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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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ich frei bin, alles Mögliche thun, um auch ihn zu befreien. Halte
aber nicht viel davon, denn er ist zu dumm und zu feig. Sieh Dir
ihn nur an, wie er dort ausgestreckt liegt, wie ein geschlachtetes Rind¬
vieh, da sind unsere neapolitanischen Schmuggler ganz andere Jungens;
die singen die schönsten Lieder, just wenn sie zur Galeere gehen.

Wie sie so sprach und die Hände begeistert aufhob, bemerkte ich
dunkle, blutunterlaufene Striemen an ihren Armen. Erschrocken fragte
ich, was das sei?-- Die gemeinen Niederträchtiger! rief sie und ballte
ihre Fäuste, sie haben ein schwaches Weib gebunden; nur'der Ver¬
liebtheit meines Feldwebels danke ich es, daß sie mich von den strik-
ten wieder befreiten. Nun, er wird seine Zärtlichkeit büßen müssen,
denn jetzt entspringe ich ihm gewiß. Hier hast Du den Strick, mit
dem ich gebunden war, Du kannst ihn zu meiner Locke legen, Du ge¬
fühlvoller deutscher Narr.

In diesem Augenblicke trat der Feldwebel heraus und gab Befehl
zum Aufbruche und wirklich setzte sich der Zug sogleich in Bewegung.
Zerina winkte mir noch aus weiter Ferne, aber noch bevor sie aus
meinen Blicken verschwand, konnte ich bemerken, daß sie mit dem Feld¬
webel, der neben ihr ritt, ein lebhaftes Gespräch begonnen hatte, und
daß dieser den andern, neben ihm reitenden Gendarmen den Befehl
gab, sich mehr an die vordem Wagen zu halten. Der Wirth, ein
Deutscher, der sah, mit welcher Theilnahme ich dem traurigen Zuge
nachblickte, trat zu mir, und gab mir noch manche Aufklärung. -- Ja,
sagte er, diese Neapolitanerin ist eine Here und des Tano böser Geist;
sie hat ihn in's Verderben gestürzt.

Früher war er ein ganz einfacher Schmuggler und die Berge die¬
ser Gegend und die Bewohner des Valtelinthales unterstützten ihn gern
in seinem Geschäfte, da auch Manches nebenbei für sie abfiel; seit die
Neapolitanerin bei ihm ist, legte er sich auf Räuberei. Das konnten
die guten Bauern deö Valtelinthales, die etwas auf ihren guten Ruf
halten, da er ihnen viele Fremde herbeizieht, nicht länger mit ansehen.
Und da vor Kurzem die Ausplünderung eines Engländers und die
Ermordung eines Grenzbeamten Lärm machte, so fingen sie den guten
^ano gestern ein und lieferten ihn mit seinen Gesellen an die Behörden von
Teramo aus. -- Es wird ihm schlecht gehen, dem armen Tano.

Komm ich ein Mal wieder in die Berge Neapels, dann kann ich
meinen Lesern die Geschichte Zerina's vielleicht weiter erzählen. Die
schwarze Locke und den blutbefleckten Strick besitze ich noch heute.




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ich frei bin, alles Mögliche thun, um auch ihn zu befreien. Halte
aber nicht viel davon, denn er ist zu dumm und zu feig. Sieh Dir
ihn nur an, wie er dort ausgestreckt liegt, wie ein geschlachtetes Rind¬
vieh, da sind unsere neapolitanischen Schmuggler ganz andere Jungens;
die singen die schönsten Lieder, just wenn sie zur Galeere gehen.

Wie sie so sprach und die Hände begeistert aufhob, bemerkte ich
dunkle, blutunterlaufene Striemen an ihren Armen. Erschrocken fragte
ich, was das sei?— Die gemeinen Niederträchtiger! rief sie und ballte
ihre Fäuste, sie haben ein schwaches Weib gebunden; nur'der Ver¬
liebtheit meines Feldwebels danke ich es, daß sie mich von den strik-
ten wieder befreiten. Nun, er wird seine Zärtlichkeit büßen müssen,
denn jetzt entspringe ich ihm gewiß. Hier hast Du den Strick, mit
dem ich gebunden war, Du kannst ihn zu meiner Locke legen, Du ge¬
fühlvoller deutscher Narr.

In diesem Augenblicke trat der Feldwebel heraus und gab Befehl
zum Aufbruche und wirklich setzte sich der Zug sogleich in Bewegung.
Zerina winkte mir noch aus weiter Ferne, aber noch bevor sie aus
meinen Blicken verschwand, konnte ich bemerken, daß sie mit dem Feld¬
webel, der neben ihr ritt, ein lebhaftes Gespräch begonnen hatte, und
daß dieser den andern, neben ihm reitenden Gendarmen den Befehl
gab, sich mehr an die vordem Wagen zu halten. Der Wirth, ein
Deutscher, der sah, mit welcher Theilnahme ich dem traurigen Zuge
nachblickte, trat zu mir, und gab mir noch manche Aufklärung. — Ja,
sagte er, diese Neapolitanerin ist eine Here und des Tano böser Geist;
sie hat ihn in's Verderben gestürzt.

Früher war er ein ganz einfacher Schmuggler und die Berge die¬
ser Gegend und die Bewohner des Valtelinthales unterstützten ihn gern
in seinem Geschäfte, da auch Manches nebenbei für sie abfiel; seit die
Neapolitanerin bei ihm ist, legte er sich auf Räuberei. Das konnten
die guten Bauern deö Valtelinthales, die etwas auf ihren guten Ruf
halten, da er ihnen viele Fremde herbeizieht, nicht länger mit ansehen.
Und da vor Kurzem die Ausplünderung eines Engländers und die
Ermordung eines Grenzbeamten Lärm machte, so fingen sie den guten
^ano gestern ein und lieferten ihn mit seinen Gesellen an die Behörden von
Teramo aus. — Es wird ihm schlecht gehen, dem armen Tano.

Komm ich ein Mal wieder in die Berge Neapels, dann kann ich
meinen Lesern die Geschichte Zerina's vielleicht weiter erzählen. Die
schwarze Locke und den blutbefleckten Strick besitze ich noch heute.




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[0451] ich frei bin, alles Mögliche thun, um auch ihn zu befreien. Halte aber nicht viel davon, denn er ist zu dumm und zu feig. Sieh Dir ihn nur an, wie er dort ausgestreckt liegt, wie ein geschlachtetes Rind¬ vieh, da sind unsere neapolitanischen Schmuggler ganz andere Jungens; die singen die schönsten Lieder, just wenn sie zur Galeere gehen. Wie sie so sprach und die Hände begeistert aufhob, bemerkte ich dunkle, blutunterlaufene Striemen an ihren Armen. Erschrocken fragte ich, was das sei?— Die gemeinen Niederträchtiger! rief sie und ballte ihre Fäuste, sie haben ein schwaches Weib gebunden; nur'der Ver¬ liebtheit meines Feldwebels danke ich es, daß sie mich von den strik- ten wieder befreiten. Nun, er wird seine Zärtlichkeit büßen müssen, denn jetzt entspringe ich ihm gewiß. Hier hast Du den Strick, mit dem ich gebunden war, Du kannst ihn zu meiner Locke legen, Du ge¬ fühlvoller deutscher Narr. In diesem Augenblicke trat der Feldwebel heraus und gab Befehl zum Aufbruche und wirklich setzte sich der Zug sogleich in Bewegung. Zerina winkte mir noch aus weiter Ferne, aber noch bevor sie aus meinen Blicken verschwand, konnte ich bemerken, daß sie mit dem Feld¬ webel, der neben ihr ritt, ein lebhaftes Gespräch begonnen hatte, und daß dieser den andern, neben ihm reitenden Gendarmen den Befehl gab, sich mehr an die vordem Wagen zu halten. Der Wirth, ein Deutscher, der sah, mit welcher Theilnahme ich dem traurigen Zuge nachblickte, trat zu mir, und gab mir noch manche Aufklärung. — Ja, sagte er, diese Neapolitanerin ist eine Here und des Tano böser Geist; sie hat ihn in's Verderben gestürzt. Früher war er ein ganz einfacher Schmuggler und die Berge die¬ ser Gegend und die Bewohner des Valtelinthales unterstützten ihn gern in seinem Geschäfte, da auch Manches nebenbei für sie abfiel; seit die Neapolitanerin bei ihm ist, legte er sich auf Räuberei. Das konnten die guten Bauern deö Valtelinthales, die etwas auf ihren guten Ruf halten, da er ihnen viele Fremde herbeizieht, nicht länger mit ansehen. Und da vor Kurzem die Ausplünderung eines Engländers und die Ermordung eines Grenzbeamten Lärm machte, so fingen sie den guten ^ano gestern ein und lieferten ihn mit seinen Gesellen an die Behörden von Teramo aus. — Es wird ihm schlecht gehen, dem armen Tano. Komm ich ein Mal wieder in die Berge Neapels, dann kann ich meinen Lesern die Geschichte Zerina's vielleicht weiter erzählen. Die schwarze Locke und den blutbefleckten Strick besitze ich noch heute. 56 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/451>, abgerufen am 24.11.2024.