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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Aus Berlin.

Zur Charakteristik des Herrn von Nagler. -- Fremde Gaste, -- Herr von
Hormayr. -- Aufschlüsse über die Revue <>" <I"ux ">"ur1hö. -- Deutsche Re¬
vuen. -- Taillandier und Thomas. -- Zustände der Oper.

Der Generalpostmeister und geheimer Staatsminister Herr von Nag¬
ler ist endlich dieser Tage selbst mit der allerletzten Post abgegangen: in
den Himmel -- oder vielleicht auch nicht in den Himmel. Das ganze
Postwesen athmet auf, denn der alte Mann lag wie ein Bleigewicht
darauf und erdrückte alle Reformen in der Art, daß sogar Oesterreich,
namentlich in Bezug auf die Briefpost, in letzterer Zeit Preußen über¬
flügelt hatte. Vor zehn oder fünfzehn Jahren führte er bekanntermaßen
selbst wichtige Reformen und Verbesserungen im Postwesen ein. Aber
eben deshalb sträubte er sich jetzt gegen alle Neuerungen und war na¬
mentlich ein fanatischer Gegner der Eisenbahnen, die allerdings seine
Verdienste als Post-Luther allmälig antiquirten und beseitigten. Die
Charakteristik und Biographie dieses Mannes wäre eine der dankbarsten
Stoffe für eine publicistische Feder und würde einen piquanten und lehr¬
reichen Beitrag zur Charakteristik preußischer Verhältnisse liefern. Herr
von Nagler, in Anspach geboren, der Sohn einer bürgerlichen Familie,
verdankte seine glänzende Carriere namentlich drei Dingen: einer schönen
Gestalt, einem gewandten und gegen Hochstehende sehr demüthigen We¬
sen und -- einer kalligraphischen Handschrift! Durch sein interessantes
Aeußere lenkte er bereits als Assessor im Baireuthischen die Aufmerksamkeit
und Gunst der Frauen auf sich und wurde in die Zirkel des Fürsten Harden-
berg (damals noch Baron), der als dirigirender Minister die Fürstenthümer
Anspach und Baireuth verwaltete, gezogen. Durch seine Gewandtheit
und Demüthigkeit erwarb er sich dessen Gunst und wurde, mit wunder¬
bar schnellem Glücke, erster vortragender Rath beim Minister, ein Posten,
der namentlich für einen Bürgerlichen in jener Zeit fast unerreichbar, be¬
sonders in noch so jugendlichem Alter, war. Als Hardenberg Minister
der auswärtigen Angelegenheiten wurde, begleitete ihn Herr von Nagler
nach Berlin und erhielt spater den wichtigen Auftrag, die fränkischen
Fürstenthümer an die französische Verwaltung, dem Marschall Berna-
dotte, zu übergeben. Dieser politische Act gab ihm eine Art von Nim¬
bus bei Hofe und als Friedrich Wilhelm til im Jahre 1806 Berlin


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Zur Charakteristik des Herrn von Nagler. — Fremde Gaste, — Herr von
Hormayr. — Aufschlüsse über die Revue <>« <I«ux »>»ur1hö. — Deutsche Re¬
vuen. — Taillandier und Thomas. — Zustände der Oper.

Der Generalpostmeister und geheimer Staatsminister Herr von Nag¬
ler ist endlich dieser Tage selbst mit der allerletzten Post abgegangen: in
den Himmel — oder vielleicht auch nicht in den Himmel. Das ganze
Postwesen athmet auf, denn der alte Mann lag wie ein Bleigewicht
darauf und erdrückte alle Reformen in der Art, daß sogar Oesterreich,
namentlich in Bezug auf die Briefpost, in letzterer Zeit Preußen über¬
flügelt hatte. Vor zehn oder fünfzehn Jahren führte er bekanntermaßen
selbst wichtige Reformen und Verbesserungen im Postwesen ein. Aber
eben deshalb sträubte er sich jetzt gegen alle Neuerungen und war na¬
mentlich ein fanatischer Gegner der Eisenbahnen, die allerdings seine
Verdienste als Post-Luther allmälig antiquirten und beseitigten. Die
Charakteristik und Biographie dieses Mannes wäre eine der dankbarsten
Stoffe für eine publicistische Feder und würde einen piquanten und lehr¬
reichen Beitrag zur Charakteristik preußischer Verhältnisse liefern. Herr
von Nagler, in Anspach geboren, der Sohn einer bürgerlichen Familie,
verdankte seine glänzende Carriere namentlich drei Dingen: einer schönen
Gestalt, einem gewandten und gegen Hochstehende sehr demüthigen We¬
sen und — einer kalligraphischen Handschrift! Durch sein interessantes
Aeußere lenkte er bereits als Assessor im Baireuthischen die Aufmerksamkeit
und Gunst der Frauen auf sich und wurde in die Zirkel des Fürsten Harden-
berg (damals noch Baron), der als dirigirender Minister die Fürstenthümer
Anspach und Baireuth verwaltete, gezogen. Durch seine Gewandtheit
und Demüthigkeit erwarb er sich dessen Gunst und wurde, mit wunder¬
bar schnellem Glücke, erster vortragender Rath beim Minister, ein Posten,
der namentlich für einen Bürgerlichen in jener Zeit fast unerreichbar, be¬
sonders in noch so jugendlichem Alter, war. Als Hardenberg Minister
der auswärtigen Angelegenheiten wurde, begleitete ihn Herr von Nagler
nach Berlin und erhielt spater den wichtigen Auftrag, die fränkischen
Fürstenthümer an die französische Verwaltung, dem Marschall Berna-
dotte, zu übergeben. Dieser politische Act gab ihm eine Art von Nim¬
bus bei Hofe und als Friedrich Wilhelm til im Jahre 1806 Berlin


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[0497] T l! g e b u c>). i Aus Berlin. Zur Charakteristik des Herrn von Nagler. — Fremde Gaste, — Herr von Hormayr. — Aufschlüsse über die Revue <>« <I«ux »>»ur1hö. — Deutsche Re¬ vuen. — Taillandier und Thomas. — Zustände der Oper. Der Generalpostmeister und geheimer Staatsminister Herr von Nag¬ ler ist endlich dieser Tage selbst mit der allerletzten Post abgegangen: in den Himmel — oder vielleicht auch nicht in den Himmel. Das ganze Postwesen athmet auf, denn der alte Mann lag wie ein Bleigewicht darauf und erdrückte alle Reformen in der Art, daß sogar Oesterreich, namentlich in Bezug auf die Briefpost, in letzterer Zeit Preußen über¬ flügelt hatte. Vor zehn oder fünfzehn Jahren führte er bekanntermaßen selbst wichtige Reformen und Verbesserungen im Postwesen ein. Aber eben deshalb sträubte er sich jetzt gegen alle Neuerungen und war na¬ mentlich ein fanatischer Gegner der Eisenbahnen, die allerdings seine Verdienste als Post-Luther allmälig antiquirten und beseitigten. Die Charakteristik und Biographie dieses Mannes wäre eine der dankbarsten Stoffe für eine publicistische Feder und würde einen piquanten und lehr¬ reichen Beitrag zur Charakteristik preußischer Verhältnisse liefern. Herr von Nagler, in Anspach geboren, der Sohn einer bürgerlichen Familie, verdankte seine glänzende Carriere namentlich drei Dingen: einer schönen Gestalt, einem gewandten und gegen Hochstehende sehr demüthigen We¬ sen und — einer kalligraphischen Handschrift! Durch sein interessantes Aeußere lenkte er bereits als Assessor im Baireuthischen die Aufmerksamkeit und Gunst der Frauen auf sich und wurde in die Zirkel des Fürsten Harden- berg (damals noch Baron), der als dirigirender Minister die Fürstenthümer Anspach und Baireuth verwaltete, gezogen. Durch seine Gewandtheit und Demüthigkeit erwarb er sich dessen Gunst und wurde, mit wunder¬ bar schnellem Glücke, erster vortragender Rath beim Minister, ein Posten, der namentlich für einen Bürgerlichen in jener Zeit fast unerreichbar, be¬ sonders in noch so jugendlichem Alter, war. Als Hardenberg Minister der auswärtigen Angelegenheiten wurde, begleitete ihn Herr von Nagler nach Berlin und erhielt spater den wichtigen Auftrag, die fränkischen Fürstenthümer an die französische Verwaltung, dem Marschall Berna- dotte, zu übergeben. Dieser politische Act gab ihm eine Art von Nim¬ bus bei Hofe und als Friedrich Wilhelm til im Jahre 1806 Berlin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/497>, abgerufen am 24.11.2024.