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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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so rein, so frei von fremden Elementen gehalten hätte, wie die deutsche.
Sie sollte daher die allereinigste sein. Aber grade sie ist in Zwietracht
zerrissen" u> s. w. So dachte, so sprach man schon damals, und zwar
in offener Reichsversammlung. Damals freilich gab es noch keine
Preßprozesse, noch keine Rede- und Versammlungöverbote, noch keine
Censur. Und dennoch ist es ein trauriges Zeichen des Mangels äch¬
ten Nationalsinns, daß Hütten in der nämlichen Rede die Deutschen
auf das Vorbild der Römer hinweisen zu müssen glaub!, um sie zu
einem Unternehmen gegen die von Osten her drohende Macht der
Asiaten anzuspornen. "Ihr wißt die Gefährlichkeit derselben; es -ist
nothwendig, es ist die höchste Zeit. Was zaudert Ihr so lange?
Erinnert Euch, daß Ihr die Nachfolger der Römer seid, indem Ihr
das römische Reich an Euch gebracht habt. Wahrhaftig! diese waren
nicht gewohnt, sich erst so lange vom Feinde reizen, von den Ihrigen
bitten zu lassen, ehe sie den Krieg unternahmen; gleich geschah's;
gleich nach dem Empfange der Beleidigung, oft ehe dem Volke der
Name des Feindes bekannt war" u. f. w. Weiter dann- "Und was
geschieht in den Reichsversammlungen? Nichts. Gastmähler werden
gegeben, gespielt wird und tapfer getrunken. Bei solchen Beschäftigung
gen verhandeln wir die ernsthaftesten Dinge, wir machen keinen Scherz
aus ihnen. Wenn's so fortgeht, sind wir verloren. Wir sind's durch
Euch, Ihr Fürsten. Denn Ihr gebt den Ton an; Ihr geht mit dem
schlechten Beispiele voran. Bet nächtlichen Trinkgelagen wagt Ihr,
die asiatischen Heere zu verachten und zeigt uns Eure Stammbäume,
freilich eine große Zierde, aber nur für Eure Ahnen; denn die Tugend
wird niemals erblich. Vergebens bewahren diejenigen ihren Stamm¬
baum, die sich durch keine rühmliche That den Adel erworben" u. f. w.

Bekanntlich ist gegen Hütten der Verdacht ausgesprochen worden,
daß er bei den schwäbischen Bauernaufständen die Hand im Spiele
gehabt habe; und als zur Zeit der Rüstungen, die er von der Ebern¬
burg aus zum Schutze Luther's während des wormser Reichstages
unternahm, das Loosungswort: Bundschuh in einzelnen Drohungen
wieder auftauchte, konnte gar wohl der Verdacht einer volksaufwie¬
gelnden Thätigkeit auf den Ritter geworfen werden. Obschon nun
der Verfasser dieser Verhältnisse gedacht hat, so hätten wir doch über
diesen Punkt weitere Aufklärungen und die gewiß leicht zu bewirkende
Reinigung des Verdächtigten erwartet.

Von hohem Interesse ist übrigens die publieistische Thätigkett, die
Hütten während jener letzten Jahre seines Lebens entwickelt hat. Wie


so rein, so frei von fremden Elementen gehalten hätte, wie die deutsche.
Sie sollte daher die allereinigste sein. Aber grade sie ist in Zwietracht
zerrissen" u> s. w. So dachte, so sprach man schon damals, und zwar
in offener Reichsversammlung. Damals freilich gab es noch keine
Preßprozesse, noch keine Rede- und Versammlungöverbote, noch keine
Censur. Und dennoch ist es ein trauriges Zeichen des Mangels äch¬
ten Nationalsinns, daß Hütten in der nämlichen Rede die Deutschen
auf das Vorbild der Römer hinweisen zu müssen glaub!, um sie zu
einem Unternehmen gegen die von Osten her drohende Macht der
Asiaten anzuspornen. „Ihr wißt die Gefährlichkeit derselben; es -ist
nothwendig, es ist die höchste Zeit. Was zaudert Ihr so lange?
Erinnert Euch, daß Ihr die Nachfolger der Römer seid, indem Ihr
das römische Reich an Euch gebracht habt. Wahrhaftig! diese waren
nicht gewohnt, sich erst so lange vom Feinde reizen, von den Ihrigen
bitten zu lassen, ehe sie den Krieg unternahmen; gleich geschah's;
gleich nach dem Empfange der Beleidigung, oft ehe dem Volke der
Name des Feindes bekannt war" u. f. w. Weiter dann- „Und was
geschieht in den Reichsversammlungen? Nichts. Gastmähler werden
gegeben, gespielt wird und tapfer getrunken. Bei solchen Beschäftigung
gen verhandeln wir die ernsthaftesten Dinge, wir machen keinen Scherz
aus ihnen. Wenn's so fortgeht, sind wir verloren. Wir sind's durch
Euch, Ihr Fürsten. Denn Ihr gebt den Ton an; Ihr geht mit dem
schlechten Beispiele voran. Bet nächtlichen Trinkgelagen wagt Ihr,
die asiatischen Heere zu verachten und zeigt uns Eure Stammbäume,
freilich eine große Zierde, aber nur für Eure Ahnen; denn die Tugend
wird niemals erblich. Vergebens bewahren diejenigen ihren Stamm¬
baum, die sich durch keine rühmliche That den Adel erworben" u. f. w.

Bekanntlich ist gegen Hütten der Verdacht ausgesprochen worden,
daß er bei den schwäbischen Bauernaufständen die Hand im Spiele
gehabt habe; und als zur Zeit der Rüstungen, die er von der Ebern¬
burg aus zum Schutze Luther's während des wormser Reichstages
unternahm, das Loosungswort: Bundschuh in einzelnen Drohungen
wieder auftauchte, konnte gar wohl der Verdacht einer volksaufwie¬
gelnden Thätigkeit auf den Ritter geworfen werden. Obschon nun
der Verfasser dieser Verhältnisse gedacht hat, so hätten wir doch über
diesen Punkt weitere Aufklärungen und die gewiß leicht zu bewirkende
Reinigung des Verdächtigten erwartet.

Von hohem Interesse ist übrigens die publieistische Thätigkett, die
Hütten während jener letzten Jahre seines Lebens entwickelt hat. Wie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/576>, abgerufen am 24.11.2024.