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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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i
Aus Wien.

Das neue Monument. -- Franz und Joseph. -- Wofür Marchesi nicht
kann. -- Deutsch und lateinisch.

-- -- Gestern habe ich das Standbild des Kaisers Franz gesehen.
Daß ich nicht bei der Enthüllung gewesen, können Sie mir auf mein
Wort glauben, denn, abgesehen davon, daß mich das Gemachte an allen solchen
Feierlichkeiten kalt laßt, hätte mich in diesem Falle auch die durch und
durch gehende Unwahrheit gestört. Ohne dabei gewesen zu sein, kann ich
Sie aber doch auf mein Gewissen versichern, daß die Thränen, die nach
dem amtlichen Bericht in der wiener Zeitung in "Aller" Augen geglänzt
haben sollen, nichts als eine stehende Redensart sind, der Abfasser des
Berichts müßte denn Schweißtropfen dafür angesehen haben. Ich bin
nicht Künstler, kann also über das rein Technische nicht urtheilen, die
Verstöße müßten denn so grob sein, daß sie auch dem ungeübtesten Auge
auffallen. Das ist aber hier der Fall; die Verzeichnungen und die Mi߬
verhältnisse sind so arg, daß sie auch mir aufgefallen sind. An eine Be¬
rücksichtigung des Aufstellungsplatzes, des verschiedenen Sehwinkels für
die oberen und unteren Theile der Hauptgestalt ist gar nicht zu denken,
es mußten denn nur die kaiserlichen Gemächer bedacht worden sein. Doch
will ich nicht dabei verweilen, sondern allein bei dem Gedanken des
Ganzen, sowohl dem anregenden der Errichtung, als dem leitenden des
Künstlers. Was ich über die Errichtung selbst denke, laßt sich in wenig
Worte fassen: Wenn der Kaiser Franz ein Denkmal verdiente, so mußte
man Joseph's I I. Standbild niederreißen, denn größere und schneidendere
Gegensatze gibt es nicht, als zwischen Joseph II. und seinem Neffen;
nur der Gegensatz zwischen beiden Denkmälern kommt jenem zwischen
den beiden Männern gleich, nicht nur in der Ausführung, sondern auch
im Gedanken der Errichtung. Das ist nicht blos meine, das ist die all¬
gemeine Stimme; das beweisen die zahllosen guten und schlechten Witze,
die nach der Weise der Wiener darüber gemacht werden. Was die Leute
zu dem Schauspiele der Enthüllung trieb, war eben nur Schaulust, doch
auch diese muß nicht so groß gewesen sein, als man sie ausgibt, denn


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Aus Wien.

Das neue Monument. — Franz und Joseph. — Wofür Marchesi nicht
kann. — Deutsch und lateinisch.

— — Gestern habe ich das Standbild des Kaisers Franz gesehen.
Daß ich nicht bei der Enthüllung gewesen, können Sie mir auf mein
Wort glauben, denn, abgesehen davon, daß mich das Gemachte an allen solchen
Feierlichkeiten kalt laßt, hätte mich in diesem Falle auch die durch und
durch gehende Unwahrheit gestört. Ohne dabei gewesen zu sein, kann ich
Sie aber doch auf mein Gewissen versichern, daß die Thränen, die nach
dem amtlichen Bericht in der wiener Zeitung in „Aller" Augen geglänzt
haben sollen, nichts als eine stehende Redensart sind, der Abfasser des
Berichts müßte denn Schweißtropfen dafür angesehen haben. Ich bin
nicht Künstler, kann also über das rein Technische nicht urtheilen, die
Verstöße müßten denn so grob sein, daß sie auch dem ungeübtesten Auge
auffallen. Das ist aber hier der Fall; die Verzeichnungen und die Mi߬
verhältnisse sind so arg, daß sie auch mir aufgefallen sind. An eine Be¬
rücksichtigung des Aufstellungsplatzes, des verschiedenen Sehwinkels für
die oberen und unteren Theile der Hauptgestalt ist gar nicht zu denken,
es mußten denn nur die kaiserlichen Gemächer bedacht worden sein. Doch
will ich nicht dabei verweilen, sondern allein bei dem Gedanken des
Ganzen, sowohl dem anregenden der Errichtung, als dem leitenden des
Künstlers. Was ich über die Errichtung selbst denke, laßt sich in wenig
Worte fassen: Wenn der Kaiser Franz ein Denkmal verdiente, so mußte
man Joseph's I I. Standbild niederreißen, denn größere und schneidendere
Gegensatze gibt es nicht, als zwischen Joseph II. und seinem Neffen;
nur der Gegensatz zwischen beiden Denkmälern kommt jenem zwischen
den beiden Männern gleich, nicht nur in der Ausführung, sondern auch
im Gedanken der Errichtung. Das ist nicht blos meine, das ist die all¬
gemeine Stimme; das beweisen die zahllosen guten und schlechten Witze,
die nach der Weise der Wiener darüber gemacht werden. Was die Leute
zu dem Schauspiele der Enthüllung trieb, war eben nur Schaulust, doch
auch diese muß nicht so groß gewesen sein, als man sie ausgibt, denn


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[0578] T a g e b u eh. i Aus Wien. Das neue Monument. — Franz und Joseph. — Wofür Marchesi nicht kann. — Deutsch und lateinisch. — — Gestern habe ich das Standbild des Kaisers Franz gesehen. Daß ich nicht bei der Enthüllung gewesen, können Sie mir auf mein Wort glauben, denn, abgesehen davon, daß mich das Gemachte an allen solchen Feierlichkeiten kalt laßt, hätte mich in diesem Falle auch die durch und durch gehende Unwahrheit gestört. Ohne dabei gewesen zu sein, kann ich Sie aber doch auf mein Gewissen versichern, daß die Thränen, die nach dem amtlichen Bericht in der wiener Zeitung in „Aller" Augen geglänzt haben sollen, nichts als eine stehende Redensart sind, der Abfasser des Berichts müßte denn Schweißtropfen dafür angesehen haben. Ich bin nicht Künstler, kann also über das rein Technische nicht urtheilen, die Verstöße müßten denn so grob sein, daß sie auch dem ungeübtesten Auge auffallen. Das ist aber hier der Fall; die Verzeichnungen und die Mi߬ verhältnisse sind so arg, daß sie auch mir aufgefallen sind. An eine Be¬ rücksichtigung des Aufstellungsplatzes, des verschiedenen Sehwinkels für die oberen und unteren Theile der Hauptgestalt ist gar nicht zu denken, es mußten denn nur die kaiserlichen Gemächer bedacht worden sein. Doch will ich nicht dabei verweilen, sondern allein bei dem Gedanken des Ganzen, sowohl dem anregenden der Errichtung, als dem leitenden des Künstlers. Was ich über die Errichtung selbst denke, laßt sich in wenig Worte fassen: Wenn der Kaiser Franz ein Denkmal verdiente, so mußte man Joseph's I I. Standbild niederreißen, denn größere und schneidendere Gegensatze gibt es nicht, als zwischen Joseph II. und seinem Neffen; nur der Gegensatz zwischen beiden Denkmälern kommt jenem zwischen den beiden Männern gleich, nicht nur in der Ausführung, sondern auch im Gedanken der Errichtung. Das ist nicht blos meine, das ist die all¬ gemeine Stimme; das beweisen die zahllosen guten und schlechten Witze, die nach der Weise der Wiener darüber gemacht werden. Was die Leute zu dem Schauspiele der Enthüllung trieb, war eben nur Schaulust, doch auch diese muß nicht so groß gewesen sein, als man sie ausgibt, denn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/578>, abgerufen am 27.11.2024.