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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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"Ja ?o Null die hätten den Getroffenen aufgehoben und fort¬
geschleppt. Aber Se. Durchlaucht waren damals schon ein Mann mit
dem Herz auf dem rechten Flecke. Immer ihnen nach, durch Gestrüpp
und Felsgestein. Einmal hätten die Beiden Miene gemacht, den Ge¬
fallenen niederzulegen, und sich zur Wehr zu setzen, aber der Prinz
sandte ihnen eine Kugel, die dem Jungen den Hut vom Kopf riß<
und da sahen sie wohl, daß es auf kein spaßen abgesehen war, hoben
die Leiche des Grauschützen wieder auf, und entkamen endlich, weil sie
mit den Waldwegen besser vertraut waren, als Se. Durchlaucht."

"Ich hörte die Geschichte schon von andern Leuten," sprach Mar,
indem er wieder sinnend in das flackernde Licht starrte, "es ist der
Grauschütz gewesen, der damals geschossen wurde, auch sein Begleiter
ist später an einer Wunde gestorben, denn der Prinz hatte sie weit
verfolgt und seine Kugeln setzten den Leichenträgern arg zu -- nur
der Bube soll davongekommen sein."

"Wohl ihm! er wird die Lehre nicht vergessen," versetzte der
Waidmann.

"Er wird sie nicht vergessen I" sprach ihm Mar in hohlem Tone
nach, und die alten Nußbaummöbeln knisterten geheimnißvoll bet die¬
sen Worten. -- Aber der alte Robert war einmal im Erzählen, und
da brach er nicht leicht ab.

"Als wir nun damals selbander gefrühstückt hatten," fuhr er fort,
"trieben wir Leute in der Umgegend auf, die das Wild nach Hause
bringen sollten, und der Prinz befahl, das Geweihe über dem Ein-
fahrtSthore des Jagdschlosses zu befestigen, und ließ darunter eine
kleine kupferne Tafel setzen mit den Namen "Prinz Michael und Ro¬
bert", weil er den ersten, ich den zweiten Schuß gethan, ja hätte er in
seiner Doppelflinte nicht noch einen dritten Schuß bereit gehabt, der
Zwanzigender könnte noch heutigen Tages herum spazieren. Die kleine
Kupfertafel ist freilich im Regen grün geworden, und man sieht sie
kaum, wenn man so flüchtig vorübergeht, aber diese Flinte hier hat
nicht geröstet, und ich bewahre sie wie ein theures Erbstück, denn Se.
Durchlaucht schenkte sie mir damals, als wir zusammen im Haidekraut
saßen. Ich verschloß und versteckte sie aber, damit die Leute nicht
glauben möchten, ich wolle ein Gepränge daraus machen."

"Wie?" fuhr Mar jetzt auf, "das ist dieselbe Flinte, durch die
jener Grauschütz fiel? Zeigt her!"


„Ja ?o Null die hätten den Getroffenen aufgehoben und fort¬
geschleppt. Aber Se. Durchlaucht waren damals schon ein Mann mit
dem Herz auf dem rechten Flecke. Immer ihnen nach, durch Gestrüpp
und Felsgestein. Einmal hätten die Beiden Miene gemacht, den Ge¬
fallenen niederzulegen, und sich zur Wehr zu setzen, aber der Prinz
sandte ihnen eine Kugel, die dem Jungen den Hut vom Kopf riß<
und da sahen sie wohl, daß es auf kein spaßen abgesehen war, hoben
die Leiche des Grauschützen wieder auf, und entkamen endlich, weil sie
mit den Waldwegen besser vertraut waren, als Se. Durchlaucht."

„Ich hörte die Geschichte schon von andern Leuten," sprach Mar,
indem er wieder sinnend in das flackernde Licht starrte, „es ist der
Grauschütz gewesen, der damals geschossen wurde, auch sein Begleiter
ist später an einer Wunde gestorben, denn der Prinz hatte sie weit
verfolgt und seine Kugeln setzten den Leichenträgern arg zu — nur
der Bube soll davongekommen sein."

„Wohl ihm! er wird die Lehre nicht vergessen," versetzte der
Waidmann.

„Er wird sie nicht vergessen I" sprach ihm Mar in hohlem Tone
nach, und die alten Nußbaummöbeln knisterten geheimnißvoll bet die¬
sen Worten. — Aber der alte Robert war einmal im Erzählen, und
da brach er nicht leicht ab.

„Als wir nun damals selbander gefrühstückt hatten," fuhr er fort,
„trieben wir Leute in der Umgegend auf, die das Wild nach Hause
bringen sollten, und der Prinz befahl, das Geweihe über dem Ein-
fahrtSthore des Jagdschlosses zu befestigen, und ließ darunter eine
kleine kupferne Tafel setzen mit den Namen „Prinz Michael und Ro¬
bert", weil er den ersten, ich den zweiten Schuß gethan, ja hätte er in
seiner Doppelflinte nicht noch einen dritten Schuß bereit gehabt, der
Zwanzigender könnte noch heutigen Tages herum spazieren. Die kleine
Kupfertafel ist freilich im Regen grün geworden, und man sieht sie
kaum, wenn man so flüchtig vorübergeht, aber diese Flinte hier hat
nicht geröstet, und ich bewahre sie wie ein theures Erbstück, denn Se.
Durchlaucht schenkte sie mir damals, als wir zusammen im Haidekraut
saßen. Ich verschloß und versteckte sie aber, damit die Leute nicht
glauben möchten, ich wolle ein Gepränge daraus machen."

„Wie?" fuhr Mar jetzt auf, „das ist dieselbe Flinte, durch die
jener Grauschütz fiel? Zeigt her!"


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[0161] „Ja ?o Null die hätten den Getroffenen aufgehoben und fort¬ geschleppt. Aber Se. Durchlaucht waren damals schon ein Mann mit dem Herz auf dem rechten Flecke. Immer ihnen nach, durch Gestrüpp und Felsgestein. Einmal hätten die Beiden Miene gemacht, den Ge¬ fallenen niederzulegen, und sich zur Wehr zu setzen, aber der Prinz sandte ihnen eine Kugel, die dem Jungen den Hut vom Kopf riß< und da sahen sie wohl, daß es auf kein spaßen abgesehen war, hoben die Leiche des Grauschützen wieder auf, und entkamen endlich, weil sie mit den Waldwegen besser vertraut waren, als Se. Durchlaucht." „Ich hörte die Geschichte schon von andern Leuten," sprach Mar, indem er wieder sinnend in das flackernde Licht starrte, „es ist der Grauschütz gewesen, der damals geschossen wurde, auch sein Begleiter ist später an einer Wunde gestorben, denn der Prinz hatte sie weit verfolgt und seine Kugeln setzten den Leichenträgern arg zu — nur der Bube soll davongekommen sein." „Wohl ihm! er wird die Lehre nicht vergessen," versetzte der Waidmann. „Er wird sie nicht vergessen I" sprach ihm Mar in hohlem Tone nach, und die alten Nußbaummöbeln knisterten geheimnißvoll bet die¬ sen Worten. — Aber der alte Robert war einmal im Erzählen, und da brach er nicht leicht ab. „Als wir nun damals selbander gefrühstückt hatten," fuhr er fort, „trieben wir Leute in der Umgegend auf, die das Wild nach Hause bringen sollten, und der Prinz befahl, das Geweihe über dem Ein- fahrtSthore des Jagdschlosses zu befestigen, und ließ darunter eine kleine kupferne Tafel setzen mit den Namen „Prinz Michael und Ro¬ bert", weil er den ersten, ich den zweiten Schuß gethan, ja hätte er in seiner Doppelflinte nicht noch einen dritten Schuß bereit gehabt, der Zwanzigender könnte noch heutigen Tages herum spazieren. Die kleine Kupfertafel ist freilich im Regen grün geworden, und man sieht sie kaum, wenn man so flüchtig vorübergeht, aber diese Flinte hier hat nicht geröstet, und ich bewahre sie wie ein theures Erbstück, denn Se. Durchlaucht schenkte sie mir damals, als wir zusammen im Haidekraut saßen. Ich verschloß und versteckte sie aber, damit die Leute nicht glauben möchten, ich wolle ein Gepränge daraus machen." „Wie?" fuhr Mar jetzt auf, „das ist dieselbe Flinte, durch die jener Grauschütz fiel? Zeigt her!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/161>, abgerufen am 03.07.2024.