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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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die Beteiligten reichlich nährenden Lohn, Ausgrabungen auf dem Fo¬
rum und an andern alterthümlich merkwürdigen Stätten beginnen.
Aber diese zwei Erwerbsquellen waren so wenig, als jener erste Steu¬
ererlaß für'S Allgemeine hinreichend; denn theils konnte im Verhält¬
niß zur brodlosen Volksmasse hier nur eine sehr unbedeutende Anzahl
beschäftigt werden, theils auch sind die Finanzverhältnisse des römi¬
schen Staates, d> h. nicht nur des Volkes, sondern auch der Regierung
selbst, zu zerrüttet, als daß letztere auf Ausgrabungen, die das hierzu
nöthige Capital nicht reichlich verzinsen, große Summen aufzuwenden
im Stande wäre."

"Inzwischen sann Leo mit seinen einsichtsvollen Räthen Micara,
Nicolai und andern, beständig auf Mittel, wodurch dem immer be¬
drohlicher hereinbrechenden Verderben vielleicht noch Einhalt gethan
werden könnte; und zu Anfang des Jahres 1829 schien der Papst
den festen Entschluß gefaßt zu haben, durch ein, im Collegium der
Cardinäle bald zu sanctionirendcs Gesetz alle Grundbesitzer der Cam-
pagna zu zwingen, daß sie entweder auf eigne Kosten das Land wie¬
der möglich urbar machen, oder im Weigerungsfalle dasselbe der Re¬
gierung zur Vertheilung an das Volk überlassen müßten. Die Kunde
von diesem neu projectirten Gesetz, dessen genauern Inhalt übrigens
Niemand mit Bestimmtheit erfahren, rief in den höhern Ständen eine
allgemeine, aber nur heimlich lind dumpf dahin schleichende Aufregung
hervor. Leo verstärkte damals ohne Aufsehen durch einen Privatbe-
sehl die Schweizerbesatzung im Vatican um's Doppelte, und ließ auch
die Posten unmittelbar vor seinen Vorzimmern zweifach besetzen, gleich¬
sam als ahnte er ein Unglück, das aus der bevorstehenden Promul-
gation jenes Gesetzes sich über seinem Haupte zusammenziehen sollte.
Aber diese Vorsicht konnte ihn nicht retten. Der Feind lag in einem
Hinterhalt nahe an seinem Herzen -- dort, wo der edle Wohlthäter
der verarmten Römer ihn nicht vermuthet. Noch ehe das Konsisto¬
rium, .in welchem die Campagna-Frage zur Entscheidung reifen sollte,
angesagt war, erkrankte Leo unerwartet und war nach wenigen Ta¬
gen -- eine Leiche. Ob er natürlichen Todes gestorben, weiß mit
Bestimmtheit nur Gott allein!!"

"Es ist wahr, daß Leo keine feste Körperconstitution mit sich auf
den Thron brachte. Schon in den erstell drei Jahren seines Pon-
tificats hatte er zwei gefährliche Krankheiten zu bestehen. Sie waren
von ganz eigenthümlicher Natur; die Aerzte wußten für sie keinen
Namen, und wenn man die sie begleitenden Nebenumstände, ramene-


die Beteiligten reichlich nährenden Lohn, Ausgrabungen auf dem Fo¬
rum und an andern alterthümlich merkwürdigen Stätten beginnen.
Aber diese zwei Erwerbsquellen waren so wenig, als jener erste Steu¬
ererlaß für'S Allgemeine hinreichend; denn theils konnte im Verhält¬
niß zur brodlosen Volksmasse hier nur eine sehr unbedeutende Anzahl
beschäftigt werden, theils auch sind die Finanzverhältnisse des römi¬
schen Staates, d> h. nicht nur des Volkes, sondern auch der Regierung
selbst, zu zerrüttet, als daß letztere auf Ausgrabungen, die das hierzu
nöthige Capital nicht reichlich verzinsen, große Summen aufzuwenden
im Stande wäre."

„Inzwischen sann Leo mit seinen einsichtsvollen Räthen Micara,
Nicolai und andern, beständig auf Mittel, wodurch dem immer be¬
drohlicher hereinbrechenden Verderben vielleicht noch Einhalt gethan
werden könnte; und zu Anfang des Jahres 1829 schien der Papst
den festen Entschluß gefaßt zu haben, durch ein, im Collegium der
Cardinäle bald zu sanctionirendcs Gesetz alle Grundbesitzer der Cam-
pagna zu zwingen, daß sie entweder auf eigne Kosten das Land wie¬
der möglich urbar machen, oder im Weigerungsfalle dasselbe der Re¬
gierung zur Vertheilung an das Volk überlassen müßten. Die Kunde
von diesem neu projectirten Gesetz, dessen genauern Inhalt übrigens
Niemand mit Bestimmtheit erfahren, rief in den höhern Ständen eine
allgemeine, aber nur heimlich lind dumpf dahin schleichende Aufregung
hervor. Leo verstärkte damals ohne Aufsehen durch einen Privatbe-
sehl die Schweizerbesatzung im Vatican um's Doppelte, und ließ auch
die Posten unmittelbar vor seinen Vorzimmern zweifach besetzen, gleich¬
sam als ahnte er ein Unglück, das aus der bevorstehenden Promul-
gation jenes Gesetzes sich über seinem Haupte zusammenziehen sollte.
Aber diese Vorsicht konnte ihn nicht retten. Der Feind lag in einem
Hinterhalt nahe an seinem Herzen — dort, wo der edle Wohlthäter
der verarmten Römer ihn nicht vermuthet. Noch ehe das Konsisto¬
rium, .in welchem die Campagna-Frage zur Entscheidung reifen sollte,
angesagt war, erkrankte Leo unerwartet und war nach wenigen Ta¬
gen — eine Leiche. Ob er natürlichen Todes gestorben, weiß mit
Bestimmtheit nur Gott allein!!"

„Es ist wahr, daß Leo keine feste Körperconstitution mit sich auf
den Thron brachte. Schon in den erstell drei Jahren seines Pon-
tificats hatte er zwei gefährliche Krankheiten zu bestehen. Sie waren
von ganz eigenthümlicher Natur; die Aerzte wußten für sie keinen
Namen, und wenn man die sie begleitenden Nebenumstände, ramene-


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[0350] die Beteiligten reichlich nährenden Lohn, Ausgrabungen auf dem Fo¬ rum und an andern alterthümlich merkwürdigen Stätten beginnen. Aber diese zwei Erwerbsquellen waren so wenig, als jener erste Steu¬ ererlaß für'S Allgemeine hinreichend; denn theils konnte im Verhält¬ niß zur brodlosen Volksmasse hier nur eine sehr unbedeutende Anzahl beschäftigt werden, theils auch sind die Finanzverhältnisse des römi¬ schen Staates, d> h. nicht nur des Volkes, sondern auch der Regierung selbst, zu zerrüttet, als daß letztere auf Ausgrabungen, die das hierzu nöthige Capital nicht reichlich verzinsen, große Summen aufzuwenden im Stande wäre." „Inzwischen sann Leo mit seinen einsichtsvollen Räthen Micara, Nicolai und andern, beständig auf Mittel, wodurch dem immer be¬ drohlicher hereinbrechenden Verderben vielleicht noch Einhalt gethan werden könnte; und zu Anfang des Jahres 1829 schien der Papst den festen Entschluß gefaßt zu haben, durch ein, im Collegium der Cardinäle bald zu sanctionirendcs Gesetz alle Grundbesitzer der Cam- pagna zu zwingen, daß sie entweder auf eigne Kosten das Land wie¬ der möglich urbar machen, oder im Weigerungsfalle dasselbe der Re¬ gierung zur Vertheilung an das Volk überlassen müßten. Die Kunde von diesem neu projectirten Gesetz, dessen genauern Inhalt übrigens Niemand mit Bestimmtheit erfahren, rief in den höhern Ständen eine allgemeine, aber nur heimlich lind dumpf dahin schleichende Aufregung hervor. Leo verstärkte damals ohne Aufsehen durch einen Privatbe- sehl die Schweizerbesatzung im Vatican um's Doppelte, und ließ auch die Posten unmittelbar vor seinen Vorzimmern zweifach besetzen, gleich¬ sam als ahnte er ein Unglück, das aus der bevorstehenden Promul- gation jenes Gesetzes sich über seinem Haupte zusammenziehen sollte. Aber diese Vorsicht konnte ihn nicht retten. Der Feind lag in einem Hinterhalt nahe an seinem Herzen — dort, wo der edle Wohlthäter der verarmten Römer ihn nicht vermuthet. Noch ehe das Konsisto¬ rium, .in welchem die Campagna-Frage zur Entscheidung reifen sollte, angesagt war, erkrankte Leo unerwartet und war nach wenigen Ta¬ gen — eine Leiche. Ob er natürlichen Todes gestorben, weiß mit Bestimmtheit nur Gott allein!!" „Es ist wahr, daß Leo keine feste Körperconstitution mit sich auf den Thron brachte. Schon in den erstell drei Jahren seines Pon- tificats hatte er zwei gefährliche Krankheiten zu bestehen. Sie waren von ganz eigenthümlicher Natur; die Aerzte wußten für sie keinen Namen, und wenn man die sie begleitenden Nebenumstände, ramene-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/350>, abgerufen am 24.11.2024.