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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Director war ein merkwürdiger Mann. Strenge Rechtlichkeit und
Pünktlichkeit in seinen Geldgeschäften war ein Hauptvorzug von ihm,
der übrigens bei Direktoren reisender Gesellschaften sehr hervorzuheben
ist, da sich leider oft das Gegentheil findet. Die ganze Last des Ge¬
schäftes trug er selbst, indem er das Repertoire machte, die Stücke
austheilte, die Regie führte, die Garderobe in Ordnung hielt, die Be¬
leuchtung selbst besorgte, ja sogar zuweilen selbst mitspielte. Das
ganze Kassengeschäft dagegen besorgte seine Frau. Sie werden das
nicht nur bei sehr vielen Direktionen finden, sondern auch im kleinbür¬
gerlichen Verkehr hat meistens die Frau das Kassengeschäft. Es
scheint fast, als wenn die auf das Kleinste gerichtete Sparsamkeit,
die vielleicht zum Gedeihen des Kassengeschäftes nothwendig ist,
eine vorherrschende Eigenschaft des weiblichen Geschlechtes sei.
Eine gewisse Rastlosigkeit machte den Director zu einer komischen Fi-
gur. Er lebte nur für sein Geschäft und in den Stunden, wo ihm
dies nichts zu thun gab, schlief er täglich. Des Morgens waren die
sogenannten Musikproben, d. h. die Stunden, wo die Opern einstudirt
wurden. Diese mußten auf seinem Zimmer gehalten werden und er
saß unermüdet dabei -- um sich zu überzeugen, daß auch mit dem
gehörigen Fleiß gelernt wurde. Natürlich war bei diesen Proben die
ganze Gesellschaft versammelt, denn Alles mußte im Chor mitwirken,
er verlangte sogar von den Solosängern, daß sie die Chöre mitsängen,
eben so wie er es nie unterließ, im Chöre wenigstens durch sein Auf¬
treten mitzuwirken. Darauf hielt er die Theaterprvben, dann ging er
nach Hause, aß und schlief nach Tische. Um drei Uhr begann seine
Thätigkeit von Neuem. Er packte in einen großen Korb die sür den
Abend nöthige Garderobe, nahm von seiner Frau die nothwendige An¬
zahl von Lichtern in Empfang und verfügte sich in das Theater. Dort
hing er die einzelnen Kleidungsstücke auf den bestimmten Platz jedes
Schauspielers, steckte dann die Lichter auf und zog endlich die Stati¬
sten an, die er auch in ihren Obliegenheiten unterrichtete und auf ihre
Plätze stellte. Mittlerweile war die Anfangszeit! des Theaters heran¬
gekommen. Er zündete die Lichter an und gab das Zeichen zum An¬
fange. Unermüdet lief er nun während des Stückes hinter den Cou¬
lissen hin und her, schob dort einen neugierig vorguckenden Statisten
zurück, ermahnte die saumseligen zum Chorsingen, schob ein Versetz¬
stück mit heraus oder angelte mit der Hand nach einem bet einer Ver¬
wandlung stehen gebliebenen Stuhle -- und putzte die Lichter. Daß
ihm regelmäßig die Lichtputzen abhanden kamen, machte ihm wenig


Director war ein merkwürdiger Mann. Strenge Rechtlichkeit und
Pünktlichkeit in seinen Geldgeschäften war ein Hauptvorzug von ihm,
der übrigens bei Direktoren reisender Gesellschaften sehr hervorzuheben
ist, da sich leider oft das Gegentheil findet. Die ganze Last des Ge¬
schäftes trug er selbst, indem er das Repertoire machte, die Stücke
austheilte, die Regie führte, die Garderobe in Ordnung hielt, die Be¬
leuchtung selbst besorgte, ja sogar zuweilen selbst mitspielte. Das
ganze Kassengeschäft dagegen besorgte seine Frau. Sie werden das
nicht nur bei sehr vielen Direktionen finden, sondern auch im kleinbür¬
gerlichen Verkehr hat meistens die Frau das Kassengeschäft. Es
scheint fast, als wenn die auf das Kleinste gerichtete Sparsamkeit,
die vielleicht zum Gedeihen des Kassengeschäftes nothwendig ist,
eine vorherrschende Eigenschaft des weiblichen Geschlechtes sei.
Eine gewisse Rastlosigkeit machte den Director zu einer komischen Fi-
gur. Er lebte nur für sein Geschäft und in den Stunden, wo ihm
dies nichts zu thun gab, schlief er täglich. Des Morgens waren die
sogenannten Musikproben, d. h. die Stunden, wo die Opern einstudirt
wurden. Diese mußten auf seinem Zimmer gehalten werden und er
saß unermüdet dabei — um sich zu überzeugen, daß auch mit dem
gehörigen Fleiß gelernt wurde. Natürlich war bei diesen Proben die
ganze Gesellschaft versammelt, denn Alles mußte im Chor mitwirken,
er verlangte sogar von den Solosängern, daß sie die Chöre mitsängen,
eben so wie er es nie unterließ, im Chöre wenigstens durch sein Auf¬
treten mitzuwirken. Darauf hielt er die Theaterprvben, dann ging er
nach Hause, aß und schlief nach Tische. Um drei Uhr begann seine
Thätigkeit von Neuem. Er packte in einen großen Korb die sür den
Abend nöthige Garderobe, nahm von seiner Frau die nothwendige An¬
zahl von Lichtern in Empfang und verfügte sich in das Theater. Dort
hing er die einzelnen Kleidungsstücke auf den bestimmten Platz jedes
Schauspielers, steckte dann die Lichter auf und zog endlich die Stati¬
sten an, die er auch in ihren Obliegenheiten unterrichtete und auf ihre
Plätze stellte. Mittlerweile war die Anfangszeit! des Theaters heran¬
gekommen. Er zündete die Lichter an und gab das Zeichen zum An¬
fange. Unermüdet lief er nun während des Stückes hinter den Cou¬
lissen hin und her, schob dort einen neugierig vorguckenden Statisten
zurück, ermahnte die saumseligen zum Chorsingen, schob ein Versetz¬
stück mit heraus oder angelte mit der Hand nach einem bet einer Ver¬
wandlung stehen gebliebenen Stuhle — und putzte die Lichter. Daß
ihm regelmäßig die Lichtputzen abhanden kamen, machte ihm wenig


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[0433] Director war ein merkwürdiger Mann. Strenge Rechtlichkeit und Pünktlichkeit in seinen Geldgeschäften war ein Hauptvorzug von ihm, der übrigens bei Direktoren reisender Gesellschaften sehr hervorzuheben ist, da sich leider oft das Gegentheil findet. Die ganze Last des Ge¬ schäftes trug er selbst, indem er das Repertoire machte, die Stücke austheilte, die Regie führte, die Garderobe in Ordnung hielt, die Be¬ leuchtung selbst besorgte, ja sogar zuweilen selbst mitspielte. Das ganze Kassengeschäft dagegen besorgte seine Frau. Sie werden das nicht nur bei sehr vielen Direktionen finden, sondern auch im kleinbür¬ gerlichen Verkehr hat meistens die Frau das Kassengeschäft. Es scheint fast, als wenn die auf das Kleinste gerichtete Sparsamkeit, die vielleicht zum Gedeihen des Kassengeschäftes nothwendig ist, eine vorherrschende Eigenschaft des weiblichen Geschlechtes sei. Eine gewisse Rastlosigkeit machte den Director zu einer komischen Fi- gur. Er lebte nur für sein Geschäft und in den Stunden, wo ihm dies nichts zu thun gab, schlief er täglich. Des Morgens waren die sogenannten Musikproben, d. h. die Stunden, wo die Opern einstudirt wurden. Diese mußten auf seinem Zimmer gehalten werden und er saß unermüdet dabei — um sich zu überzeugen, daß auch mit dem gehörigen Fleiß gelernt wurde. Natürlich war bei diesen Proben die ganze Gesellschaft versammelt, denn Alles mußte im Chor mitwirken, er verlangte sogar von den Solosängern, daß sie die Chöre mitsängen, eben so wie er es nie unterließ, im Chöre wenigstens durch sein Auf¬ treten mitzuwirken. Darauf hielt er die Theaterprvben, dann ging er nach Hause, aß und schlief nach Tische. Um drei Uhr begann seine Thätigkeit von Neuem. Er packte in einen großen Korb die sür den Abend nöthige Garderobe, nahm von seiner Frau die nothwendige An¬ zahl von Lichtern in Empfang und verfügte sich in das Theater. Dort hing er die einzelnen Kleidungsstücke auf den bestimmten Platz jedes Schauspielers, steckte dann die Lichter auf und zog endlich die Stati¬ sten an, die er auch in ihren Obliegenheiten unterrichtete und auf ihre Plätze stellte. Mittlerweile war die Anfangszeit! des Theaters heran¬ gekommen. Er zündete die Lichter an und gab das Zeichen zum An¬ fange. Unermüdet lief er nun während des Stückes hinter den Cou¬ lissen hin und her, schob dort einen neugierig vorguckenden Statisten zurück, ermahnte die saumseligen zum Chorsingen, schob ein Versetz¬ stück mit heraus oder angelte mit der Hand nach einem bet einer Ver¬ wandlung stehen gebliebenen Stuhle — und putzte die Lichter. Daß ihm regelmäßig die Lichtputzen abhanden kamen, machte ihm wenig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/433>, abgerufen am 23.07.2024.