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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Jesuiten eingedrungen ist, und daß wir von ihm ein ausführliches
Buch über dies Thema zu erwarten haben. Bei den Lesern der Grenz-
boten ist besondere Aufmerksamkeit vorauszusetzen. Sie haben die pi-
kante Wendung gesehen, welche In un S, jetziger Redacteur der Berliner
Zeitungshalle, dem Thema zu geben wußte, und haben die interessan¬
ten Mittheilungen Köberle's gelesen. Der anonyme Verfasser dieses
nur wie ein Botschafter vorausgcsendeten Bändchens hat ein ganz
anderes Verhältniß zu der Frage: Was sind eigentlich die jetzigen
Jesuiten? "Diejenigen, welche Wahrheit geben konnten," sagt er,
waren zu sehr Partei, die sie geben wollten, waren zu wenig unter¬
richtet. Alls der neuern Gesellschaft sind wenige gegen sie zeugende
Schriften hervorgegangen, denn die beiden Mittheilungen über das Kol¬
legium Se. Michael zu Freiburg und über das Noviziat zu Se. Ächeul
bei Amiens haben, letztere nicht genug Autorität und liefere Kenntniß
der Gesellschaft selbst, erstere nicht die erforderliche Ausdehnung, Llin
einen Ueberblick über das Ganze zu geben. Die bloßen Parteischriften,
wie sie aus mancherlei Ansichten in Deutschland und Frankreich er¬
zeugt sind, können nicht in Betracht kommen, da sie außer den eignen
Meinungen der Verfasser keinen Werth besitzen; die von ver Gesell¬
schaft selbst veröffentlichten sind zur Gewinnung möglichst vieler Gunst
geschrieben; die von ihren Freunden leiden an den Mängeln beider
Parteien, obschon sie in der Regel behaupte,,, frei vou aller Rücksicht
zu schreiben. "Ja" setzt er hinzu, "die bloße, selbst gründliche Kennt¬
niß des Instituts genügt dazu nicht; denn wer kann behaupten, was
in diesem geändert worden, was außer ihm liegt, wer kann den eigen¬
thümlichen Geist in seiner so seltsamen Lebensäußerung erfassen aus
dem bloßen Buchstaben. Es wird immer nur der hineingebrachte Geist
sein, nie aber der ursprüngliche oder geltende. Hier nur setze ich den
Inhalt der nachstehenden Blätter hin. Ich will die Gesellschaft Jesu
rein, auf sie selbst mich stützend, hinsetzen, wie sie ist, wie ich sie ver¬
standen habe. Thatsachen, ruhige Wahrheit, der nackte Gang des le¬
benden Instituts ist mein Zweck, von jedem fremden Einflüsse mich be¬
wahrend, werde ich nur in leichten Andeutungen nothwendige Aeuße¬
rungen meiner Ansicht einflechten. Wahrheit, das von beiden Parteien
zur Losung erhobene Wort, wohlan! ich gebe sie. Ich gebe sie, ohne
einen Anspruch auf andere Bedeutung als die, das von mir mit
schweren, selbst ungewöhnlichen Opfern Errungene zu richtiger Feststel¬
lung der öffentlichen Meinung und zur Aushülfe auf den einzig rich¬
tigen Standpunkt parteiloser Erkenntniß verwendet zu haben."


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Jesuiten eingedrungen ist, und daß wir von ihm ein ausführliches
Buch über dies Thema zu erwarten haben. Bei den Lesern der Grenz-
boten ist besondere Aufmerksamkeit vorauszusetzen. Sie haben die pi-
kante Wendung gesehen, welche In un S, jetziger Redacteur der Berliner
Zeitungshalle, dem Thema zu geben wußte, und haben die interessan¬
ten Mittheilungen Köberle's gelesen. Der anonyme Verfasser dieses
nur wie ein Botschafter vorausgcsendeten Bändchens hat ein ganz
anderes Verhältniß zu der Frage: Was sind eigentlich die jetzigen
Jesuiten? „Diejenigen, welche Wahrheit geben konnten," sagt er,
waren zu sehr Partei, die sie geben wollten, waren zu wenig unter¬
richtet. Alls der neuern Gesellschaft sind wenige gegen sie zeugende
Schriften hervorgegangen, denn die beiden Mittheilungen über das Kol¬
legium Se. Michael zu Freiburg und über das Noviziat zu Se. Ächeul
bei Amiens haben, letztere nicht genug Autorität und liefere Kenntniß
der Gesellschaft selbst, erstere nicht die erforderliche Ausdehnung, Llin
einen Ueberblick über das Ganze zu geben. Die bloßen Parteischriften,
wie sie aus mancherlei Ansichten in Deutschland und Frankreich er¬
zeugt sind, können nicht in Betracht kommen, da sie außer den eignen
Meinungen der Verfasser keinen Werth besitzen; die von ver Gesell¬
schaft selbst veröffentlichten sind zur Gewinnung möglichst vieler Gunst
geschrieben; die von ihren Freunden leiden an den Mängeln beider
Parteien, obschon sie in der Regel behaupte,,, frei vou aller Rücksicht
zu schreiben. „Ja" setzt er hinzu, „die bloße, selbst gründliche Kennt¬
niß des Instituts genügt dazu nicht; denn wer kann behaupten, was
in diesem geändert worden, was außer ihm liegt, wer kann den eigen¬
thümlichen Geist in seiner so seltsamen Lebensäußerung erfassen aus
dem bloßen Buchstaben. Es wird immer nur der hineingebrachte Geist
sein, nie aber der ursprüngliche oder geltende. Hier nur setze ich den
Inhalt der nachstehenden Blätter hin. Ich will die Gesellschaft Jesu
rein, auf sie selbst mich stützend, hinsetzen, wie sie ist, wie ich sie ver¬
standen habe. Thatsachen, ruhige Wahrheit, der nackte Gang des le¬
benden Instituts ist mein Zweck, von jedem fremden Einflüsse mich be¬
wahrend, werde ich nur in leichten Andeutungen nothwendige Aeuße¬
rungen meiner Ansicht einflechten. Wahrheit, das von beiden Parteien
zur Losung erhobene Wort, wohlan! ich gebe sie. Ich gebe sie, ohne
einen Anspruch auf andere Bedeutung als die, das von mir mit
schweren, selbst ungewöhnlichen Opfern Errungene zu richtiger Feststel¬
lung der öffentlichen Meinung und zur Aushülfe auf den einzig rich¬
tigen Standpunkt parteiloser Erkenntniß verwendet zu haben."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/151>, abgerufen am 26.08.2024.