Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Feuer holte, raunte mir mein Groll zu, so hätte das Mädchen
mit dem ganzen Wagen verbrennen mögen, uieine Habseligkeiten voran.

"Und dies ist Herr Kurt von Ruhla, der ärmste Offizier, der je¬
mals von der Hoffnung auf seinen Degen lebte. Müssen wir warten,
bis er Hauptmann ist, so werden wir uns zwanzig Jahre geliebt haben,
ehe wir uns heirathen können. Bin ich also eine Philistersecle, oder
einer uneigennützigen und aufopfernden Neigung fähig, mein Freund?"

Das Beispiel bildete, meiner Meinung nach, gar keinen Gegenbe¬
weis. Der Haupteindruck der Scene war vielmehr der, daß ich mich
grenzenlos überflüssig in der "Laute" fühlte. Der Offizier behauptete,
daß ihm meine Bekanntschaft außerordentlich angenehm wäre, was ich
zu erwidern unterließ, um nicht noch ärger zu lügen. Doch zwang ich
mich, von Beiden mit leidlicher Höflichkeit Abschied zu nehmen. Vor
der Thür stand ein kleiner Wagen zu zwei Sitzen und einem Pferde;
die zwei Sitze waren auch eigentlich nur einer; auf dem sind sie höchst
wahrscheinlich miteinander nach Hause gefahren. Sie müssen sehr eng
gesessen haben.

Abends war ich auf der Kneipe der Seminolen, bevor noch irgend
ein Seminole dort war; aber nach und nach kamen sie. Ich befand
mich in einer so verbissenen Stimmung, daß sich die andern Füchse
kaum an mich herangetrauten. Die Leipziger Steine waren ächt, aber
die Hand war falsch gewesen, die ich gedrückt hatte!

Da erklang das Lied:


"Brüder, lagert Euch im Kreis?,
secht nach Eurer Väter Weise;
Leere die Gläser, schwenkt die Hüte,
Auf der deutschen Freiheit Wohl!"

und zwanzig Seminolenkehlen stimmten in den Chor. Nur ich schmollte
stumm in mich hinein und schwieg zu dem Liede. Als der Gesang vor¬
über war, klopfte Perglow mit dem Schläger auf den Tisch (er führte
den Vorsitz am untern Ende der Tafel) und rief:

"Der Fuchs Adalbert trinkt ein Glas z"r" puvu-U Er hat nicht
mitgesungen!"

Die übrigen Füchse beneideten mich so herzlich um dies Zeichen
schmeichelhafter Aufmerksamkeit von höherer Seite her, daß sie sämmt¬
lich mit uro poenil tranken, wenn auch kein ganzes Glas. Ueberhaupt
gewann ich unendlich dadurch an Ansehen, daß mich Perglow seiner
unausgesetzten Beachtung würdigte. Dann ward ein rascherer Chor
angeschlagen. Zu dem "propovi^"-Glase waren bald noch einige


45"-

dem Feuer holte, raunte mir mein Groll zu, so hätte das Mädchen
mit dem ganzen Wagen verbrennen mögen, uieine Habseligkeiten voran.

„Und dies ist Herr Kurt von Ruhla, der ärmste Offizier, der je¬
mals von der Hoffnung auf seinen Degen lebte. Müssen wir warten,
bis er Hauptmann ist, so werden wir uns zwanzig Jahre geliebt haben,
ehe wir uns heirathen können. Bin ich also eine Philistersecle, oder
einer uneigennützigen und aufopfernden Neigung fähig, mein Freund?"

Das Beispiel bildete, meiner Meinung nach, gar keinen Gegenbe¬
weis. Der Haupteindruck der Scene war vielmehr der, daß ich mich
grenzenlos überflüssig in der „Laute" fühlte. Der Offizier behauptete,
daß ihm meine Bekanntschaft außerordentlich angenehm wäre, was ich
zu erwidern unterließ, um nicht noch ärger zu lügen. Doch zwang ich
mich, von Beiden mit leidlicher Höflichkeit Abschied zu nehmen. Vor
der Thür stand ein kleiner Wagen zu zwei Sitzen und einem Pferde;
die zwei Sitze waren auch eigentlich nur einer; auf dem sind sie höchst
wahrscheinlich miteinander nach Hause gefahren. Sie müssen sehr eng
gesessen haben.

Abends war ich auf der Kneipe der Seminolen, bevor noch irgend
ein Seminole dort war; aber nach und nach kamen sie. Ich befand
mich in einer so verbissenen Stimmung, daß sich die andern Füchse
kaum an mich herangetrauten. Die Leipziger Steine waren ächt, aber
die Hand war falsch gewesen, die ich gedrückt hatte!

Da erklang das Lied:


„Brüder, lagert Euch im Kreis?,
secht nach Eurer Väter Weise;
Leere die Gläser, schwenkt die Hüte,
Auf der deutschen Freiheit Wohl!"

und zwanzig Seminolenkehlen stimmten in den Chor. Nur ich schmollte
stumm in mich hinein und schwieg zu dem Liede. Als der Gesang vor¬
über war, klopfte Perglow mit dem Schläger auf den Tisch (er führte
den Vorsitz am untern Ende der Tafel) und rief:

„Der Fuchs Adalbert trinkt ein Glas z»r» puvu-U Er hat nicht
mitgesungen!"

Die übrigen Füchse beneideten mich so herzlich um dies Zeichen
schmeichelhafter Aufmerksamkeit von höherer Seite her, daß sie sämmt¬
lich mit uro poenil tranken, wenn auch kein ganzes Glas. Ueberhaupt
gewann ich unendlich dadurch an Ansehen, daß mich Perglow seiner
unausgesetzten Beachtung würdigte. Dann ward ein rascherer Chor
angeschlagen. Zu dem „propovi^"-Glase waren bald noch einige


45"-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183921"/>
            <p xml:id="ID_1022" prev="#ID_1021"> dem Feuer holte, raunte mir mein Groll zu, so hätte das Mädchen<lb/>
mit dem ganzen Wagen verbrennen mögen, uieine Habseligkeiten voran.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1023"> &#x201E;Und dies ist Herr Kurt von Ruhla, der ärmste Offizier, der je¬<lb/>
mals von der Hoffnung auf seinen Degen lebte. Müssen wir warten,<lb/>
bis er Hauptmann ist, so werden wir uns zwanzig Jahre geliebt haben,<lb/>
ehe wir uns heirathen können. Bin ich also eine Philistersecle, oder<lb/>
einer uneigennützigen und aufopfernden Neigung fähig, mein Freund?"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1024"> Das Beispiel bildete, meiner Meinung nach, gar keinen Gegenbe¬<lb/>
weis. Der Haupteindruck der Scene war vielmehr der, daß ich mich<lb/>
grenzenlos überflüssig in der &#x201E;Laute" fühlte. Der Offizier behauptete,<lb/>
daß ihm meine Bekanntschaft außerordentlich angenehm wäre, was ich<lb/>
zu erwidern unterließ, um nicht noch ärger zu lügen. Doch zwang ich<lb/>
mich, von Beiden mit leidlicher Höflichkeit Abschied zu nehmen. Vor<lb/>
der Thür stand ein kleiner Wagen zu zwei Sitzen und einem Pferde;<lb/>
die zwei Sitze waren auch eigentlich nur einer; auf dem sind sie höchst<lb/>
wahrscheinlich miteinander nach Hause gefahren. Sie müssen sehr eng<lb/>
gesessen haben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1025"> Abends war ich auf der Kneipe der Seminolen, bevor noch irgend<lb/>
ein Seminole dort war; aber nach und nach kamen sie. Ich befand<lb/>
mich in einer so verbissenen Stimmung, daß sich die andern Füchse<lb/>
kaum an mich herangetrauten. Die Leipziger Steine waren ächt, aber<lb/>
die Hand war falsch gewesen, die ich gedrückt hatte!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1026" next="#ID_1027"> Da erklang das Lied:</p><lb/>
            <quote> &#x201E;Brüder, lagert Euch im Kreis?,<lb/>
secht nach Eurer Väter Weise;<lb/>
Leere die Gläser, schwenkt die Hüte,<lb/>
Auf der deutschen Freiheit Wohl!"</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_1027" prev="#ID_1026"> und zwanzig Seminolenkehlen stimmten in den Chor. Nur ich schmollte<lb/>
stumm in mich hinein und schwieg zu dem Liede. Als der Gesang vor¬<lb/>
über war, klopfte Perglow mit dem Schläger auf den Tisch (er führte<lb/>
den Vorsitz am untern Ende der Tafel) und rief:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1028"> &#x201E;Der Fuchs Adalbert trinkt ein Glas z»r» puvu-U Er hat nicht<lb/>
mitgesungen!"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1029" next="#ID_1030"> Die übrigen Füchse beneideten mich so herzlich um dies Zeichen<lb/>
schmeichelhafter Aufmerksamkeit von höherer Seite her, daß sie sämmt¬<lb/>
lich mit uro poenil tranken, wenn auch kein ganzes Glas. Ueberhaupt<lb/>
gewann ich unendlich dadurch an Ansehen, daß mich Perglow seiner<lb/>
unausgesetzten Beachtung würdigte. Dann ward ein rascherer Chor<lb/>
angeschlagen. Zu dem &#x201E;propovi^"-Glase waren bald noch einige</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 45"-</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0339] dem Feuer holte, raunte mir mein Groll zu, so hätte das Mädchen mit dem ganzen Wagen verbrennen mögen, uieine Habseligkeiten voran. „Und dies ist Herr Kurt von Ruhla, der ärmste Offizier, der je¬ mals von der Hoffnung auf seinen Degen lebte. Müssen wir warten, bis er Hauptmann ist, so werden wir uns zwanzig Jahre geliebt haben, ehe wir uns heirathen können. Bin ich also eine Philistersecle, oder einer uneigennützigen und aufopfernden Neigung fähig, mein Freund?" Das Beispiel bildete, meiner Meinung nach, gar keinen Gegenbe¬ weis. Der Haupteindruck der Scene war vielmehr der, daß ich mich grenzenlos überflüssig in der „Laute" fühlte. Der Offizier behauptete, daß ihm meine Bekanntschaft außerordentlich angenehm wäre, was ich zu erwidern unterließ, um nicht noch ärger zu lügen. Doch zwang ich mich, von Beiden mit leidlicher Höflichkeit Abschied zu nehmen. Vor der Thür stand ein kleiner Wagen zu zwei Sitzen und einem Pferde; die zwei Sitze waren auch eigentlich nur einer; auf dem sind sie höchst wahrscheinlich miteinander nach Hause gefahren. Sie müssen sehr eng gesessen haben. Abends war ich auf der Kneipe der Seminolen, bevor noch irgend ein Seminole dort war; aber nach und nach kamen sie. Ich befand mich in einer so verbissenen Stimmung, daß sich die andern Füchse kaum an mich herangetrauten. Die Leipziger Steine waren ächt, aber die Hand war falsch gewesen, die ich gedrückt hatte! Da erklang das Lied: „Brüder, lagert Euch im Kreis?, secht nach Eurer Väter Weise; Leere die Gläser, schwenkt die Hüte, Auf der deutschen Freiheit Wohl!" und zwanzig Seminolenkehlen stimmten in den Chor. Nur ich schmollte stumm in mich hinein und schwieg zu dem Liede. Als der Gesang vor¬ über war, klopfte Perglow mit dem Schläger auf den Tisch (er führte den Vorsitz am untern Ende der Tafel) und rief: „Der Fuchs Adalbert trinkt ein Glas z»r» puvu-U Er hat nicht mitgesungen!" Die übrigen Füchse beneideten mich so herzlich um dies Zeichen schmeichelhafter Aufmerksamkeit von höherer Seite her, daß sie sämmt¬ lich mit uro poenil tranken, wenn auch kein ganzes Glas. Ueberhaupt gewann ich unendlich dadurch an Ansehen, daß mich Perglow seiner unausgesetzten Beachtung würdigte. Dann ward ein rascherer Chor angeschlagen. Zu dem „propovi^"-Glase waren bald noch einige 45"-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/339
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/339>, abgerufen am 23.07.2024.