Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.diesem Bilde etwas verborgen sein? Ich suche am Rahmen umher, "Aber, meine Gnädigste, wollen Sie mich denn nicht erhören, wol¬ Ich rückte meinen Anzug zurecht, der etwas in Unordnung gera¬ 71-i-
diesem Bilde etwas verborgen sein? Ich suche am Rahmen umher, „Aber, meine Gnädigste, wollen Sie mich denn nicht erhören, wol¬ Ich rückte meinen Anzug zurecht, der etwas in Unordnung gera¬ 71-i-
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0563" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182986"/> <p xml:id="ID_1731" prev="#ID_1730"> diesem Bilde etwas verborgen sein? Ich suche am Rahmen umher,<lb/> nirgends ist etwas zu sehen, ich rüttle am Bilde, es ist wie einge¬<lb/> mauert. Noch gab ich jedoch nicht alle Hoffnung auf; ich hatte schon<lb/> viel von verborgenen Thüren gelesen, ich war in der Residenz in einem<lb/> altertümlichen, weiten Hause, das Bild hatte als Bild keinen Zweck,<lb/> es mußte also eine andere Bestimmung haben. Ich faßte jetzt den<lb/> Nahmen von unten, er gibt nach und plötzlich klappt das Bild auf.<lb/> Es dient als Thüre und ich gelange in einen schmalen Corridor, nur<lb/> spärlich von einer schon verglimmenden Oellampe erleuchtet, aber die<lb/> Tanzmusik trifft mein Ohr so deutlich, daß ich zu dem Schluß komme,<lb/> ich müsse dem Saale ganz nahe sein. Zwei niedrige Thüren befinden<lb/> sich auf der rechten Seite des Ganges, ich versuche die eine zu öffnen,<lb/> sie ist verschlossen. Leicht trete ich an die nächste, und höre eine Stimme<lb/> drinnen:</p><lb/> <p xml:id="ID_1732"> „Aber, meine Gnädigste, wollen Sie mich denn nicht erhören, wol¬<lb/> len Sie mir immer noch hartnäckig kein Wort der Erwiederung schen¬<lb/> ken, soll ich eine Ewigkeit vor Ihnen auf dem Knie liegen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1733" next="#ID_1734"> Ich rückte meinen Anzug zurecht, der etwas in Unordnung gera¬<lb/> then war, band meine Maske fest und öffnete leise die Thür, heimlich<lb/> erfreut, vielleicht irgend ein sentimentales Pärchen auf einem höchst<lb/> unsentimentalen Abenteuer zu ertappen. Ich trete in ein matt erleuch¬<lb/> tetes Zimmer, der Fußboden ist mit Teppichen belegt, man hört meine<lb/> Schritte nicht. Denke Dir, theuerster Carl, welcher Anblick sich mir<lb/> darbot, auf einer Ottomanne hingestreckt lag eine junge Dame. Ich<lb/> bin jetzt Ehemann, ich bin über die Schwächen der Jugend hinweg,<lb/> und Du bist es auch, nämlich Ehemann, ich kann Dir also ganz haar¬<lb/> klein erzählen, wie jene Dame aussah, ohne befürchten zu müssen, daß<lb/> Du vor Liebe närrisch werden würdest. Denke Dir also ein feines,<lb/> rundes Gesicht, zarte gewölbte Augenbrauen, eine etwas gebogene Nase,<lb/> einen Rosenmund und dunkelbraunes glänzendes Haar, sehr zierlich<lb/> i> Il>, cbinoisv zurückgestrichen und in breiten Flechten am Hinterkopf<lb/> zusammengerollt. Denke Dir ferner die reinsten Formen einer Cytherea,<lb/> hervorgehoben durch ein dünnes, feines Ballkleid und einen alabaster¬<lb/> weißen Teint hinzu, so wirst Du Dich nicht wundern, daß ich bei dem<lb/> Anblick wie angewurzelt stand. Vielleicht fragst Du, weshalb ich bei<lb/> der Beschreibung dieser Göttin das Wichtigste vergessen, ihr Auge. Das<lb/> sah ich aber nicht, denn die himmlische Schöne lag in Ohnmacht, wie<lb/> es schien, und hatte die Augenlider geschlossen, was allerdings die<lb/> Ohnmächtigen in der Regel nicht zu thun pflegen. Ich will Dir aber</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 71-i-</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0563]
diesem Bilde etwas verborgen sein? Ich suche am Rahmen umher,
nirgends ist etwas zu sehen, ich rüttle am Bilde, es ist wie einge¬
mauert. Noch gab ich jedoch nicht alle Hoffnung auf; ich hatte schon
viel von verborgenen Thüren gelesen, ich war in der Residenz in einem
altertümlichen, weiten Hause, das Bild hatte als Bild keinen Zweck,
es mußte also eine andere Bestimmung haben. Ich faßte jetzt den
Nahmen von unten, er gibt nach und plötzlich klappt das Bild auf.
Es dient als Thüre und ich gelange in einen schmalen Corridor, nur
spärlich von einer schon verglimmenden Oellampe erleuchtet, aber die
Tanzmusik trifft mein Ohr so deutlich, daß ich zu dem Schluß komme,
ich müsse dem Saale ganz nahe sein. Zwei niedrige Thüren befinden
sich auf der rechten Seite des Ganges, ich versuche die eine zu öffnen,
sie ist verschlossen. Leicht trete ich an die nächste, und höre eine Stimme
drinnen:
„Aber, meine Gnädigste, wollen Sie mich denn nicht erhören, wol¬
len Sie mir immer noch hartnäckig kein Wort der Erwiederung schen¬
ken, soll ich eine Ewigkeit vor Ihnen auf dem Knie liegen."
Ich rückte meinen Anzug zurecht, der etwas in Unordnung gera¬
then war, band meine Maske fest und öffnete leise die Thür, heimlich
erfreut, vielleicht irgend ein sentimentales Pärchen auf einem höchst
unsentimentalen Abenteuer zu ertappen. Ich trete in ein matt erleuch¬
tetes Zimmer, der Fußboden ist mit Teppichen belegt, man hört meine
Schritte nicht. Denke Dir, theuerster Carl, welcher Anblick sich mir
darbot, auf einer Ottomanne hingestreckt lag eine junge Dame. Ich
bin jetzt Ehemann, ich bin über die Schwächen der Jugend hinweg,
und Du bist es auch, nämlich Ehemann, ich kann Dir also ganz haar¬
klein erzählen, wie jene Dame aussah, ohne befürchten zu müssen, daß
Du vor Liebe närrisch werden würdest. Denke Dir also ein feines,
rundes Gesicht, zarte gewölbte Augenbrauen, eine etwas gebogene Nase,
einen Rosenmund und dunkelbraunes glänzendes Haar, sehr zierlich
i> Il>, cbinoisv zurückgestrichen und in breiten Flechten am Hinterkopf
zusammengerollt. Denke Dir ferner die reinsten Formen einer Cytherea,
hervorgehoben durch ein dünnes, feines Ballkleid und einen alabaster¬
weißen Teint hinzu, so wirst Du Dich nicht wundern, daß ich bei dem
Anblick wie angewurzelt stand. Vielleicht fragst Du, weshalb ich bei
der Beschreibung dieser Göttin das Wichtigste vergessen, ihr Auge. Das
sah ich aber nicht, denn die himmlische Schöne lag in Ohnmacht, wie
es schien, und hatte die Augenlider geschlossen, was allerdings die
Ohnmächtigen in der Regel nicht zu thun pflegen. Ich will Dir aber
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