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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Sabbatfeier zu rufen, sondern die ganz entgegengesetzte, sie zu dem
Beginn ihrer mühsamen und geräuschvollen Arbeit zu ernähren; denn
dieses Gebäude ist eine der größten Papierfabriken in Oesterreich, und
der Hauptschauplatz der Begebenheiten, welche ich so eben zu erzählen
im Begriffe stehe.

In dem geräumigen Hofe, der durch eüüge zur Fabrik gehörige
Hintergebäude gebildet wird, stand ein junger Mann, eifrigst beschäf¬
tigt, die Wand einer, dem Standpunkte, den er sich gewählt hatte,
gegenüberliegenden, dem Anscheine nach noch ganz neuen Scheune,
mit den Kugeln seiner großen Scheibenpistolen zu durchlöchern.

Obwohl an einem Punkte der Scheunenwand eine regelmäßige
Scheibe angebracht war, so zog es der leichtsinnige Neffe des Fabrik¬
besitzers, denn dies war der junge Mann, vor, planlos auf die Scheibe
zu schießen, und nur bisweilen, gleichsam um sich selbst oder dem
alten Diener, welcher neben ihm stand, seine Kunstfertigkeit zu zeigen,
faßte er das eigentliche Ziel in's Auge, traf aber dann fast immer
das Schwarze. Hugo war, ohne eigentlich schon zu fein, das, was
man eine anziehende Erscheinung nennt. Höchstens achtzehn Jahre
konnten mit ihren Stürmen und mit ihrem Sonnenschein über dieses
sorglose, hoch aufrecht getragene Haupt hinweggezogen sein, von wel¬
chem weiche braune Locken in üppigen Ringeln auf die Schultern Her¬
absielen und ein feingeschnittenes Gesicht einrahmten, für dessen etwas
blasses Colorit große träumerische Augen eine mehr als hinreichende
Entschädigung gewährten. Seine Größe war für sein Alter keine
außergewöhnliche zu nennen, und sein ganzes Aeußere ließ eher auf
eine krankhafte Schwäche, als auf übersprudelnde jugendliche Kraft
schließen; aber die Feinheit und Zierlichkeit seiner ganzen Gestalt, be¬
sonders seiner Hände und Füße, so wie seine selbstbewußte und un¬
gezwungene Körperhaltung machten diesen Umstand eher zu einem
anmuthigen Vorzuge, als zu einem Fehler. Seine leichte ländliche
Kleidung war ganz dazu geeignet, die Vortheile seiner Persönlichkeit
in's hellste Licht zu stellen. Weite, faltige Beinkleider fielen ungezwungen
auf seine Zeugstiefelchen herab, und wurden nur durch eine, mit einer
Quaste geschmückten Schnur an den schlanken Hüften festgehalten.
Der schneeweiße Hemdkragen war über den kurzen Jagdrock von leich¬
tem grünem Tuch herübergeschlagen, und nur lose durch ein kleines,
schwarzes Seidenhalstuch zusammengehalten. Ein feiner, breitkrcim-
piger Strohhut, um den ein grünes Band gewunden war, schützte
sein Gesicht vor den letzten Strahlen der Sonne, die schon äußerst


Sabbatfeier zu rufen, sondern die ganz entgegengesetzte, sie zu dem
Beginn ihrer mühsamen und geräuschvollen Arbeit zu ernähren; denn
dieses Gebäude ist eine der größten Papierfabriken in Oesterreich, und
der Hauptschauplatz der Begebenheiten, welche ich so eben zu erzählen
im Begriffe stehe.

In dem geräumigen Hofe, der durch eüüge zur Fabrik gehörige
Hintergebäude gebildet wird, stand ein junger Mann, eifrigst beschäf¬
tigt, die Wand einer, dem Standpunkte, den er sich gewählt hatte,
gegenüberliegenden, dem Anscheine nach noch ganz neuen Scheune,
mit den Kugeln seiner großen Scheibenpistolen zu durchlöchern.

Obwohl an einem Punkte der Scheunenwand eine regelmäßige
Scheibe angebracht war, so zog es der leichtsinnige Neffe des Fabrik¬
besitzers, denn dies war der junge Mann, vor, planlos auf die Scheibe
zu schießen, und nur bisweilen, gleichsam um sich selbst oder dem
alten Diener, welcher neben ihm stand, seine Kunstfertigkeit zu zeigen,
faßte er das eigentliche Ziel in's Auge, traf aber dann fast immer
das Schwarze. Hugo war, ohne eigentlich schon zu fein, das, was
man eine anziehende Erscheinung nennt. Höchstens achtzehn Jahre
konnten mit ihren Stürmen und mit ihrem Sonnenschein über dieses
sorglose, hoch aufrecht getragene Haupt hinweggezogen sein, von wel¬
chem weiche braune Locken in üppigen Ringeln auf die Schultern Her¬
absielen und ein feingeschnittenes Gesicht einrahmten, für dessen etwas
blasses Colorit große träumerische Augen eine mehr als hinreichende
Entschädigung gewährten. Seine Größe war für sein Alter keine
außergewöhnliche zu nennen, und sein ganzes Aeußere ließ eher auf
eine krankhafte Schwäche, als auf übersprudelnde jugendliche Kraft
schließen; aber die Feinheit und Zierlichkeit seiner ganzen Gestalt, be¬
sonders seiner Hände und Füße, so wie seine selbstbewußte und un¬
gezwungene Körperhaltung machten diesen Umstand eher zu einem
anmuthigen Vorzuge, als zu einem Fehler. Seine leichte ländliche
Kleidung war ganz dazu geeignet, die Vortheile seiner Persönlichkeit
in's hellste Licht zu stellen. Weite, faltige Beinkleider fielen ungezwungen
auf seine Zeugstiefelchen herab, und wurden nur durch eine, mit einer
Quaste geschmückten Schnur an den schlanken Hüften festgehalten.
Der schneeweiße Hemdkragen war über den kurzen Jagdrock von leich¬
tem grünem Tuch herübergeschlagen, und nur lose durch ein kleines,
schwarzes Seidenhalstuch zusammengehalten. Ein feiner, breitkrcim-
piger Strohhut, um den ein grünes Band gewunden war, schützte
sein Gesicht vor den letzten Strahlen der Sonne, die schon äußerst


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[0508] Sabbatfeier zu rufen, sondern die ganz entgegengesetzte, sie zu dem Beginn ihrer mühsamen und geräuschvollen Arbeit zu ernähren; denn dieses Gebäude ist eine der größten Papierfabriken in Oesterreich, und der Hauptschauplatz der Begebenheiten, welche ich so eben zu erzählen im Begriffe stehe. In dem geräumigen Hofe, der durch eüüge zur Fabrik gehörige Hintergebäude gebildet wird, stand ein junger Mann, eifrigst beschäf¬ tigt, die Wand einer, dem Standpunkte, den er sich gewählt hatte, gegenüberliegenden, dem Anscheine nach noch ganz neuen Scheune, mit den Kugeln seiner großen Scheibenpistolen zu durchlöchern. Obwohl an einem Punkte der Scheunenwand eine regelmäßige Scheibe angebracht war, so zog es der leichtsinnige Neffe des Fabrik¬ besitzers, denn dies war der junge Mann, vor, planlos auf die Scheibe zu schießen, und nur bisweilen, gleichsam um sich selbst oder dem alten Diener, welcher neben ihm stand, seine Kunstfertigkeit zu zeigen, faßte er das eigentliche Ziel in's Auge, traf aber dann fast immer das Schwarze. Hugo war, ohne eigentlich schon zu fein, das, was man eine anziehende Erscheinung nennt. Höchstens achtzehn Jahre konnten mit ihren Stürmen und mit ihrem Sonnenschein über dieses sorglose, hoch aufrecht getragene Haupt hinweggezogen sein, von wel¬ chem weiche braune Locken in üppigen Ringeln auf die Schultern Her¬ absielen und ein feingeschnittenes Gesicht einrahmten, für dessen etwas blasses Colorit große träumerische Augen eine mehr als hinreichende Entschädigung gewährten. Seine Größe war für sein Alter keine außergewöhnliche zu nennen, und sein ganzes Aeußere ließ eher auf eine krankhafte Schwäche, als auf übersprudelnde jugendliche Kraft schließen; aber die Feinheit und Zierlichkeit seiner ganzen Gestalt, be¬ sonders seiner Hände und Füße, so wie seine selbstbewußte und un¬ gezwungene Körperhaltung machten diesen Umstand eher zu einem anmuthigen Vorzuge, als zu einem Fehler. Seine leichte ländliche Kleidung war ganz dazu geeignet, die Vortheile seiner Persönlichkeit in's hellste Licht zu stellen. Weite, faltige Beinkleider fielen ungezwungen auf seine Zeugstiefelchen herab, und wurden nur durch eine, mit einer Quaste geschmückten Schnur an den schlanken Hüften festgehalten. Der schneeweiße Hemdkragen war über den kurzen Jagdrock von leich¬ tem grünem Tuch herübergeschlagen, und nur lose durch ein kleines, schwarzes Seidenhalstuch zusammengehalten. Ein feiner, breitkrcim- piger Strohhut, um den ein grünes Band gewunden war, schützte sein Gesicht vor den letzten Strahlen der Sonne, die schon äußerst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/508>, abgerufen am 26.08.2024.