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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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ter ein beurlaubter böhmischer Soldat von der Mailänder Garnison
gewesen. Er wollte sich, den Abend vor seiner Abreise in's Vaterland,
noch eine gute Stunde machen und war in eine Schenke gegangen,
um dem schwarzen Weine Valet zu sagen. Aber er war vom Wirthe
betrogen worden, darum fluchte er, als er ging, und dieser Fluch hat
mich gerettet. Wir gingen noch ein Mal in die verfluchte Schenke zu¬
rück und tranken zusammen auf den glücklichen Zufall und den segens¬
vollen Fluch. Da ich Fußwanderer war, machte ich ihm den Antrag,
ob wir unsere Rückreise in's Vaterland nicht zusammen antreten woll¬
ten und schon am andern Tage verließ ich, an der Seite meines Ret¬
ters die Stadt, in der ich italienische Liebe ganz und italienische Dolche
zum Theil kennen gelernt.


IV.

Fünf schöne Tage lang schwelgte ich in den Herrlichkeiten des
Eomer Sees, jenes schönen Traumes der Gottheit, jener ersten Ahnung
der Wunder Neapels, wenn man die Alpen hinabsteigt. Die Erin¬
nerung an Zerina begleitete mich und belebte mir jeden schönen Punkt,
jeden schattigen Platz, jede von den hingezauberten Villas. Endlich
gab ich dem Drängen meines Begleiters nach, der sich nach der Hei¬
mat!) sehnte und am sechsten Tage brachen wir von Varenna auf und
steuerten gegen Norden. In den Gallerten, die durch Felsen gehauen
gegen Eolico führen und mit ihrer cimmerischen Nacht dem dunklen
Gange gleichen, der die elysäischen Felder mit dem Tartarus verbindet,
wollte ich noch ein Mal meinem geliebten See Ade sagen und stieg in
eines jener durchgebrochenem Löcher, die wie hohle neidische Augen auf
den sonnigen Frieden der Ufer niederstarren. Mein Begleiter folgte
mir und wir standen so lange an den Felsen hängend, versunken in
den letzten lieblichen Blick Italiens. Plötzlich schallte dumpfes Ge¬
trappel aus dem finstern Gange zu uns herauf. Es kam schnell näher.
Wir sahen uns um und über den hellen Fleck vor uns, flüchtig wie
em Traum,, flog eine Schaar von Reitern auf Pferden und Maul-
thieren. In ihrer Mitte, auf einem kleinen schwarzen Neapolitaner --
Zerina! -- und neben ihr, wieder bäuerlich aufgeputzt, mit breitem
weißen Hute und kurzer schnurbesetzter Jacke Tano! -- Ein lauter
Schrei der Überraschung entfuhr mir. Schnell sprang ich vom Felsen
herab -- aber die ganze Schaar war schon im Dunkel des Ganges
verschwunden. Ich hätte Alles für einen Traum, für eine Verkör¬
perung meiner Phantasien gehalten, wäre das Getrappel der Pferde


Brenzboten. II. AH

ter ein beurlaubter böhmischer Soldat von der Mailänder Garnison
gewesen. Er wollte sich, den Abend vor seiner Abreise in's Vaterland,
noch eine gute Stunde machen und war in eine Schenke gegangen,
um dem schwarzen Weine Valet zu sagen. Aber er war vom Wirthe
betrogen worden, darum fluchte er, als er ging, und dieser Fluch hat
mich gerettet. Wir gingen noch ein Mal in die verfluchte Schenke zu¬
rück und tranken zusammen auf den glücklichen Zufall und den segens¬
vollen Fluch. Da ich Fußwanderer war, machte ich ihm den Antrag,
ob wir unsere Rückreise in's Vaterland nicht zusammen antreten woll¬
ten und schon am andern Tage verließ ich, an der Seite meines Ret¬
ters die Stadt, in der ich italienische Liebe ganz und italienische Dolche
zum Theil kennen gelernt.


IV.

Fünf schöne Tage lang schwelgte ich in den Herrlichkeiten des
Eomer Sees, jenes schönen Traumes der Gottheit, jener ersten Ahnung
der Wunder Neapels, wenn man die Alpen hinabsteigt. Die Erin¬
nerung an Zerina begleitete mich und belebte mir jeden schönen Punkt,
jeden schattigen Platz, jede von den hingezauberten Villas. Endlich
gab ich dem Drängen meines Begleiters nach, der sich nach der Hei¬
mat!) sehnte und am sechsten Tage brachen wir von Varenna auf und
steuerten gegen Norden. In den Gallerten, die durch Felsen gehauen
gegen Eolico führen und mit ihrer cimmerischen Nacht dem dunklen
Gange gleichen, der die elysäischen Felder mit dem Tartarus verbindet,
wollte ich noch ein Mal meinem geliebten See Ade sagen und stieg in
eines jener durchgebrochenem Löcher, die wie hohle neidische Augen auf
den sonnigen Frieden der Ufer niederstarren. Mein Begleiter folgte
mir und wir standen so lange an den Felsen hängend, versunken in
den letzten lieblichen Blick Italiens. Plötzlich schallte dumpfes Ge¬
trappel aus dem finstern Gange zu uns herauf. Es kam schnell näher.
Wir sahen uns um und über den hellen Fleck vor uns, flüchtig wie
em Traum,, flog eine Schaar von Reitern auf Pferden und Maul-
thieren. In ihrer Mitte, auf einem kleinen schwarzen Neapolitaner —
Zerina! — und neben ihr, wieder bäuerlich aufgeputzt, mit breitem
weißen Hute und kurzer schnurbesetzter Jacke Tano! — Ein lauter
Schrei der Überraschung entfuhr mir. Schnell sprang ich vom Felsen
herab — aber die ganze Schaar war schon im Dunkel des Ganges
verschwunden. Ich hätte Alles für einen Traum, für eine Verkör¬
perung meiner Phantasien gehalten, wäre das Getrappel der Pferde


Brenzboten. II. AH
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/449>, abgerufen am 27.11.2024.