Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.im schönsten, geordnetsten Anzüge, mit Stiefeln an den Füßen, zu¬ Solche Vorkommnisse schreckten unsern Lehrer nicht ab, sein im schönsten, geordnetsten Anzüge, mit Stiefeln an den Füßen, zu¬ Solche Vorkommnisse schreckten unsern Lehrer nicht ab, sein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0074" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182497"/> <p xml:id="ID_181" prev="#ID_180"> im schönsten, geordnetsten Anzüge, mit Stiefeln an den Füßen, zu¬<lb/> rückkehren sahen. Schon glaubten wir, das sei der erste Schritt<lb/> zur Genesung; aber es war nicht sein Wille, daß er so ordentlich<lb/> einherging. Ein Kaufmann in der Stadt hatte ihn in's Zimmer<lb/> gelockt und ihn da von seinen Dienern mit Gewalt in ordentliche<lb/> Kleider stecken lassen. Die Eile, mit der er in's Dorf zurückkam,<lb/> war eigentlich nur eine Flucht vor der angethanen Gewalt. Kaum<lb/> daselbst angelangt, warf er die Stiefel weit weg von sich und be¬<lb/> gann, seine Füße wieder mit Steinen zu belasten. Dann riß er<lb/> gewaltsam an hundert Locher in die Kleidung und verstopfte sie<lb/> mit Gras und Erde. Eben so verfuhr er mit dem ganz neuen<lb/> Hut. Mit fürchterlichem Zorn wies er alle Vorstellungen von<lb/> sich, die ihm die Umstehenden machten. Sodann lief er zu den<lb/> nächsten Bäumen am Bache und schnitt sich an fünfzehn Stäbe ab,<lb/> mit denen er sich bewaffnete.</p><lb/> <p xml:id="ID_182" next="#ID_183"> Solche Vorkommnisse schreckten unsern Lehrer nicht ab, sein<lb/> Bekehrungswerk fortzusetzen und nach wie vor disputirte er mit<lb/> dem tollen Dichter und nahm ihn oft mit sich auf die Wanderun¬<lb/> gen, die er mit uns Kindern in die Umgegend machte. Wir sahen<lb/> es jedes Mal gerne, wenn Herr Richter, den wir Alle liebten, mit<lb/> uns ging, denn wir lernten Manches von ihm. Er war es, der<lb/> uns zuerst von den gewandten Schleudercrn auf den Balearischen<lb/> Inseln erzählte und uns Schleudern machte, die er uns zu ge¬<lb/> brauchen lehrte. Einmal, da wir aus dem Lehrzimmer heraustraten,<lb/> sahen wir auf unserem Hofe eine gewaltige Maschine aus Balken<lb/> und Stricken zusammengesetzt und Herr Richter erklärte uns, daß<lb/> dies der Arles, eine Belagerungsmaschine der Römer sei. Solcher<lb/> Dinge lehrte er uns Hunderte, und es schien, daß er sich mit uns<lb/> Kindern lieber unterhielt, als mit unserm Lehrer, gegen den er sich<lb/> nur immer zu vertheidigen hatte. Oft brach er das Gespräch plötz¬<lb/> lich und mürrisch ab und versprach in einem Gedichte zu antworten.<lb/> Er hielt immer Wort, indem er oft schon nach einer Stunde einen<lb/> beschriebenen Zettel in das Zimmer des Lehrers schleuderte. ES<lb/> waren meist fürchterliche Dinge darauf geschrieben — wirr, toll,<lb/> graß, zusammenhanglos. Ich merkte mir nur einige Verse aus<lb/> einem Gedichte, das den Selbstmord vertheidigen sollte. Man ur¬<lb/> theile selbst-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0074]
im schönsten, geordnetsten Anzüge, mit Stiefeln an den Füßen, zu¬
rückkehren sahen. Schon glaubten wir, das sei der erste Schritt
zur Genesung; aber es war nicht sein Wille, daß er so ordentlich
einherging. Ein Kaufmann in der Stadt hatte ihn in's Zimmer
gelockt und ihn da von seinen Dienern mit Gewalt in ordentliche
Kleider stecken lassen. Die Eile, mit der er in's Dorf zurückkam,
war eigentlich nur eine Flucht vor der angethanen Gewalt. Kaum
daselbst angelangt, warf er die Stiefel weit weg von sich und be¬
gann, seine Füße wieder mit Steinen zu belasten. Dann riß er
gewaltsam an hundert Locher in die Kleidung und verstopfte sie
mit Gras und Erde. Eben so verfuhr er mit dem ganz neuen
Hut. Mit fürchterlichem Zorn wies er alle Vorstellungen von
sich, die ihm die Umstehenden machten. Sodann lief er zu den
nächsten Bäumen am Bache und schnitt sich an fünfzehn Stäbe ab,
mit denen er sich bewaffnete.
Solche Vorkommnisse schreckten unsern Lehrer nicht ab, sein
Bekehrungswerk fortzusetzen und nach wie vor disputirte er mit
dem tollen Dichter und nahm ihn oft mit sich auf die Wanderun¬
gen, die er mit uns Kindern in die Umgegend machte. Wir sahen
es jedes Mal gerne, wenn Herr Richter, den wir Alle liebten, mit
uns ging, denn wir lernten Manches von ihm. Er war es, der
uns zuerst von den gewandten Schleudercrn auf den Balearischen
Inseln erzählte und uns Schleudern machte, die er uns zu ge¬
brauchen lehrte. Einmal, da wir aus dem Lehrzimmer heraustraten,
sahen wir auf unserem Hofe eine gewaltige Maschine aus Balken
und Stricken zusammengesetzt und Herr Richter erklärte uns, daß
dies der Arles, eine Belagerungsmaschine der Römer sei. Solcher
Dinge lehrte er uns Hunderte, und es schien, daß er sich mit uns
Kindern lieber unterhielt, als mit unserm Lehrer, gegen den er sich
nur immer zu vertheidigen hatte. Oft brach er das Gespräch plötz¬
lich und mürrisch ab und versprach in einem Gedichte zu antworten.
Er hielt immer Wort, indem er oft schon nach einer Stunde einen
beschriebenen Zettel in das Zimmer des Lehrers schleuderte. ES
waren meist fürchterliche Dinge darauf geschrieben — wirr, toll,
graß, zusammenhanglos. Ich merkte mir nur einige Verse aus
einem Gedichte, das den Selbstmord vertheidigen sollte. Man ur¬
theile selbst-
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