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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Schrift "Ulrich von Hütten in politischer Beziehung" benutzt worden.
So wie' der Verfasser nicht nur treffende Stellen aus diesen Schriften
seinem Texte eingewebt, sondern auch, wo es zu thun war, den Ritter
selbst durch seine Schriften sprechend eingeführt hat, zeigt das Buch
von dem umfassenden Quellenstudium, welches dafür gemacht worden
ist, von dem sichern Takte, womit der Verfasser das ihm gebotene
reichhaltige Material zu überblicken, zu sichten und zu ordnen gewußt
hat. Grade von dieser Seite ist das Werk eine rühmliche Ausnahme
von manchen gleichzeitigen, historischen Schriften, deren Verfasser, im
gänzlichen Verkennen der nächsten und hauptsächlichsten Aufgabe des
Historikers, der Basis einer gründlichen Forschung sich überhoben ach¬
tend, ein leichtes, luftiges Gebäu kühner Hypothesen aufgethürmt und
mit dem blendenden Kiele tendenziöser Phrasen zusammengeklebt haben.
Nichts aber ist mehr geeignet, dem Leser ein klares Bild einer Per¬
sönlichkeit oder einer Zeit zu schaffen, als die überlieferte Gesinnungs-
äußerung des zu schildernden in unverfälschter Unmittelbarkeit: dies
zeigte sich neuerdings an dem in Raumer's historischen Taschenbuche
für das Jahr 1846 abgedruckten Aufsatze Carl Hagen's - Die Ge¬
schichte der öffentlichen Meinung in Deutschland, seit dem Jahre
1813. Auch hier läßt der Verfasser die Zeitstimmen in Allszügen aus
Zeitungsartikeln, Flugschriften unmittelbar und ungetrübt zu dem Le¬
ser sprechen.

Für die Form, in welche das uns vorliegende Werk gekleidet er¬
scheint, hat dem Verfasser seine Absicht, eine volksthümliche Schil¬
derung seines Helden zu geben, als leitendes Princip vorgeschwebt.
Man erkennt dies namentlich in dem ersten Drittel des Buches an der
einfachen, ungeschmückten Rede, der mitunter breiten Deutlichkeit, welche
den Leuten vom Fach gegenüber entbehrlich gewesen wäre. Doch muß
ich offen bekennen, daß mir grade in diese Partie des Buches ein zu
großer Werth auf jene bezweckte, äußere Form gelegt worden zu sein
scheint, so daß sie hin und wieder an einzelnen Ausdrücken als etwas
Erstrebtes, nicht natürlich sich Ergebenes heraustritt. Wäre es ein
Irrthum, wenn ich behaupte, daß dem Verfasser hierbei das Beispiel
eines jetzt in Aller Munde lebenden Volksschriftstellers, Berthold Auer-
bach's, vorgeleuchtet hat? Weit entfernt nun, ihm einen Vorwurf da¬
mit zu machen, daß er auf dieser Bahn mit seinem für das deutsche
Volk so bedeutsamen Manne, unmittelbar in das Volk hat eindringen
wollen, hätten wir doch gewünscht, daß er mit vorsichtiger Feile alle
jene verrätherischen Kleinigkeiten beseitigt hätte, welche wie Spuren


Schrift „Ulrich von Hütten in politischer Beziehung" benutzt worden.
So wie' der Verfasser nicht nur treffende Stellen aus diesen Schriften
seinem Texte eingewebt, sondern auch, wo es zu thun war, den Ritter
selbst durch seine Schriften sprechend eingeführt hat, zeigt das Buch
von dem umfassenden Quellenstudium, welches dafür gemacht worden
ist, von dem sichern Takte, womit der Verfasser das ihm gebotene
reichhaltige Material zu überblicken, zu sichten und zu ordnen gewußt
hat. Grade von dieser Seite ist das Werk eine rühmliche Ausnahme
von manchen gleichzeitigen, historischen Schriften, deren Verfasser, im
gänzlichen Verkennen der nächsten und hauptsächlichsten Aufgabe des
Historikers, der Basis einer gründlichen Forschung sich überhoben ach¬
tend, ein leichtes, luftiges Gebäu kühner Hypothesen aufgethürmt und
mit dem blendenden Kiele tendenziöser Phrasen zusammengeklebt haben.
Nichts aber ist mehr geeignet, dem Leser ein klares Bild einer Per¬
sönlichkeit oder einer Zeit zu schaffen, als die überlieferte Gesinnungs-
äußerung des zu schildernden in unverfälschter Unmittelbarkeit: dies
zeigte sich neuerdings an dem in Raumer's historischen Taschenbuche
für das Jahr 1846 abgedruckten Aufsatze Carl Hagen's - Die Ge¬
schichte der öffentlichen Meinung in Deutschland, seit dem Jahre
1813. Auch hier läßt der Verfasser die Zeitstimmen in Allszügen aus
Zeitungsartikeln, Flugschriften unmittelbar und ungetrübt zu dem Le¬
ser sprechen.

Für die Form, in welche das uns vorliegende Werk gekleidet er¬
scheint, hat dem Verfasser seine Absicht, eine volksthümliche Schil¬
derung seines Helden zu geben, als leitendes Princip vorgeschwebt.
Man erkennt dies namentlich in dem ersten Drittel des Buches an der
einfachen, ungeschmückten Rede, der mitunter breiten Deutlichkeit, welche
den Leuten vom Fach gegenüber entbehrlich gewesen wäre. Doch muß
ich offen bekennen, daß mir grade in diese Partie des Buches ein zu
großer Werth auf jene bezweckte, äußere Form gelegt worden zu sein
scheint, so daß sie hin und wieder an einzelnen Ausdrücken als etwas
Erstrebtes, nicht natürlich sich Ergebenes heraustritt. Wäre es ein
Irrthum, wenn ich behaupte, daß dem Verfasser hierbei das Beispiel
eines jetzt in Aller Munde lebenden Volksschriftstellers, Berthold Auer-
bach's, vorgeleuchtet hat? Weit entfernt nun, ihm einen Vorwurf da¬
mit zu machen, daß er auf dieser Bahn mit seinem für das deutsche
Volk so bedeutsamen Manne, unmittelbar in das Volk hat eindringen
wollen, hätten wir doch gewünscht, daß er mit vorsichtiger Feile alle
jene verrätherischen Kleinigkeiten beseitigt hätte, welche wie Spuren


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[0574] Schrift „Ulrich von Hütten in politischer Beziehung" benutzt worden. So wie' der Verfasser nicht nur treffende Stellen aus diesen Schriften seinem Texte eingewebt, sondern auch, wo es zu thun war, den Ritter selbst durch seine Schriften sprechend eingeführt hat, zeigt das Buch von dem umfassenden Quellenstudium, welches dafür gemacht worden ist, von dem sichern Takte, womit der Verfasser das ihm gebotene reichhaltige Material zu überblicken, zu sichten und zu ordnen gewußt hat. Grade von dieser Seite ist das Werk eine rühmliche Ausnahme von manchen gleichzeitigen, historischen Schriften, deren Verfasser, im gänzlichen Verkennen der nächsten und hauptsächlichsten Aufgabe des Historikers, der Basis einer gründlichen Forschung sich überhoben ach¬ tend, ein leichtes, luftiges Gebäu kühner Hypothesen aufgethürmt und mit dem blendenden Kiele tendenziöser Phrasen zusammengeklebt haben. Nichts aber ist mehr geeignet, dem Leser ein klares Bild einer Per¬ sönlichkeit oder einer Zeit zu schaffen, als die überlieferte Gesinnungs- äußerung des zu schildernden in unverfälschter Unmittelbarkeit: dies zeigte sich neuerdings an dem in Raumer's historischen Taschenbuche für das Jahr 1846 abgedruckten Aufsatze Carl Hagen's - Die Ge¬ schichte der öffentlichen Meinung in Deutschland, seit dem Jahre 1813. Auch hier läßt der Verfasser die Zeitstimmen in Allszügen aus Zeitungsartikeln, Flugschriften unmittelbar und ungetrübt zu dem Le¬ ser sprechen. Für die Form, in welche das uns vorliegende Werk gekleidet er¬ scheint, hat dem Verfasser seine Absicht, eine volksthümliche Schil¬ derung seines Helden zu geben, als leitendes Princip vorgeschwebt. Man erkennt dies namentlich in dem ersten Drittel des Buches an der einfachen, ungeschmückten Rede, der mitunter breiten Deutlichkeit, welche den Leuten vom Fach gegenüber entbehrlich gewesen wäre. Doch muß ich offen bekennen, daß mir grade in diese Partie des Buches ein zu großer Werth auf jene bezweckte, äußere Form gelegt worden zu sein scheint, so daß sie hin und wieder an einzelnen Ausdrücken als etwas Erstrebtes, nicht natürlich sich Ergebenes heraustritt. Wäre es ein Irrthum, wenn ich behaupte, daß dem Verfasser hierbei das Beispiel eines jetzt in Aller Munde lebenden Volksschriftstellers, Berthold Auer- bach's, vorgeleuchtet hat? Weit entfernt nun, ihm einen Vorwurf da¬ mit zu machen, daß er auf dieser Bahn mit seinem für das deutsche Volk so bedeutsamen Manne, unmittelbar in das Volk hat eindringen wollen, hätten wir doch gewünscht, daß er mit vorsichtiger Feile alle jene verrätherischen Kleinigkeiten beseitigt hätte, welche wie Spuren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/574>, abgerufen am 24.11.2024.