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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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erhalten, davon wollen wir ein artiges Beispiel nachweisen. Wir lesen
jetzt in Goethe's zahmen A'enim folgende vier Zeilen:


"Was auch als Wahrheit oder Fabel
In tausend Büchern dir erscheint,
Das Alles ist ein Thurm zu Babel,
Wenn es die Liebe nicht vereint "

Wie viel Heller und wärmer, wie persönlich belebter wird aber der jetzt
allgemein gehaltene Spruch, wenn ihn die Erklärung beleuchtet, daß
die zweite Zeile ursprünglich lautete:


"In mancher Sprache dir, du holdes Kind, erscheint,"

und daß im Frühjahr 1805, als Friedrich August Wolf mit sei¬
ner jüngern Tochter "die in allen Reizen der frischen Jugend mit dem
Frühling wetteiferte," in Weimar zum Besuch war, Goethe dem dar¬
gereichten Stammbuche derselben diese Zeilen einschrieb, nicht ohne An¬
spielung, daß die liebliche Tochter durch die Nähe eines solchen Vaters
den Ruf hatte, mancher Sprache kundig zu fein! --


Varnhagen von Ense.


Grenzb"t"n. IV. Ißt".28

erhalten, davon wollen wir ein artiges Beispiel nachweisen. Wir lesen
jetzt in Goethe's zahmen A'enim folgende vier Zeilen:


„Was auch als Wahrheit oder Fabel
In tausend Büchern dir erscheint,
Das Alles ist ein Thurm zu Babel,
Wenn es die Liebe nicht vereint "

Wie viel Heller und wärmer, wie persönlich belebter wird aber der jetzt
allgemein gehaltene Spruch, wenn ihn die Erklärung beleuchtet, daß
die zweite Zeile ursprünglich lautete:


„In mancher Sprache dir, du holdes Kind, erscheint,"

und daß im Frühjahr 1805, als Friedrich August Wolf mit sei¬
ner jüngern Tochter „die in allen Reizen der frischen Jugend mit dem
Frühling wetteiferte," in Weimar zum Besuch war, Goethe dem dar¬
gereichten Stammbuche derselben diese Zeilen einschrieb, nicht ohne An¬
spielung, daß die liebliche Tochter durch die Nähe eines solchen Vaters
den Ruf hatte, mancher Sprache kundig zu fein! —


Varnhagen von Ense.


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[0213] erhalten, davon wollen wir ein artiges Beispiel nachweisen. Wir lesen jetzt in Goethe's zahmen A'enim folgende vier Zeilen: „Was auch als Wahrheit oder Fabel In tausend Büchern dir erscheint, Das Alles ist ein Thurm zu Babel, Wenn es die Liebe nicht vereint " Wie viel Heller und wärmer, wie persönlich belebter wird aber der jetzt allgemein gehaltene Spruch, wenn ihn die Erklärung beleuchtet, daß die zweite Zeile ursprünglich lautete: „In mancher Sprache dir, du holdes Kind, erscheint," und daß im Frühjahr 1805, als Friedrich August Wolf mit sei¬ ner jüngern Tochter „die in allen Reizen der frischen Jugend mit dem Frühling wetteiferte," in Weimar zum Besuch war, Goethe dem dar¬ gereichten Stammbuche derselben diese Zeilen einschrieb, nicht ohne An¬ spielung, daß die liebliche Tochter durch die Nähe eines solchen Vaters den Ruf hatte, mancher Sprache kundig zu fein! — Varnhagen von Ense. Grenzb«t«n. IV. Ißt«.28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/213>, abgerufen am 23.07.2024.