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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Sache nach, wenigstens gleiche Rechte mit dem der alten Sprachen ein¬
geräumt, und für den Lehrcursus über diese gilt in den obersten Classen
.das Princip eines Auffassens der römischen und griechischen Literatur im
Geiste der Antike, nicht das eines conjecturirenden Sprachformalismus.
Daß die Herren Schulmänner doch so selten vergessen wollen, daß sie
nicht nur Philologen, sondern auch Juristen, Mediciner, Theologen, kurz
Männer für die weite Welt, nicht für die enge Schule vorzubilden ha¬
ben! Von allen Seiten wird dem Köchlyschen Unternehmen, als einem
durchaus zeitgemäßen, Glück und Gedeihen gewünscht.

In diesen Tagen ist auch eine wichtige Entscheidung für das hiesige
Theater gefallen. Die Direction mag denn doch wohl zu der Ueberzeu¬
gung gelangt sein, daß die nach Ed. Devrients Rücktritt von der Ober¬
regie eingeführte doppelköpfige Regie wie alles Doppelköpsige ein querköpfi¬
ges Unding ist; wenigstens stachen die "Fortschritte auf der Bahn des
Rückschritts" gegen die glänzenden Resultate der Devrient'schen Periode
zu grell ab, als daß sie nicht selbst einem nur auf der Stufe des Cassen-
interesses Verharrenden hätten in die Augen springen müssen. So ist
denn >.),-. Carl Gutzkow als Dramaturg beim hiesigen Hoftheater ange¬
stellt worden: der Name deö Gewählten beweist, daß die Wahl eine der
Bedeutung des Kunstinstitutes angemessene ist. Es würde voreilig sein,
über die Vortheile schon jetzt zu sprechen, welche das Theater von dieser
Oberleitung zu erwarten hat: der Wirkungskreis, in den Gutzkow hier
eintritt, ist, was namentlich dessen praktische Ausführlichkeit anlangt, für
ihn jedenfalls ein so durchaus neuer, daß wohl erst nach Jahresfrist ein
einigermaßen begründetes Urtheil darüber zu sprechen ist, ob die getroffene
Wahl eine glückliche war oder nicht. Aber von einer andern Seite kön¬
nen wir Gutzkow's Berufung nur als ein erfreuliches Ereigniß für Dres¬
den bezeichnen: seine Persönlichkeit kann einen Kern für ein so lange
schon vermißtes literarisches Streben und Leben bilden. Von seinem Uriel da
Costa, welcher noch im Laufe dieses Jahres zur Vorstellung kommen
wird, verspricht man sich Großes. Vor der Hand wird alle Thätigkeit
des Theaters auf Laube's "Karlsschüler" concentrirt, welche auch hier ein¬
mal allgemein an unsers Schiller's Geburtstag erinnern sollen. Ich be¬
halte mir vor, über beide Stücke Ihnen ausführlich zu schreiben.

C. v. Holtev hat hier dreimal öffentlich gelesen; Ed. Devrient hat
begonnen, einem Kreise seiner Freunde dramatische Dichtungen zu lesen
und wird damit in den bevorstehenden Wintermonaten fortfahren; auch
die Abonnementsconcerte unter Ferdinand Hiller's Leitung beginnen wieder
mit nächstem Monat; kurz überall, allüberall Kunst! Endlich zeigen sich
auch dem erwartungsvollen Dresdner Anfänge zu dem Museumbau, die
denn zugleich die Gewißheit geben, daß die Zweifel, welche neuerdings
über die Wahl des Bauplatzes angeregt worden sind, keinen Anklang, ja
sogar, wie man hört, sofortige Beseitigung durch allerhöchste Hand gefun-
den haben. So wird denn das Museum an der nach dem Theater zu
gelegenen Seite des Zwingers aus dem Boden des italienischen Dörfchens
E. P. erstehen.


Sache nach, wenigstens gleiche Rechte mit dem der alten Sprachen ein¬
geräumt, und für den Lehrcursus über diese gilt in den obersten Classen
.das Princip eines Auffassens der römischen und griechischen Literatur im
Geiste der Antike, nicht das eines conjecturirenden Sprachformalismus.
Daß die Herren Schulmänner doch so selten vergessen wollen, daß sie
nicht nur Philologen, sondern auch Juristen, Mediciner, Theologen, kurz
Männer für die weite Welt, nicht für die enge Schule vorzubilden ha¬
ben! Von allen Seiten wird dem Köchlyschen Unternehmen, als einem
durchaus zeitgemäßen, Glück und Gedeihen gewünscht.

In diesen Tagen ist auch eine wichtige Entscheidung für das hiesige
Theater gefallen. Die Direction mag denn doch wohl zu der Ueberzeu¬
gung gelangt sein, daß die nach Ed. Devrients Rücktritt von der Ober¬
regie eingeführte doppelköpfige Regie wie alles Doppelköpsige ein querköpfi¬
ges Unding ist; wenigstens stachen die „Fortschritte auf der Bahn des
Rückschritts" gegen die glänzenden Resultate der Devrient'schen Periode
zu grell ab, als daß sie nicht selbst einem nur auf der Stufe des Cassen-
interesses Verharrenden hätten in die Augen springen müssen. So ist
denn >.),-. Carl Gutzkow als Dramaturg beim hiesigen Hoftheater ange¬
stellt worden: der Name deö Gewählten beweist, daß die Wahl eine der
Bedeutung des Kunstinstitutes angemessene ist. Es würde voreilig sein,
über die Vortheile schon jetzt zu sprechen, welche das Theater von dieser
Oberleitung zu erwarten hat: der Wirkungskreis, in den Gutzkow hier
eintritt, ist, was namentlich dessen praktische Ausführlichkeit anlangt, für
ihn jedenfalls ein so durchaus neuer, daß wohl erst nach Jahresfrist ein
einigermaßen begründetes Urtheil darüber zu sprechen ist, ob die getroffene
Wahl eine glückliche war oder nicht. Aber von einer andern Seite kön¬
nen wir Gutzkow's Berufung nur als ein erfreuliches Ereigniß für Dres¬
den bezeichnen: seine Persönlichkeit kann einen Kern für ein so lange
schon vermißtes literarisches Streben und Leben bilden. Von seinem Uriel da
Costa, welcher noch im Laufe dieses Jahres zur Vorstellung kommen
wird, verspricht man sich Großes. Vor der Hand wird alle Thätigkeit
des Theaters auf Laube's „Karlsschüler" concentrirt, welche auch hier ein¬
mal allgemein an unsers Schiller's Geburtstag erinnern sollen. Ich be¬
halte mir vor, über beide Stücke Ihnen ausführlich zu schreiben.

C. v. Holtev hat hier dreimal öffentlich gelesen; Ed. Devrient hat
begonnen, einem Kreise seiner Freunde dramatische Dichtungen zu lesen
und wird damit in den bevorstehenden Wintermonaten fortfahren; auch
die Abonnementsconcerte unter Ferdinand Hiller's Leitung beginnen wieder
mit nächstem Monat; kurz überall, allüberall Kunst! Endlich zeigen sich
auch dem erwartungsvollen Dresdner Anfänge zu dem Museumbau, die
denn zugleich die Gewißheit geben, daß die Zweifel, welche neuerdings
über die Wahl des Bauplatzes angeregt worden sind, keinen Anklang, ja
sogar, wie man hört, sofortige Beseitigung durch allerhöchste Hand gefun-
den haben. So wird denn das Museum an der nach dem Theater zu
gelegenen Seite des Zwingers aus dem Boden des italienischen Dörfchens
E. P. erstehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/222>, abgerufen am 05.07.2024.