
gend in seiner lärmenden Beschäftigung fort, bis dieselbe, obwohl ihr
die einbrechende Dunkelheit ohnedies bald ein Ziel gesetzt haben würde,
durch rasch sich nähernde Schritte unterbrochen wurde.

Beikend sprang Hector, der Neufoundländer, auf einen jungen
Menschen, von beinahe gleichem Alter wie Hugo, los, der jetzt von
der Seite der Hauptgebäude her in den Hof trat.

"Zurück, Hector!" rief Hugo.

Aber der Hund leistete dem Rufe keine Folge, und ängstlich
drückte sich Hugo's Freund an die Wand, was um so komischer an¬
zusehen war, als derselbe die Uniform des Kadetten-ErziehungshauseS
anhatte und einen Degen an seiner Seite trug.

Noch einmal rief Hugo schon roth vor Zorn: Zurück, Hector,
und dabei blitzte sein Auge so wild und drohend, wie man es bei
seinem sanften, fast weiblich zarten Aeußeren nicht erwartet hätte.

Der Hund gehorchte nicht, aber den Augenblick darauf folgte
ein Blitz, ein Knall, und der widerspenstige Hector wälzte sich heulend
am Boden. Hugo hatte mit dem noch geladenen Pistol, welches er


schräg in den Hofraum hereinfielen. Weste und Hosenträger schien
Hugo als höchst unnütze Erfindungen menschlichen Unbcschäftigtseins
gründlich zu verachten.

Ein prächtiger schwarzer Neufoundländerhund lag zu seinen Füßen
und schaute mit seinen klugen treuen Augen zu dem jungen Ge¬
bieter auf, der so eifrig in seiner Beschäftigung fortfuhr, als hätte er
sich vorgenommen, die unschuldige Scheunenwand noch vor Sonnen¬
untergang in ein Mehlsieb zu verwandeln.

„Aber um Gottes willen, junger Herr," sagte der alte schnurrbär¬
tige Diener, indem er das eine Pistol lud, während Hugo das andere
abfeuerte, „was wird denn der gnädige Herr Onkel sagen, wenn er
bei seiner Zurückkunft die schöne neue Scheune so in Grund und Bo¬
den geschossen findet? Sie wurde erst in diesem Frühjahre gebaut und
hat ein sündhaftes Geld gekostet, da jetzt —"

„BistDu bald fertig," unterbrach ihn Hugo lustig, „ich meine mit dem
Laden, denn schwatzen kannst Du, so viel Dir beliebt. Was mein
Onkel sagen wird, Johann? Nun wahrscheinlich das, was der Kam¬
merdiener des Fürsten in Schillers Kabale und Liebe zur Lady Mil-
ford sagte: Legt's zu dem Uebrigen: zu den matt gefahrenen Pferden,
zu den erbrochenen Jagdwagen, und zu der Asche seiner Havannah--
Cigarren." Nach diesen Worten wirbelte Hugo ein blaues wohlrie¬
chendes Rauchwölkchen aus seinem Munde und fuhr dann stillschwei¬
gend in seiner lärmenden Beschäftigung fort, bis dieselbe, obwohl ihr
die einbrechende Dunkelheit ohnedies bald ein Ziel gesetzt haben würde,
durch rasch sich nähernde Schritte unterbrochen wurde.

Beikend sprang Hector, der Neufoundländer, auf einen jungen
Menschen, von beinahe gleichem Alter wie Hugo, los, der jetzt von
der Seite der Hauptgebäude her in den Hof trat.

„Zurück, Hector!" rief Hugo.

Aber der Hund leistete dem Rufe keine Folge, und ängstlich
drückte sich Hugo's Freund an die Wand, was um so komischer an¬
zusehen war, als derselbe die Uniform des Kadetten-ErziehungshauseS
anhatte und einen Degen an seiner Seite trug.

Noch einmal rief Hugo schon roth vor Zorn: Zurück, Hector,
und dabei blitzte sein Auge so wild und drohend, wie man es bei
seinem sanften, fast weiblich zarten Aeußeren nicht erwartet hätte.

Der Hund gehorchte nicht, aber den Augenblick darauf folgte
ein Blitz, ein Knall, und der widerspenstige Hector wälzte sich heulend
am Boden. Hugo hatte mit dem noch geladenen Pistol, welches er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/509>, abgerufen am 23.07.2024.