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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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dare, würden wahrscheinlich von dem "größten preußischen Feld.
Herrn der Jetztzeit" wegen manchem ausgelassenen Uniformknopf
schlecht bestehen. Derselbe junge Offizier vermißte bei den fran¬
zösischen Truppen das trauliche "Du", da jener sichtbare Ausdruck
der Subordination im preußischen Heere Wunder wirken soll. --
Hingegen sind die Franzosen zum Theil geborne Soldaten, und die
Unfreiwilligen schlagen sich fast gerade so gut, wie die Freiwilligen,
wiewohl das unbedingt gleiche Avancement ("daß jeder Rekrut den
Marschallsstab mit sich im Tornister trage") in diesen halben Frie-
denszeiten auch nur <:um Fi-imm salis zu verstehen ist. Die Herr<
schaft der Capacitäten findet überall ihre Hindernisse, wo sie nicht
von oben ausgeht! --

Bei dem gegenwärtigen französischen Nekrutirungssysteme und
der ganzen Richtung der Geister, versteht es sich von selbst, daß
nicht Alles begeistert der Trommel und Trompete nachläuft. Mein
Nachbar, der auf einen Theil des Quartiers bedeutenden Einfluß
ausübt, hat vernünftige und humane Ansichten hierüber. Er gehört
wirklich mit vielen Genossen seines niedern Standes zu denen einer
Humanitären Schule. Er fand das als eine kuriose und etwas auf¬
dringliche Art zu civtlisiren in Algier, er meinte, daß in Frankreich
selbst, namentlich im Süden, noch genug zu civilisiren sei und auf
billigere, ersprießlichere und verdienstvollere Weise. Die Razzia's
fand er wenig verschieden von den schädlichsten Speculationen der
Börsenmänner, und überhaupt glaubte er, Frankreich habe in Algier
weder mehr Recht, noch befolge es eine menschlichere Politik, als
Rußland gegen die Bergvölker deö Kaukasus, die Tscherkessen und
Tschetschenzen. --




dare, würden wahrscheinlich von dem „größten preußischen Feld.
Herrn der Jetztzeit" wegen manchem ausgelassenen Uniformknopf
schlecht bestehen. Derselbe junge Offizier vermißte bei den fran¬
zösischen Truppen das trauliche „Du", da jener sichtbare Ausdruck
der Subordination im preußischen Heere Wunder wirken soll. —
Hingegen sind die Franzosen zum Theil geborne Soldaten, und die
Unfreiwilligen schlagen sich fast gerade so gut, wie die Freiwilligen,
wiewohl das unbedingt gleiche Avancement („daß jeder Rekrut den
Marschallsstab mit sich im Tornister trage") in diesen halben Frie-
denszeiten auch nur <:um Fi-imm salis zu verstehen ist. Die Herr<
schaft der Capacitäten findet überall ihre Hindernisse, wo sie nicht
von oben ausgeht! —

Bei dem gegenwärtigen französischen Nekrutirungssysteme und
der ganzen Richtung der Geister, versteht es sich von selbst, daß
nicht Alles begeistert der Trommel und Trompete nachläuft. Mein
Nachbar, der auf einen Theil des Quartiers bedeutenden Einfluß
ausübt, hat vernünftige und humane Ansichten hierüber. Er gehört
wirklich mit vielen Genossen seines niedern Standes zu denen einer
Humanitären Schule. Er fand das als eine kuriose und etwas auf¬
dringliche Art zu civtlisiren in Algier, er meinte, daß in Frankreich
selbst, namentlich im Süden, noch genug zu civilisiren sei und auf
billigere, ersprießlichere und verdienstvollere Weise. Die Razzia's
fand er wenig verschieden von den schädlichsten Speculationen der
Börsenmänner, und überhaupt glaubte er, Frankreich habe in Algier
weder mehr Recht, noch befolge es eine menschlichere Politik, als
Rußland gegen die Bergvölker deö Kaukasus, die Tscherkessen und
Tschetschenzen. —




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/68>, abgerufen am 24.11.2024.