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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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bürtig, was Wunder also, daß die Leute flüsterten. Beiden sah man
es nicht an, daß sie die Nacht auf dein alten Schlosse durchschwärmt,
Beide waren munter und frisch, die Gräfin hatte mit dem Herzog ge¬
wettet, daß sie zur frühsten Stunde bereit sein würde, ihm am näch¬
stell Morgen ein Stück Weges das Geleit zu geben, und der Herzog
war vergnügt, daß er seine Wette verloren. Aber so langsam man
auch ritt, in einer Stunde war man bereits am Ziele, d. h. der Boden
wurde so steinig und uneben, daß der Fürst absitzen, und die Caval-
cade der hohen Herren und Damen von ihm Abschied nehmen mußte.

Der Herzog zog nun fröhlich und vertraulich mit seinen Jägern
waldeinwärts, scherzte mit den alten bekannten Gesichtern und lachte
die Graubärre aus, wenn er der Erste war, der eine steile Thalwand
erglimmt hatte. So traf man in kurzer Zeit auf eine Abtheilung von
Wildtreibern, die den Herzog nur erwarteten, um den Zehnender vor
die fürstliche Büchse zu Hetzen; Mar war unter ihnen und sollte das
Treiben leiten. Der Plan der Jagd war sehr einfach. Ein enges
Thal mündete nach Norden über der Grenze im Nachbarland, aber
Leute waren ausgestellt, die den König des Waldes von diesem Aus¬
weg zurückscheuchen sollten; nach Süden theilte sich das Thal in meh¬
rere Schluchten, die aber sämmtlich durch steile Bergwände geschlossen
wurden. Gelang es also, den Hirsch landeinwärts zu treiben, so mußte
er unfehlbar in eines dieser natürlichen Netze gerathen, und das enge
Terrain einen sichern und leichten Schuß möglich machen. Während
man den Fürsten mit diesem Plane vertraut machte, begab sich Robert
zu Maren, der in Gedanken versunken an einem Baumstamm lehnte.

"Warum so finster und mürrisch? und abseits von den Andern?"
redete er ihn freundlich an. "Höre es ist nicht Recht, was Du heute
gethan. Ohne Abschied bist Du diesen Morgen von Marien gegangen,
und das arme Kind ängstigt und peinigt sich nun, als hätte sie Dich
gekränkt. Du weißt, ich gebe nicht viel auf die Phantasterien der Frau¬
enzimmer, aber das war ja eine leichte Mühe, Du hättest ihr diese
Thränen ersparen sollen. Und dann warum heute grade in dieser ab¬
getragenen schwarzen Jacke? Warum nicht in dem grünen knappen
Rocke mit den Silberknöpfen und der Herzogskrone? He! schämst Du
Dich vielleicht ein Fürstendiener zu sein?"

"Zürnt mir nicht, Vater", rief Mar mit schlecht verhehlter Leiden¬
schaft, indem er die Hand des Alten ergriff und warm drückte, "zürnt
mir nicht! Ich bin unwohl heute, ich weiß nicht, wo meine Gedanken
geblieben sind, es wird sich bessern, hoff' ich."


bürtig, was Wunder also, daß die Leute flüsterten. Beiden sah man
es nicht an, daß sie die Nacht auf dein alten Schlosse durchschwärmt,
Beide waren munter und frisch, die Gräfin hatte mit dem Herzog ge¬
wettet, daß sie zur frühsten Stunde bereit sein würde, ihm am näch¬
stell Morgen ein Stück Weges das Geleit zu geben, und der Herzog
war vergnügt, daß er seine Wette verloren. Aber so langsam man
auch ritt, in einer Stunde war man bereits am Ziele, d. h. der Boden
wurde so steinig und uneben, daß der Fürst absitzen, und die Caval-
cade der hohen Herren und Damen von ihm Abschied nehmen mußte.

Der Herzog zog nun fröhlich und vertraulich mit seinen Jägern
waldeinwärts, scherzte mit den alten bekannten Gesichtern und lachte
die Graubärre aus, wenn er der Erste war, der eine steile Thalwand
erglimmt hatte. So traf man in kurzer Zeit auf eine Abtheilung von
Wildtreibern, die den Herzog nur erwarteten, um den Zehnender vor
die fürstliche Büchse zu Hetzen; Mar war unter ihnen und sollte das
Treiben leiten. Der Plan der Jagd war sehr einfach. Ein enges
Thal mündete nach Norden über der Grenze im Nachbarland, aber
Leute waren ausgestellt, die den König des Waldes von diesem Aus¬
weg zurückscheuchen sollten; nach Süden theilte sich das Thal in meh¬
rere Schluchten, die aber sämmtlich durch steile Bergwände geschlossen
wurden. Gelang es also, den Hirsch landeinwärts zu treiben, so mußte
er unfehlbar in eines dieser natürlichen Netze gerathen, und das enge
Terrain einen sichern und leichten Schuß möglich machen. Während
man den Fürsten mit diesem Plane vertraut machte, begab sich Robert
zu Maren, der in Gedanken versunken an einem Baumstamm lehnte.

„Warum so finster und mürrisch? und abseits von den Andern?"
redete er ihn freundlich an. „Höre es ist nicht Recht, was Du heute
gethan. Ohne Abschied bist Du diesen Morgen von Marien gegangen,
und das arme Kind ängstigt und peinigt sich nun, als hätte sie Dich
gekränkt. Du weißt, ich gebe nicht viel auf die Phantasterien der Frau¬
enzimmer, aber das war ja eine leichte Mühe, Du hättest ihr diese
Thränen ersparen sollen. Und dann warum heute grade in dieser ab¬
getragenen schwarzen Jacke? Warum nicht in dem grünen knappen
Rocke mit den Silberknöpfen und der Herzogskrone? He! schämst Du
Dich vielleicht ein Fürstendiener zu sein?"

„Zürnt mir nicht, Vater", rief Mar mit schlecht verhehlter Leiden¬
schaft, indem er die Hand des Alten ergriff und warm drückte, „zürnt
mir nicht! Ich bin unwohl heute, ich weiß nicht, wo meine Gedanken
geblieben sind, es wird sich bessern, hoff' ich."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/168>, abgerufen am 26.08.2024.