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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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schätzen. Da nun mit Musik und Declamiren bei den Leuten nichts
auszurichten ist, so siel ich auf ein Puppentheater. Der Wirth, ein
spaßhafter Mann, fand meinen Gedanken vortrefflich und erlaubte mir,
in der an die Wirthsstube stoßenden Kammer meine Bühne aufzu¬
schlagen. Ich begab mich rüstig an's Werk. Mit Kreide, Kienruß
undBolus-- andere Farben sind im Dorfe nicht aufzutreiben, schmierte
ich mir einige Decorationen zusammen, ans alten Latten nagelte ich
eine Bühne zurecht. Die Thür der Kammer sollte den Vorhang ver¬
treten, das Wirthszimmer die Zuschauer fassen. Die Bauern waren
ganz begeistert für die Puppenkomödie und ich gab mich nun daran,
die Puppen zu machen. Ich nahm zu ihnen weiße Rüben, die sich
am leichtesten schneiden lassen, schnitzte schöne, mit weiß, roth und
schwarz angestrichene Gesichter und die Buben des Wirths schleppten
mir Lappen zu Kleidern aus dem ganzen Dorfe zusammen. In drei
Tagen hatte ich Alles fertig, heute Abend sollte die Sache vor sich
gehen. Nachdem Alles in Ordnung war, setzte ich mich an die Thür
der Wirthsstube und erhob von jedem Bauer einen Silbergroschen.
Bald war die Stube voll und ich gehe frohen Muthes hinter in die
Kammer, um anzufangen. Denken Sie sich meinen Schrecken, ich
finde die Kammerthür offen, finde die Schweine in der Kammer und
die Bestien haben alle meine Puppen aufgefressen. Die Bauern murr¬
ten gewaltig über ihre getäuschte Hoffnung, mußten sich aber mit dem
Versprechen zufrieden geben, daß die Komödie übermorgen Abend statt¬
finden solle. Da sitze ich nun wie der große Mann auf den Ruinen
von Karthago -- hier sind die zerfetzten Reste meiner Künstlergesell-
schaft." Ich mußte über das Abenteuer lachen und tröstete den armen
Gaul so gut ich konnte. Er lud mich ein, bei ihm zu bleiben und an
seinem Unternehmen Theil zu nehmen, wovon er sich noch immer gol¬
dene Berge versprach, allein das lag zu sehr außer meinem Zwecke
und ich machte ihm begreiflich, daß, wenn Zwei theilen sollten, der
Gewinn zu unbedeutend sein würde. So reiste ich am andern Tage
ab. Wie Gaul mit seinem Puppenspiel zurecht gekommen ist, weiß ich
nicht, doch las ich bald darauf, er sei an einem der ersten deutschen
Stadtiheatcr für ein erstes Fach mit bedeutendem Gehalte angestellt
und Liebling des Publicums,

In EUerhausen ward mir eine Anstellung angeboten, doch sollte
ich im Chor eintreten. Das erachtete ich für einen Rückschritt. Zwar
war ich jetzt das Reisen müde, ich hatte bereits fünfzig Meilen zu
Fuße gemacht und bedürfte in jeder Beziehung der Ruhe. Ich schwankte


schätzen. Da nun mit Musik und Declamiren bei den Leuten nichts
auszurichten ist, so siel ich auf ein Puppentheater. Der Wirth, ein
spaßhafter Mann, fand meinen Gedanken vortrefflich und erlaubte mir,
in der an die Wirthsstube stoßenden Kammer meine Bühne aufzu¬
schlagen. Ich begab mich rüstig an's Werk. Mit Kreide, Kienruß
undBolus— andere Farben sind im Dorfe nicht aufzutreiben, schmierte
ich mir einige Decorationen zusammen, ans alten Latten nagelte ich
eine Bühne zurecht. Die Thür der Kammer sollte den Vorhang ver¬
treten, das Wirthszimmer die Zuschauer fassen. Die Bauern waren
ganz begeistert für die Puppenkomödie und ich gab mich nun daran,
die Puppen zu machen. Ich nahm zu ihnen weiße Rüben, die sich
am leichtesten schneiden lassen, schnitzte schöne, mit weiß, roth und
schwarz angestrichene Gesichter und die Buben des Wirths schleppten
mir Lappen zu Kleidern aus dem ganzen Dorfe zusammen. In drei
Tagen hatte ich Alles fertig, heute Abend sollte die Sache vor sich
gehen. Nachdem Alles in Ordnung war, setzte ich mich an die Thür
der Wirthsstube und erhob von jedem Bauer einen Silbergroschen.
Bald war die Stube voll und ich gehe frohen Muthes hinter in die
Kammer, um anzufangen. Denken Sie sich meinen Schrecken, ich
finde die Kammerthür offen, finde die Schweine in der Kammer und
die Bestien haben alle meine Puppen aufgefressen. Die Bauern murr¬
ten gewaltig über ihre getäuschte Hoffnung, mußten sich aber mit dem
Versprechen zufrieden geben, daß die Komödie übermorgen Abend statt¬
finden solle. Da sitze ich nun wie der große Mann auf den Ruinen
von Karthago — hier sind die zerfetzten Reste meiner Künstlergesell-
schaft." Ich mußte über das Abenteuer lachen und tröstete den armen
Gaul so gut ich konnte. Er lud mich ein, bei ihm zu bleiben und an
seinem Unternehmen Theil zu nehmen, wovon er sich noch immer gol¬
dene Berge versprach, allein das lag zu sehr außer meinem Zwecke
und ich machte ihm begreiflich, daß, wenn Zwei theilen sollten, der
Gewinn zu unbedeutend sein würde. So reiste ich am andern Tage
ab. Wie Gaul mit seinem Puppenspiel zurecht gekommen ist, weiß ich
nicht, doch las ich bald darauf, er sei an einem der ersten deutschen
Stadtiheatcr für ein erstes Fach mit bedeutendem Gehalte angestellt
und Liebling des Publicums,

In EUerhausen ward mir eine Anstellung angeboten, doch sollte
ich im Chor eintreten. Das erachtete ich für einen Rückschritt. Zwar
war ich jetzt das Reisen müde, ich hatte bereits fünfzig Meilen zu
Fuße gemacht und bedürfte in jeder Beziehung der Ruhe. Ich schwankte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/468>, abgerufen am 23.07.2024.