Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.lichkeit aus, durch eine geistige Engbrüstigkeit, welche ihm den zu 3. Theologie. Der Rationalismus- Nun müssen wir von der Gteßener und also im.Allgemeinen auch
Dieses "Fürsichbleibcn" war von jeher der Fluch der Rationali¬ lichkeit aus, durch eine geistige Engbrüstigkeit, welche ihm den zu 3. Theologie. Der Rationalismus- Nun müssen wir von der Gteßener und also im.Allgemeinen auch
Dieses „Fürsichbleibcn" war von jeher der Fluch der Rationali¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183722"/> <p xml:id="ID_365" prev="#ID_364"> lichkeit aus, durch eine geistige Engbrüstigkeit, welche ihm den zu<lb/> einer größeren literarischen Schöpfung nöthigen Athem zu rauben<lb/> scheint. Doch hat er kürzlich ein Werkchen über Leibnitz geschrieben.<lb/> Der Geist der Zeit und die Sympathien der deutschen Jugend sind<lb/> dem Systeme, dessen Anhänger er ist (den Herbartischen) von jeher<lb/> zuwider gewesen. Diese Erscheinung wiederholt sich auch in Gießen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 3. Theologie. Der Rationalismus-</head><lb/> <p xml:id="ID_366"> Nun müssen wir von der Gteßener und also im.Allgemeinen auch<lb/> von der Hessen-Darmstädtischen Theologie reden! Es ist dies eine<lb/> schwierige Sache. Wir leben in einer Zeit der Stichwörter und<lb/> einseitigen Parolen (in der theologischen Welt besonders); man<lb/> läuft Gefahr, für einen Mucker oder sonst Gott weiß was? gehalten<lb/> zu werden, wenn man zu stolz ist, ein Rationalist zu sein. Doch der<lb/> Rationalismus und mit ihm die Gießener theologische Facultät wird<lb/> nicht so unbescheiden sein, sich ohne Weiteres mit dem Fortschritt zu<lb/> identificiren; und hoffentlich wird auch kein Leser in der unparteiischen<lb/> Kritik einer rationalistischen Facultät sogleich reaktionäre Tendenzen<lb/> wittern. Charakter und Wesen des Nationalismus ist Halbheit, gründ¬<lb/> liche Halbheit — jenes zwitterhafte Achseltragen und philiströse Ko¬<lb/> kettiren mit einer anticipirten, sogenannten „rechten Mitte" — jene be¬<lb/> queme Religion vorsichtiger Comptoirbedienten — jene blutlose Unent-<lb/> schiedenheit, von deren energielosen Trügern Dante's Virgil die schö¬<lb/> nen Worte spricht:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_22" type="poem"> <l> ,Misc;Iiiats sono a. qnsl oattivo poro<lb/> Dsgll angsli, oll« non durou ribslli,<lb/> tur fsclsli a vio, ins, per s« lor»."</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_367" next="#ID_368"> Dieses „Fürsichbleibcn" war von jeher der Fluch der Rationali¬<lb/> sten. Die Himmelöstürmerei, welche im vorigen Jahrhundert so fleißig<lb/> in England und Frankreich betrieben ward, war den deutschen Herren<lb/> zu gefährlich. Sie zogen sich eine langweilige Moral heraus — eine<lb/> Moral, welche in den Stunden der Andacht noch immer ihr breites<lb/> Wesen treibt. Sie wollten ein wenig Vernunft und ein wenig Glau¬<lb/> ben haben — Alles für den Hausbedarf. Mit gelehrten Hornbrillen<lb/> musterten sie die Bibel, um in ihr ihren gesunden Hausmannöverstand<lb/> it la Nicole wiederz'ufinden. Der Fanatismus des gesunden Haus-<lb/> mannsverstandes kehrte sich von Anfang an zerstörend gegen alles Tiefe<lb/> in Kunst und Wissenschaft. Die Gesangbücher tractirte er auf eine<lb/> schmähliche Weise; jeder körnige, kräftige Ausdruck, jede Spur von al-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0140]
lichkeit aus, durch eine geistige Engbrüstigkeit, welche ihm den zu
einer größeren literarischen Schöpfung nöthigen Athem zu rauben
scheint. Doch hat er kürzlich ein Werkchen über Leibnitz geschrieben.
Der Geist der Zeit und die Sympathien der deutschen Jugend sind
dem Systeme, dessen Anhänger er ist (den Herbartischen) von jeher
zuwider gewesen. Diese Erscheinung wiederholt sich auch in Gießen.
3. Theologie. Der Rationalismus-
Nun müssen wir von der Gteßener und also im.Allgemeinen auch
von der Hessen-Darmstädtischen Theologie reden! Es ist dies eine
schwierige Sache. Wir leben in einer Zeit der Stichwörter und
einseitigen Parolen (in der theologischen Welt besonders); man
läuft Gefahr, für einen Mucker oder sonst Gott weiß was? gehalten
zu werden, wenn man zu stolz ist, ein Rationalist zu sein. Doch der
Rationalismus und mit ihm die Gießener theologische Facultät wird
nicht so unbescheiden sein, sich ohne Weiteres mit dem Fortschritt zu
identificiren; und hoffentlich wird auch kein Leser in der unparteiischen
Kritik einer rationalistischen Facultät sogleich reaktionäre Tendenzen
wittern. Charakter und Wesen des Nationalismus ist Halbheit, gründ¬
liche Halbheit — jenes zwitterhafte Achseltragen und philiströse Ko¬
kettiren mit einer anticipirten, sogenannten „rechten Mitte" — jene be¬
queme Religion vorsichtiger Comptoirbedienten — jene blutlose Unent-
schiedenheit, von deren energielosen Trügern Dante's Virgil die schö¬
nen Worte spricht:
,Misc;Iiiats sono a. qnsl oattivo poro
Dsgll angsli, oll« non durou ribslli,
tur fsclsli a vio, ins, per s« lor»."
Dieses „Fürsichbleibcn" war von jeher der Fluch der Rationali¬
sten. Die Himmelöstürmerei, welche im vorigen Jahrhundert so fleißig
in England und Frankreich betrieben ward, war den deutschen Herren
zu gefährlich. Sie zogen sich eine langweilige Moral heraus — eine
Moral, welche in den Stunden der Andacht noch immer ihr breites
Wesen treibt. Sie wollten ein wenig Vernunft und ein wenig Glau¬
ben haben — Alles für den Hausbedarf. Mit gelehrten Hornbrillen
musterten sie die Bibel, um in ihr ihren gesunden Hausmannöverstand
it la Nicole wiederz'ufinden. Der Fanatismus des gesunden Haus-
mannsverstandes kehrte sich von Anfang an zerstörend gegen alles Tiefe
in Kunst und Wissenschaft. Die Gesangbücher tractirte er auf eine
schmähliche Weise; jeder körnige, kräftige Ausdruck, jede Spur von al-
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