Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.Eschendorf lag mir im Wege -- ich ging hin und fand eine Anstel¬ Ich war etwa drei Wochen in Eschendorf und mein Aufenthalt Eschendorf lag mir im Wege — ich ging hin und fand eine Anstel¬ Ich war etwa drei Wochen in Eschendorf und mein Aufenthalt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184058"/> <p xml:id="ID_1352" prev="#ID_1351"> Eschendorf lag mir im Wege — ich ging hin und fand eine Anstel¬<lb/> lung. Allein das fürstliche Theater war im Grunde nichts mehr als<lb/> eine untergeordnete, reisende Gesellschaft. Der Fürst von Eschendorf,<lb/> ehemals reichsunmittelbar, jetzt mediatisirt, besaß eine ungemeine Liebe<lb/> für das Theater, allein nicht Vermögen genug, um ganz aus eignen<lb/> Mitteln eine Gesellschaft zu erhalten; Eschcndorf aber war ein ganz<lb/> kleines Städtchen, wo das Publicum auch nichts für ein Theater thun<lb/> konnte. Um nun doch seine Neigung in etwas befriedigen zu können,<lb/> hatte der Fürst in seinem Schlosse ein allerliebstes Theaterchen bauen<lb/> lassen und ließ alljährlich eine reisende Gesellschaft dahin kommen, die<lb/> dort einige Monate spielen mußte, wobei er freilich die Kosten beinahe<lb/> allein bestritt. Deshalb konnte er auch immer nur eine kleine Gesell¬<lb/> schaft kommen lassen, weil ihm eine größere zu theuer geworden wäre,<lb/> und die Kunst in Eschendorf erhob sich selten bis, nie über die Mit¬<lb/> telmäßigkeit. Der Fürst war ein freundlicher, zuthunlicher Mann, der<lb/> sich immer auf dem Theater herumtrieb, die Dekorationen ordnete, selbst<lb/> den Rock abwarf und arbeiten half und seine Freude an allen den<lb/> kleinen Anordnungen hatte, die zur Aufführung eines Stückes gehören.<lb/> Daß die Versenkungen gut gingen, daß die Donnermaschine gut pol¬<lb/> terte, daß alle Verwandlungen, daß die Garderobe, Requisiten und<lb/> Alles in Ordnung war, machte seine Hauptsorge aus. Uebrigens ließ<lb/> er sich mit den Schauspielern nicht weiter ein, als daß er freundlich<lb/> mit ihnen sprach, wenn sie ihm begegneten, er wurde aber dennoch<lb/> von vielen Bitten und Anforderungen belästigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1353" next="#ID_1354"> Ich war etwa drei Wochen in Eschendorf und mein Aufenthalt<lb/> daselbst ist mir nur einer Sonderbarkeit wegen merkwürdig. Eines,<lb/> Tages befand ich mich bei dem Direktor, der zu ebner Erde wohnte/<lb/> als ein Schubkarren hochgepackt voll Noten vorgefahren wurden und<lb/> bald darauf ein schwarzgekleideter Mann in das Zimmer trat. Er<lb/> stellte sich als Schullehrer und Musikfreund vor und eröffnete dem<lb/> Direktor, er habe eine Oper componirt und bäte ihn, dieselbe zur Auf¬<lb/> führung zu bringen. Der Stoff sei die Braut von Messina von<lb/> Schiller. Partitur, Orchesterstimmen, Chor- und Solostimmen, Alles sei<lb/> fertig ausgeschrieben, es walte gar kein Hinderniß ob und würde keine<lb/> Kosten verursachen. Die ganze Oper läge vollständig draußen auf<lb/> dem Schubkarren. Wir sahen uns an, der Schubkarren war so voll<lb/> gepackt, daß man hätte meinen sollen, er enthielte wenigstens sechs<lb/> vollständige große Opern. Der Direktor machte dem Componisten<lb/> begreiflich, ehe man an eine Oper gehe, müsse man den Teint kennen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0476]
Eschendorf lag mir im Wege — ich ging hin und fand eine Anstel¬
lung. Allein das fürstliche Theater war im Grunde nichts mehr als
eine untergeordnete, reisende Gesellschaft. Der Fürst von Eschendorf,
ehemals reichsunmittelbar, jetzt mediatisirt, besaß eine ungemeine Liebe
für das Theater, allein nicht Vermögen genug, um ganz aus eignen
Mitteln eine Gesellschaft zu erhalten; Eschcndorf aber war ein ganz
kleines Städtchen, wo das Publicum auch nichts für ein Theater thun
konnte. Um nun doch seine Neigung in etwas befriedigen zu können,
hatte der Fürst in seinem Schlosse ein allerliebstes Theaterchen bauen
lassen und ließ alljährlich eine reisende Gesellschaft dahin kommen, die
dort einige Monate spielen mußte, wobei er freilich die Kosten beinahe
allein bestritt. Deshalb konnte er auch immer nur eine kleine Gesell¬
schaft kommen lassen, weil ihm eine größere zu theuer geworden wäre,
und die Kunst in Eschendorf erhob sich selten bis, nie über die Mit¬
telmäßigkeit. Der Fürst war ein freundlicher, zuthunlicher Mann, der
sich immer auf dem Theater herumtrieb, die Dekorationen ordnete, selbst
den Rock abwarf und arbeiten half und seine Freude an allen den
kleinen Anordnungen hatte, die zur Aufführung eines Stückes gehören.
Daß die Versenkungen gut gingen, daß die Donnermaschine gut pol¬
terte, daß alle Verwandlungen, daß die Garderobe, Requisiten und
Alles in Ordnung war, machte seine Hauptsorge aus. Uebrigens ließ
er sich mit den Schauspielern nicht weiter ein, als daß er freundlich
mit ihnen sprach, wenn sie ihm begegneten, er wurde aber dennoch
von vielen Bitten und Anforderungen belästigt.
Ich war etwa drei Wochen in Eschendorf und mein Aufenthalt
daselbst ist mir nur einer Sonderbarkeit wegen merkwürdig. Eines,
Tages befand ich mich bei dem Direktor, der zu ebner Erde wohnte/
als ein Schubkarren hochgepackt voll Noten vorgefahren wurden und
bald darauf ein schwarzgekleideter Mann in das Zimmer trat. Er
stellte sich als Schullehrer und Musikfreund vor und eröffnete dem
Direktor, er habe eine Oper componirt und bäte ihn, dieselbe zur Auf¬
führung zu bringen. Der Stoff sei die Braut von Messina von
Schiller. Partitur, Orchesterstimmen, Chor- und Solostimmen, Alles sei
fertig ausgeschrieben, es walte gar kein Hinderniß ob und würde keine
Kosten verursachen. Die ganze Oper läge vollständig draußen auf
dem Schubkarren. Wir sahen uns an, der Schubkarren war so voll
gepackt, daß man hätte meinen sollen, er enthielte wenigstens sechs
vollständige große Opern. Der Direktor machte dem Componisten
begreiflich, ehe man an eine Oper gehe, müsse man den Teint kennen
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