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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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in fünf geographische Regionen getheilt, und, indem er die criminell
Angeschuldigten (vor Gericht Gestellten) im Vergleich zur Bevölke¬
rung als Grundlage seiner Untersuchungen macht, die, wie die unsri-
gen, unten folgenden, auf amtlichen Ermittelungen beruhen, folgende
Verschiedenheiten gefunden. Wegen angeschuldigten Verbrechens gegen
Personen -- wobei wir hier und in der ganzen nachfolgenden Unter¬
suchung stehen bleiben -- waren in den sechs Jahren von 1823--
1830 vor Gericht gezogen worden

in Südfrankreich 1 auf 11,003 Einwohner,
- Ostsrankreich 1 - 17,349
- Nordfrankreich 1 - 19,964
- Westfrankreich 1 - 20,984
- Mittelfrankreich I - 22,168

Im Süden also kamen noch einmal so viel blutige Verbrechen
vor, als im Mittelpunkte des Landes, das, mit seiner vielbesprochenen
Centralisation, gewiß wie wenig Andre, nach einem und demselben
Gesetztypus und nach derselben Verwaltungsnorm von der großen
Hauptstadt bis zum äußersten Grenzdörfchen regiert wird! Eben so
erhebliche Unterschiede ergaben sich bei Vergleichung der einzelnen
französischen Departements. Im Departement Corsica z. B. kam schon
Ein Angeschuldigter auf 2199 Einwohner, dergleichen erst 37014 im
Departement der Creuse Einen wegen Verbrechen gegen Personen vor
die Assisen stellten. Der gründliche und geistvolle Quetelet hat
ähnliche Erfahrungen aus den Provinzen des Königreiches Belgien
bekannt gemacht.

Lange Jahre früher, bevor diese und einige wenige andre, minder
erhebliche Thatsachen bekannt gemacht worden, hatte ich mein Augen¬
merk unausgesetzt auf den Gang der Verbrechen in den verschiedenen
Landestheilen der preußischen Monarchie gerichtet, und denselben nach
amtlichen, mir dazu bewilligten Berichten fortlaufend verfolgt, und
war sehr bald von der ansehnlichen Verschiedenheit überzeugt worden,
in welcher in den verschiedenen Provinzen und Regierungsbezirken des
"Staates sowohl die Verbrechen gegen Personen, als die gegen Sachen,
namentlich Brandstiftung, Forstfrevel u. s. w. fortwährend vorkommen.
Es gelang mir indeß nicht, aus den Regierungsverwaltungöberichten
ein vollständiges, keine Lücken lassendes Bild über die geographische
Vertheilung der Verbrechen im Lande zu gewinnen, da diese Berichte
hierüber kein ganz gleiches Schema einhalten, und oft die erheblichsten,
ganze Zeiträume umfassende Auslassungen der betreffenden Rubriken


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in fünf geographische Regionen getheilt, und, indem er die criminell
Angeschuldigten (vor Gericht Gestellten) im Vergleich zur Bevölke¬
rung als Grundlage seiner Untersuchungen macht, die, wie die unsri-
gen, unten folgenden, auf amtlichen Ermittelungen beruhen, folgende
Verschiedenheiten gefunden. Wegen angeschuldigten Verbrechens gegen
Personen — wobei wir hier und in der ganzen nachfolgenden Unter¬
suchung stehen bleiben — waren in den sechs Jahren von 1823—
1830 vor Gericht gezogen worden

in Südfrankreich 1 auf 11,003 Einwohner,
- Ostsrankreich 1 - 17,349
- Nordfrankreich 1 - 19,964
- Westfrankreich 1 - 20,984
- Mittelfrankreich I - 22,168

Im Süden also kamen noch einmal so viel blutige Verbrechen
vor, als im Mittelpunkte des Landes, das, mit seiner vielbesprochenen
Centralisation, gewiß wie wenig Andre, nach einem und demselben
Gesetztypus und nach derselben Verwaltungsnorm von der großen
Hauptstadt bis zum äußersten Grenzdörfchen regiert wird! Eben so
erhebliche Unterschiede ergaben sich bei Vergleichung der einzelnen
französischen Departements. Im Departement Corsica z. B. kam schon
Ein Angeschuldigter auf 2199 Einwohner, dergleichen erst 37014 im
Departement der Creuse Einen wegen Verbrechen gegen Personen vor
die Assisen stellten. Der gründliche und geistvolle Quetelet hat
ähnliche Erfahrungen aus den Provinzen des Königreiches Belgien
bekannt gemacht.

Lange Jahre früher, bevor diese und einige wenige andre, minder
erhebliche Thatsachen bekannt gemacht worden, hatte ich mein Augen¬
merk unausgesetzt auf den Gang der Verbrechen in den verschiedenen
Landestheilen der preußischen Monarchie gerichtet, und denselben nach
amtlichen, mir dazu bewilligten Berichten fortlaufend verfolgt, und
war sehr bald von der ansehnlichen Verschiedenheit überzeugt worden,
in welcher in den verschiedenen Provinzen und Regierungsbezirken des
«Staates sowohl die Verbrechen gegen Personen, als die gegen Sachen,
namentlich Brandstiftung, Forstfrevel u. s. w. fortwährend vorkommen.
Es gelang mir indeß nicht, aus den Regierungsverwaltungöberichten
ein vollständiges, keine Lücken lassendes Bild über die geographische
Vertheilung der Verbrechen im Lande zu gewinnen, da diese Berichte
hierüber kein ganz gleiches Schema einhalten, und oft die erheblichsten,
ganze Zeiträume umfassende Auslassungen der betreffenden Rubriken


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[0419] in fünf geographische Regionen getheilt, und, indem er die criminell Angeschuldigten (vor Gericht Gestellten) im Vergleich zur Bevölke¬ rung als Grundlage seiner Untersuchungen macht, die, wie die unsri- gen, unten folgenden, auf amtlichen Ermittelungen beruhen, folgende Verschiedenheiten gefunden. Wegen angeschuldigten Verbrechens gegen Personen — wobei wir hier und in der ganzen nachfolgenden Unter¬ suchung stehen bleiben — waren in den sechs Jahren von 1823— 1830 vor Gericht gezogen worden in Südfrankreich 1 auf 11,003 Einwohner, - Ostsrankreich 1 - 17,349 - Nordfrankreich 1 - 19,964 - Westfrankreich 1 - 20,984 - Mittelfrankreich I - 22,168 Im Süden also kamen noch einmal so viel blutige Verbrechen vor, als im Mittelpunkte des Landes, das, mit seiner vielbesprochenen Centralisation, gewiß wie wenig Andre, nach einem und demselben Gesetztypus und nach derselben Verwaltungsnorm von der großen Hauptstadt bis zum äußersten Grenzdörfchen regiert wird! Eben so erhebliche Unterschiede ergaben sich bei Vergleichung der einzelnen französischen Departements. Im Departement Corsica z. B. kam schon Ein Angeschuldigter auf 2199 Einwohner, dergleichen erst 37014 im Departement der Creuse Einen wegen Verbrechen gegen Personen vor die Assisen stellten. Der gründliche und geistvolle Quetelet hat ähnliche Erfahrungen aus den Provinzen des Königreiches Belgien bekannt gemacht. Lange Jahre früher, bevor diese und einige wenige andre, minder erhebliche Thatsachen bekannt gemacht worden, hatte ich mein Augen¬ merk unausgesetzt auf den Gang der Verbrechen in den verschiedenen Landestheilen der preußischen Monarchie gerichtet, und denselben nach amtlichen, mir dazu bewilligten Berichten fortlaufend verfolgt, und war sehr bald von der ansehnlichen Verschiedenheit überzeugt worden, in welcher in den verschiedenen Provinzen und Regierungsbezirken des «Staates sowohl die Verbrechen gegen Personen, als die gegen Sachen, namentlich Brandstiftung, Forstfrevel u. s. w. fortwährend vorkommen. Es gelang mir indeß nicht, aus den Regierungsverwaltungöberichten ein vollständiges, keine Lücken lassendes Bild über die geographische Vertheilung der Verbrechen im Lande zu gewinnen, da diese Berichte hierüber kein ganz gleiches Schema einhalten, und oft die erheblichsten, ganze Zeiträume umfassende Auslassungen der betreffenden Rubriken 52»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/419>, abgerufen am 25.08.2024.