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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Ansehe" der Person mehr"), vergeblich setzte List in seiner gerichtlichen
Untersuchung, deren Acten den zweiten Band der Zeitschrift "Themis"
bildeten, mit männlichem Freimuth und vielem Scharfsinn auseinan¬
der, daß er keine Personen beleidigt habe, einen für verwerflich erkann¬
ten Zustand aber unmöglich als Volksvertreter ruhig mit ansehen
könne; vergeblich berief er sich darauf, daß er unmittelbar nach dem
incriminirten Passus so fortgefahren: "Weit entfernt, der jetzigen Regie¬
rung vorzuwerfen, was die Irrthümer von Jahrhunderten dem Bürger
Schlimmes ausgelastet, erkennen wir vielmehr :c. in."; vergeblich erklärten
auch die angesehensten BürgcrderHandelsstadt Heilbronn (50V anderZahl)
in einer Eingabe an die Kammer, List habe nur Wahrheit gesprochen.
Die Kammer ließ die Eingabe als verbrecherisch vernichten, und gegen
List wurde die Untersuchung auf's heftigste und umfassendste fortge¬
führt; ja er wurde, als er Grundfatzhalber sich weigerte, dem Richter
wegen seines in der Kammer gehaltenen Vertheidigungsvortrag.es Rede
zu stehen, im Auftrag des Gerichtshofes mit Stockprügeln be¬
droht, und schließlich durch Urtheil desselben Gerichtshofes vom K.
April 1822 "wegen Ehrenbeleidigung und Verleumdung der Regie¬
rung, der Gerichts- und Verwaltungsbehörden und Staatsdiener Wür-
tembergs, ausgezeichnet durch die damit concurrirende Uebertretung
der 88 ^ und 8 des Gesetzes über die Preßfreiheit, mittelst öffentlicher
Verbreitung jener Injurien in Druckschriften, und Begehung des' in
Art. 25 des Gesetzes über Staats- und Majestätsverbrechen vorge¬
sehenen Staatsverbrechens, unter sehr erschwerenden Nebenumständen,
dessen er für überwiesen zu achten, auch unbotmäßigen Benehmens
gegen das Jnquisitoriat, zu zehnmonatlicher Festungsstrafe,
mit angemessener Beschäftigung innerhalb der Festung, und Bezahlung
von der Untersuchungskosten" verurtheilt*). List rettete sich durch
die Flucht und hielt sich erst in Straßburg, dann in der Schweiz auf,
während er von der Rccursinstanz die Aufhebung jenes strengen Ur¬
theiles, so wie der Vermögensbeschlagnahme hoffte. Allein nach einem
halben Jahre erkannte das Obertribunal einfach bestätigend. Eine
Beschwerde Lift's an den König, worin er sich mit gewohntem Frei-



^) Hätte damals schon die seither creirte Amts ehre bestanden, welchem Be¬
griff seit dem drakonischen Strafgesetz von 1839 so viele Opfer fallen, so wäre
die Strafzeit wohl noch erstreckt worden. Man bedenke, das- List insgemein alle
würtembergischen Staatsdiener beleidigt haben sollte; bis nun die Amtsehre jedes
Einzelnen Genugthuung erhielt, wie lange mußte List büße"'?

Ansehe» der Person mehr"), vergeblich setzte List in seiner gerichtlichen
Untersuchung, deren Acten den zweiten Band der Zeitschrift „Themis"
bildeten, mit männlichem Freimuth und vielem Scharfsinn auseinan¬
der, daß er keine Personen beleidigt habe, einen für verwerflich erkann¬
ten Zustand aber unmöglich als Volksvertreter ruhig mit ansehen
könne; vergeblich berief er sich darauf, daß er unmittelbar nach dem
incriminirten Passus so fortgefahren: „Weit entfernt, der jetzigen Regie¬
rung vorzuwerfen, was die Irrthümer von Jahrhunderten dem Bürger
Schlimmes ausgelastet, erkennen wir vielmehr :c. in."; vergeblich erklärten
auch die angesehensten BürgcrderHandelsstadt Heilbronn (50V anderZahl)
in einer Eingabe an die Kammer, List habe nur Wahrheit gesprochen.
Die Kammer ließ die Eingabe als verbrecherisch vernichten, und gegen
List wurde die Untersuchung auf's heftigste und umfassendste fortge¬
führt; ja er wurde, als er Grundfatzhalber sich weigerte, dem Richter
wegen seines in der Kammer gehaltenen Vertheidigungsvortrag.es Rede
zu stehen, im Auftrag des Gerichtshofes mit Stockprügeln be¬
droht, und schließlich durch Urtheil desselben Gerichtshofes vom K.
April 1822 „wegen Ehrenbeleidigung und Verleumdung der Regie¬
rung, der Gerichts- und Verwaltungsbehörden und Staatsdiener Wür-
tembergs, ausgezeichnet durch die damit concurrirende Uebertretung
der 88 ^ und 8 des Gesetzes über die Preßfreiheit, mittelst öffentlicher
Verbreitung jener Injurien in Druckschriften, und Begehung des' in
Art. 25 des Gesetzes über Staats- und Majestätsverbrechen vorge¬
sehenen Staatsverbrechens, unter sehr erschwerenden Nebenumständen,
dessen er für überwiesen zu achten, auch unbotmäßigen Benehmens
gegen das Jnquisitoriat, zu zehnmonatlicher Festungsstrafe,
mit angemessener Beschäftigung innerhalb der Festung, und Bezahlung
von der Untersuchungskosten" verurtheilt*). List rettete sich durch
die Flucht und hielt sich erst in Straßburg, dann in der Schweiz auf,
während er von der Rccursinstanz die Aufhebung jenes strengen Ur¬
theiles, so wie der Vermögensbeschlagnahme hoffte. Allein nach einem
halben Jahre erkannte das Obertribunal einfach bestätigend. Eine
Beschwerde Lift's an den König, worin er sich mit gewohntem Frei-



^) Hätte damals schon die seither creirte Amts ehre bestanden, welchem Be¬
griff seit dem drakonischen Strafgesetz von 1839 so viele Opfer fallen, so wäre
die Strafzeit wohl noch erstreckt worden. Man bedenke, das- List insgemein alle
würtembergischen Staatsdiener beleidigt haben sollte; bis nun die Amtsehre jedes
Einzelnen Genugthuung erhielt, wie lange mußte List büße»'?
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/456>, abgerufen am 23.07.2024.