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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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zu setzen, und solche, welche von der Negierung ausgehen müßten,
was man um so mehr erwarten könne, daß es geschehen werde, als
es augenscheinlich mit ihrem eigenen Interesse zusammenfiele. Der
Redner gab inmittelst die Veranstaltungen an, welche von Negierungs-
wegen erwartet werden könnten, da aber die beschränkte Zeit eine nähere
Entwickelung nicht erlaube, so wolle er nur einige nennen: Eine auf
gemeinschaftlichem Grundgesetze ruhende Gesetzgebung, ein nordischer
Zollverein, eine größere Annäherung im Postwesen, und im Militair-
wesen, Errichtung einer gemeinschaftlichen nordischen Universität, oder
auf jeden Fall eine innere Verbindung zwischen den jetzt bestehenden
Universitäten in Dänemark, Schweden und Norwegen u. s. w. Da¬
gegen sprach er ausführlicher über die Mittel, deren Anwendung beim
Volke stände und welche rein literarischer Natur seien. Das erste
Mittel bestehe in einer veränderten geographischen Unterrichtsweise.
Die ersten Eindrücke bewahre das Kind im Allgemeinen für sein gan¬
zes Leben, und obwohl man in dem spätern Alter durch den Weg der
Reflexionen zu Erkenntnissen kommen könne, welche mit den frühern
Vorurtheilen im Streite ständen, so würde dennoch der Glaube, wel¬
cher sich in der Seele des Kindes festgesetzt habe, schwer dadurch ver¬
rückt werden können. Nun sei es sowohl in Dänemark wie in
Schweden bisher üblich gewesen, das Kind auf die Weise in der
Geographie zu unterrichten, daß jedes dieser Lander seine specielle Karte
habe, wodurch dem Kinde als sein Vaterland der betreffende einzelne
Theil eingeprägt werde, während der übrige Norden gleich allen andern
Ländern der Welt dargestellt werde. Dadurch, daß die nordischen
Reiche auf eine Charte über "das scandinavische Vaterland," welches
von Einem (scandinavischen) nur in politischer Rücksicht gerrennten
Volke bewohnt werde, aufgenommen werde, würde der erste Schritt
zu machen sein, um die nationale Einheit im Norden zuwege zu
bringen. Was hier gesagt sei von dem geographischen Unterricht,
das gelte auch von allem andern, so "auch von dem historischen. So
lange die verschiedenen nordischen Geschichtsschreiber die historischen
Erinnerungen nur für ihr Vaterland zustutzten, diene dieser mißver¬
standene Patriotismus nur dazu, die Zersplitterung zu befestigen;
aber durch Erweiterung des Begriffs "Vaterland" und durch eine
neue Bearbeitung der nordischen Geschichte, in welcher das volksthümliche
Element am meisten hervortreten müsse, würde die Annäherung von
selbst erreicht werden. Endlich hob der Redner drittens den sprach¬
lichen Unterricht hervor, als ein wichtiges Bindemittel der nordischen
Einheit. Wenn schwedisch und Dänisch in die Schulen beider Lande als
stehender Unterrichtsgegenstand eingeführt und wenn ein allgemeines
scandinavisches Wörterbuch ausgearbeitet würde, so würde dadurch ein
wesentliches Hinderniß der nationalen Vereinigung der drei nordischen
Reiche beseitigt werden.


zu setzen, und solche, welche von der Negierung ausgehen müßten,
was man um so mehr erwarten könne, daß es geschehen werde, als
es augenscheinlich mit ihrem eigenen Interesse zusammenfiele. Der
Redner gab inmittelst die Veranstaltungen an, welche von Negierungs-
wegen erwartet werden könnten, da aber die beschränkte Zeit eine nähere
Entwickelung nicht erlaube, so wolle er nur einige nennen: Eine auf
gemeinschaftlichem Grundgesetze ruhende Gesetzgebung, ein nordischer
Zollverein, eine größere Annäherung im Postwesen, und im Militair-
wesen, Errichtung einer gemeinschaftlichen nordischen Universität, oder
auf jeden Fall eine innere Verbindung zwischen den jetzt bestehenden
Universitäten in Dänemark, Schweden und Norwegen u. s. w. Da¬
gegen sprach er ausführlicher über die Mittel, deren Anwendung beim
Volke stände und welche rein literarischer Natur seien. Das erste
Mittel bestehe in einer veränderten geographischen Unterrichtsweise.
Die ersten Eindrücke bewahre das Kind im Allgemeinen für sein gan¬
zes Leben, und obwohl man in dem spätern Alter durch den Weg der
Reflexionen zu Erkenntnissen kommen könne, welche mit den frühern
Vorurtheilen im Streite ständen, so würde dennoch der Glaube, wel¬
cher sich in der Seele des Kindes festgesetzt habe, schwer dadurch ver¬
rückt werden können. Nun sei es sowohl in Dänemark wie in
Schweden bisher üblich gewesen, das Kind auf die Weise in der
Geographie zu unterrichten, daß jedes dieser Lander seine specielle Karte
habe, wodurch dem Kinde als sein Vaterland der betreffende einzelne
Theil eingeprägt werde, während der übrige Norden gleich allen andern
Ländern der Welt dargestellt werde. Dadurch, daß die nordischen
Reiche auf eine Charte über „das scandinavische Vaterland," welches
von Einem (scandinavischen) nur in politischer Rücksicht gerrennten
Volke bewohnt werde, aufgenommen werde, würde der erste Schritt
zu machen sein, um die nationale Einheit im Norden zuwege zu
bringen. Was hier gesagt sei von dem geographischen Unterricht,
das gelte auch von allem andern, so "auch von dem historischen. So
lange die verschiedenen nordischen Geschichtsschreiber die historischen
Erinnerungen nur für ihr Vaterland zustutzten, diene dieser mißver¬
standene Patriotismus nur dazu, die Zersplitterung zu befestigen;
aber durch Erweiterung des Begriffs „Vaterland" und durch eine
neue Bearbeitung der nordischen Geschichte, in welcher das volksthümliche
Element am meisten hervortreten müsse, würde die Annäherung von
selbst erreicht werden. Endlich hob der Redner drittens den sprach¬
lichen Unterricht hervor, als ein wichtiges Bindemittel der nordischen
Einheit. Wenn schwedisch und Dänisch in die Schulen beider Lande als
stehender Unterrichtsgegenstand eingeführt und wenn ein allgemeines
scandinavisches Wörterbuch ausgearbeitet würde, so würde dadurch ein
wesentliches Hinderniß der nationalen Vereinigung der drei nordischen
Reiche beseitigt werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/84>, abgerufen am 24.11.2024.