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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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ling und mit ihm ein blühendes Stück Andacht rauben! Ja Andacht,
Bewunderung der Allmacht Gottes, erweckten schon in mancher Brust
die Lieder des Sängers der Frühlingsnächte; oder was war es etwas
anders, das einen Dichter alter Zeit zu dem wundervollen Liede begeisterte,
das also anhebt:

Wollt ihr besteuern, so besteuert doch die Reichen mit ihren Luxus-
creaturen: dumme Krähen aus Indien, Papagaien genannt, Affen,
nutzlose und gefährliche Hunde, englische Reitpferde und überflüssige La¬
kaien; aber laßt dem Armen seine Nachtigall, seine Lerche, seine Grase¬
mücke und was der harmlosen Freuden mehr sind, denn er kann die
Steuer nicht bezahlen.

Die Opernferien sind abgelaufen und die tgi. Oper hat zu Anfang
dieses Monates ihre Vorstellungen wieder begonnen und zwar acht
deutsch mit: "i^v" "liiimilnts >!" >it ".nmoniiv" (Text von Scribe
Musik von Ander); die nächste Oper war: "I^'eil-jitl- u"nimm'v" vom
Maestro Donizetti, und die erste neue Oper in diesem Jahr wird von
Mr. Halevy sein, nämlich: "l^es liai" in"u8"iuvti"ire!8 6e in ivino".
Das sind die Thaten der ersten deutschen Oper Preußens; allein es
ist nirgends anVers, nirgends besser, und in der allgemeinen Calamität
findet die besondere einige Entschuldigung. An dem Tage, wo Fräul.
Tuczek wieder auftrat, nachdem sie in Danzig, Stettin, Magdeburg und
Dresden mit glücklichem Erfolge gesungen, standen in der vossischen Zei¬
tung nicht weniger als drei Stück Gedichte an diese Sängerin, und eines
(Akrostichon) an Herrn Eoulembier, den Besitzer einer hölzernen Bude
aus dem Dönhofsplatz und eines Sonnenmikroskops in der Bude. Daß
diese Poesien mehr im Magen, als im Kopfe, d. h. aus Hunger, nicht
aus Begeisterung stammen, ist begreiflich; sie sind gewiß sehr billig zu
haben und die Jnsertionskosten wahrscheinlich das Theuerste dabei.

Die Haupttendenz unserer beiden privilegirten Zeitungen nämlich,
scheint vorzugsweise das Geldmacher zu sein; und namentlich hat die
Vossische, die einem reichen Justizrath, Namens Lessing, gehört, die Politik
der Jnsertionsgebühren auf das Ersprießlichste ausgebildet. Was sonst
von Politik in diesem Blatte vorkommt, will nicht viel Großes bedeuten;
aber jedenfalls ist es von Hrn. Lessing sehr politisch, eingesandte Artikel,
die vom größten Interesse für ganze Provinzen und Regierungsbezirke
des Staates sind, nicht nur nicht zu honoriren, sondern sich dieselben
noch obendrein vom Verfasser und Einsender mit baarem Gelde, gleich
Annoncen, bezahlen zu lassen, wo denn ein solcher Artikel, von etwa zwei


ling und mit ihm ein blühendes Stück Andacht rauben! Ja Andacht,
Bewunderung der Allmacht Gottes, erweckten schon in mancher Brust
die Lieder des Sängers der Frühlingsnächte; oder was war es etwas
anders, das einen Dichter alter Zeit zu dem wundervollen Liede begeisterte,
das also anhebt:

Wollt ihr besteuern, so besteuert doch die Reichen mit ihren Luxus-
creaturen: dumme Krähen aus Indien, Papagaien genannt, Affen,
nutzlose und gefährliche Hunde, englische Reitpferde und überflüssige La¬
kaien; aber laßt dem Armen seine Nachtigall, seine Lerche, seine Grase¬
mücke und was der harmlosen Freuden mehr sind, denn er kann die
Steuer nicht bezahlen.

Die Opernferien sind abgelaufen und die tgi. Oper hat zu Anfang
dieses Monates ihre Vorstellungen wieder begonnen und zwar acht
deutsch mit: „i^v» «liiimilnts >!« >it «.nmoniiv" (Text von Scribe
Musik von Ander); die nächste Oper war: „I^'eil-jitl- u"nimm'v" vom
Maestro Donizetti, und die erste neue Oper in diesem Jahr wird von
Mr. Halevy sein, nämlich: „l^es liai« in»u8«iuvti»ire!8 6e in ivino".
Das sind die Thaten der ersten deutschen Oper Preußens; allein es
ist nirgends anVers, nirgends besser, und in der allgemeinen Calamität
findet die besondere einige Entschuldigung. An dem Tage, wo Fräul.
Tuczek wieder auftrat, nachdem sie in Danzig, Stettin, Magdeburg und
Dresden mit glücklichem Erfolge gesungen, standen in der vossischen Zei¬
tung nicht weniger als drei Stück Gedichte an diese Sängerin, und eines
(Akrostichon) an Herrn Eoulembier, den Besitzer einer hölzernen Bude
aus dem Dönhofsplatz und eines Sonnenmikroskops in der Bude. Daß
diese Poesien mehr im Magen, als im Kopfe, d. h. aus Hunger, nicht
aus Begeisterung stammen, ist begreiflich; sie sind gewiß sehr billig zu
haben und die Jnsertionskosten wahrscheinlich das Theuerste dabei.

Die Haupttendenz unserer beiden privilegirten Zeitungen nämlich,
scheint vorzugsweise das Geldmacher zu sein; und namentlich hat die
Vossische, die einem reichen Justizrath, Namens Lessing, gehört, die Politik
der Jnsertionsgebühren auf das Ersprießlichste ausgebildet. Was sonst
von Politik in diesem Blatte vorkommt, will nicht viel Großes bedeuten;
aber jedenfalls ist es von Hrn. Lessing sehr politisch, eingesandte Artikel,
die vom größten Interesse für ganze Provinzen und Regierungsbezirke
des Staates sind, nicht nur nicht zu honoriren, sondern sich dieselben
noch obendrein vom Verfasser und Einsender mit baarem Gelde, gleich
Annoncen, bezahlen zu lassen, wo denn ein solcher Artikel, von etwa zwei


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[0542] ling und mit ihm ein blühendes Stück Andacht rauben! Ja Andacht, Bewunderung der Allmacht Gottes, erweckten schon in mancher Brust die Lieder des Sängers der Frühlingsnächte; oder was war es etwas anders, das einen Dichter alter Zeit zu dem wundervollen Liede begeisterte, das also anhebt: Wollt ihr besteuern, so besteuert doch die Reichen mit ihren Luxus- creaturen: dumme Krähen aus Indien, Papagaien genannt, Affen, nutzlose und gefährliche Hunde, englische Reitpferde und überflüssige La¬ kaien; aber laßt dem Armen seine Nachtigall, seine Lerche, seine Grase¬ mücke und was der harmlosen Freuden mehr sind, denn er kann die Steuer nicht bezahlen. Die Opernferien sind abgelaufen und die tgi. Oper hat zu Anfang dieses Monates ihre Vorstellungen wieder begonnen und zwar acht deutsch mit: „i^v» «liiimilnts >!« >it «.nmoniiv" (Text von Scribe Musik von Ander); die nächste Oper war: „I^'eil-jitl- u"nimm'v" vom Maestro Donizetti, und die erste neue Oper in diesem Jahr wird von Mr. Halevy sein, nämlich: „l^es liai« in»u8«iuvti»ire!8 6e in ivino". Das sind die Thaten der ersten deutschen Oper Preußens; allein es ist nirgends anVers, nirgends besser, und in der allgemeinen Calamität findet die besondere einige Entschuldigung. An dem Tage, wo Fräul. Tuczek wieder auftrat, nachdem sie in Danzig, Stettin, Magdeburg und Dresden mit glücklichem Erfolge gesungen, standen in der vossischen Zei¬ tung nicht weniger als drei Stück Gedichte an diese Sängerin, und eines (Akrostichon) an Herrn Eoulembier, den Besitzer einer hölzernen Bude aus dem Dönhofsplatz und eines Sonnenmikroskops in der Bude. Daß diese Poesien mehr im Magen, als im Kopfe, d. h. aus Hunger, nicht aus Begeisterung stammen, ist begreiflich; sie sind gewiß sehr billig zu haben und die Jnsertionskosten wahrscheinlich das Theuerste dabei. Die Haupttendenz unserer beiden privilegirten Zeitungen nämlich, scheint vorzugsweise das Geldmacher zu sein; und namentlich hat die Vossische, die einem reichen Justizrath, Namens Lessing, gehört, die Politik der Jnsertionsgebühren auf das Ersprießlichste ausgebildet. Was sonst von Politik in diesem Blatte vorkommt, will nicht viel Großes bedeuten; aber jedenfalls ist es von Hrn. Lessing sehr politisch, eingesandte Artikel, die vom größten Interesse für ganze Provinzen und Regierungsbezirke des Staates sind, nicht nur nicht zu honoriren, sondern sich dieselben noch obendrein vom Verfasser und Einsender mit baarem Gelde, gleich Annoncen, bezahlen zu lassen, wo denn ein solcher Artikel, von etwa zwei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/542>, abgerufen am 23.07.2024.