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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Jetzt bei der allgemeinen Geldnoth, wo das Geschäft überall stockt, wo
Bankerotte über Bankerotte erfolgen, wo man unter der Steuerlast --
die in Hamburg bekanntlich die größte in ganz Deutschland ist -- fast
erliegt, und die Aussicht hat, vollkommen zu erliegen, jetzt machen sich
die Erinnerungen an das früher Gelesene geltend. So ließen sich, des
Beispiels wegen, seit einigen Jahren das von Dr. Fr. Wille redigirte
"Wandsbecker JnteUigenzblatt," das oppositionelle Localblatt "der Tag¬
wächter" es sich stets angelegen sein, den glimmenden Funken, der
seit dem Brande in der Asche lag, anzublasen, und bei dessen
Schein Ideen und Reformbegriffe zu beleben, die Opposition zu organi-
siren. -- Wir hatten am 12. November abermals Bürgerschaft, es
würde abermals vom Senat Geld, viel Geld als Nachschuß für die
Staatswasserkunst verlangt und -- das Geld ist abermals einstimmig
verweigert worden. Warum? Weil für dieses Unternehmen schon
Mark mehr verausgabt worden sind, als ursprünglich dazu von
dem Ingenieur Lindley angeschlagen worden ist. Nun noch mehr! Bei
dieser neuen Forderung hat man sich überhaupt das ganze Verhältniß
klarer auseinandergelegt? Wie konnte der -- englische -- Herr Inge¬
nieur --- sich um so Vieles versehen und verrechnen? Etwa Nur darum,
damit die Anlage unter seiner Leitung ins Werk gerichtet und der Vor¬
schlag dazu von den Bürgern angenommen würde, damit er sein Licht
-- auf Kosten des Gemeindecaths leuchten ließe? Freilich, der englische
Herr Ingenieur, ein Schützling des Herrn Senators Merk, mußte und
sollte beschäftigt werden, es mußten unter seiner Leitung große Bauten
unternommen werden, denn -- er erhält ja seit dem Brandjahre, also
seit vier Jahren per Tag 5 Pfund Sterling, also einen englischen Sold!
Es macht Vergnügen, die besseren Locale zu durchwandern und die Bür¬
ger jetzt darüber sprechen zu hören. Es sind auch wieder mehr Nacht¬
wächter beantragt und bewilligt worden; nach zwei Jahren heißt es da,
gebrauchen wir aber gar keine Nachtwächter mehr, denn -- wir werden
nichts mehr haben, was man uns stehlen kann. Deshalb haben die
Bürger bei der Abstimmung in den Collegien auch einstimmig erklärt,
daß sie nicht eher wieder neue Geldanleihen bewilligen wollen, als bis
man ihnen ein specisicirtes Budget vorgelegt, genaue Rechnung über die
bisherige Verwendung (man sagt hier regelmäßig Verschleuderung) der
Gelder abgelegt hat, nicht eher! Denn nachher wird man in kleinen
Awischenräumcn nacheinander kommen, und Geld für das neue Rathhaus,
für die Neue Kaserne :c. verlangen. Es freut mich, daß ich vor einiger
Zeit in den "Grenzboten" darauf hingewiesen habe, die Bürger müßten
sich nothwendig ferner kein so allgemeines, sondern ein genau auseinan¬
dergelegtes, ins Einzelne gehendes Budget vorlegen lassen. So reifen
die Früchte der Saat. Die guten Bürger werden künftig nicht umhin
können, wenn auch unwillig, dergleichen laut anzuerkennen. Weiß man
von oben herab solche Einflüsterungen der Gesinnung und des Charakters
doch recht gut zu würdigen. Man kann den Umschwung der öffentlichen
Meinung an einzelnen Persönlichkeiten genau beobachten.


Jetzt bei der allgemeinen Geldnoth, wo das Geschäft überall stockt, wo
Bankerotte über Bankerotte erfolgen, wo man unter der Steuerlast —
die in Hamburg bekanntlich die größte in ganz Deutschland ist — fast
erliegt, und die Aussicht hat, vollkommen zu erliegen, jetzt machen sich
die Erinnerungen an das früher Gelesene geltend. So ließen sich, des
Beispiels wegen, seit einigen Jahren das von Dr. Fr. Wille redigirte
„Wandsbecker JnteUigenzblatt," das oppositionelle Localblatt „der Tag¬
wächter" es sich stets angelegen sein, den glimmenden Funken, der
seit dem Brande in der Asche lag, anzublasen, und bei dessen
Schein Ideen und Reformbegriffe zu beleben, die Opposition zu organi-
siren. — Wir hatten am 12. November abermals Bürgerschaft, es
würde abermals vom Senat Geld, viel Geld als Nachschuß für die
Staatswasserkunst verlangt und — das Geld ist abermals einstimmig
verweigert worden. Warum? Weil für dieses Unternehmen schon
Mark mehr verausgabt worden sind, als ursprünglich dazu von
dem Ingenieur Lindley angeschlagen worden ist. Nun noch mehr! Bei
dieser neuen Forderung hat man sich überhaupt das ganze Verhältniß
klarer auseinandergelegt? Wie konnte der — englische — Herr Inge¬
nieur —- sich um so Vieles versehen und verrechnen? Etwa Nur darum,
damit die Anlage unter seiner Leitung ins Werk gerichtet und der Vor¬
schlag dazu von den Bürgern angenommen würde, damit er sein Licht
— auf Kosten des Gemeindecaths leuchten ließe? Freilich, der englische
Herr Ingenieur, ein Schützling des Herrn Senators Merk, mußte und
sollte beschäftigt werden, es mußten unter seiner Leitung große Bauten
unternommen werden, denn — er erhält ja seit dem Brandjahre, also
seit vier Jahren per Tag 5 Pfund Sterling, also einen englischen Sold!
Es macht Vergnügen, die besseren Locale zu durchwandern und die Bür¬
ger jetzt darüber sprechen zu hören. Es sind auch wieder mehr Nacht¬
wächter beantragt und bewilligt worden; nach zwei Jahren heißt es da,
gebrauchen wir aber gar keine Nachtwächter mehr, denn — wir werden
nichts mehr haben, was man uns stehlen kann. Deshalb haben die
Bürger bei der Abstimmung in den Collegien auch einstimmig erklärt,
daß sie nicht eher wieder neue Geldanleihen bewilligen wollen, als bis
man ihnen ein specisicirtes Budget vorgelegt, genaue Rechnung über die
bisherige Verwendung (man sagt hier regelmäßig Verschleuderung) der
Gelder abgelegt hat, nicht eher! Denn nachher wird man in kleinen
Awischenräumcn nacheinander kommen, und Geld für das neue Rathhaus,
für die Neue Kaserne :c. verlangen. Es freut mich, daß ich vor einiger
Zeit in den „Grenzboten" darauf hingewiesen habe, die Bürger müßten
sich nothwendig ferner kein so allgemeines, sondern ein genau auseinan¬
dergelegtes, ins Einzelne gehendes Budget vorlegen lassen. So reifen
die Früchte der Saat. Die guten Bürger werden künftig nicht umhin
können, wenn auch unwillig, dergleichen laut anzuerkennen. Weiß man
von oben herab solche Einflüsterungen der Gesinnung und des Charakters
doch recht gut zu würdigen. Man kann den Umschwung der öffentlichen
Meinung an einzelnen Persönlichkeiten genau beobachten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/360>, abgerufen am 05.12.2024.