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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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"Wie hieß dieser Cardinal?" fiel ich ein.

"8e non e poro, e den trop-tlo," entgegnete Paul. "Wenn auch
nicht buchstäblich wahr sein sollte, was ich Ihnen eben erzählt habe,
und zu seiner Zeit das allgemeine Stadtgespräch als öffentliches Ge¬
heimniß wenigstens leise von Mund zu Mund trug, so kann ich Sie
doch versichern, daß mit diesem einfachen Geschichtchen eine gewisse
Partei im Cardinalscollegium besser gezeichnet ist, als wenn ich Ih¬
nen eine lange moralische Abhandlung darüber gehalten hätte. Ver¬
gessen Sie den bezeichnenden, aristokratischen Uebermuth dieses Kar¬
dinals nicht bei dem, was ich Ihnen nun ferner gestehen will. Der
adelige Herr bildet nur die komische Einleitung zu einem tragischen
Schlüsse, und hat mit dem übrigen Verlauf meiner Erzählung weiter
nichts zu schaffen."

"Leo fand die niedern Volksklassen in einer grenzenlosen Armuth
und (es schmerzt mich, dies beifügen zu müssen) in einer fast ebenso
großen Demoralisation. Schon vor der Thronbesteigung hatte er be¬
deutende Geldsummen aus seiner Privatcasse in die Hütten der Ar-
muth gesendet. Als Papst verminderte er die Abgaben der meisten
Gewerbtreibenden und deckte die in den Staatseinkünsten daraus sich
ergebende Lücke durch Einziehung der Sinecuren, Verminderung der
Ehrenämter und Umgehung mancher, nur zu seiner persönlichen Ver¬
herrlichung dienenden Festlichkeit. Doch dies war nur eine unbedeu-
tende Hülfe. Das Grundübel des Kirchenstaates hat durch das ver¬
jährte Unglück der Campagna bereits zu tiefe Wurzeln geschlagen. Eine
ganze Provinz ist dadurch brodlos geworden."

"Im Jahre 1826 wollte Leo durch einen, unter den gegebenen
Verhältnissen beinahe zu kühnen Schritt die Noth seines Landes mit
Einem Schlag beseitigen. Er hatte nämlich damals die Absicht, el.
nen wahren Staat des Friedens zu stiften, d. h. die stehende Heeres¬
macht zu verabschieden und die dadurch ersparte Summe zum Ankauf
und zur Cultivirung der Campagna zu verwenden. Mit Bedauern
muß ich beifügen, daß dies schöne Project an der Politik auswärtiger
Kabinette gescheitert. Da es Leo hierdurch unmöglich gemacht war,
der allgemeinen Noth jener Provinz, und mit ihr zugleich dem tiefsten
Krebsschaden um Rom zu begegnen, so that er doch wenigstens für
einzelne Bewohner so viel, als ihm zu leisten noch möglich wurde. Er
beschäftigte nämlich einen Theil der herum vagabundirenden Bettler,
gegen Zahlung eines guten Tagelohnö, auf den kleinen Bezirken der
Campagna, die dem Staate gehören; und ließ, ebenfalls gegen einen,


„Wie hieß dieser Cardinal?" fiel ich ein.

„8e non e poro, e den trop-tlo," entgegnete Paul. „Wenn auch
nicht buchstäblich wahr sein sollte, was ich Ihnen eben erzählt habe,
und zu seiner Zeit das allgemeine Stadtgespräch als öffentliches Ge¬
heimniß wenigstens leise von Mund zu Mund trug, so kann ich Sie
doch versichern, daß mit diesem einfachen Geschichtchen eine gewisse
Partei im Cardinalscollegium besser gezeichnet ist, als wenn ich Ih¬
nen eine lange moralische Abhandlung darüber gehalten hätte. Ver¬
gessen Sie den bezeichnenden, aristokratischen Uebermuth dieses Kar¬
dinals nicht bei dem, was ich Ihnen nun ferner gestehen will. Der
adelige Herr bildet nur die komische Einleitung zu einem tragischen
Schlüsse, und hat mit dem übrigen Verlauf meiner Erzählung weiter
nichts zu schaffen."

„Leo fand die niedern Volksklassen in einer grenzenlosen Armuth
und (es schmerzt mich, dies beifügen zu müssen) in einer fast ebenso
großen Demoralisation. Schon vor der Thronbesteigung hatte er be¬
deutende Geldsummen aus seiner Privatcasse in die Hütten der Ar-
muth gesendet. Als Papst verminderte er die Abgaben der meisten
Gewerbtreibenden und deckte die in den Staatseinkünsten daraus sich
ergebende Lücke durch Einziehung der Sinecuren, Verminderung der
Ehrenämter und Umgehung mancher, nur zu seiner persönlichen Ver¬
herrlichung dienenden Festlichkeit. Doch dies war nur eine unbedeu-
tende Hülfe. Das Grundübel des Kirchenstaates hat durch das ver¬
jährte Unglück der Campagna bereits zu tiefe Wurzeln geschlagen. Eine
ganze Provinz ist dadurch brodlos geworden."

„Im Jahre 1826 wollte Leo durch einen, unter den gegebenen
Verhältnissen beinahe zu kühnen Schritt die Noth seines Landes mit
Einem Schlag beseitigen. Er hatte nämlich damals die Absicht, el.
nen wahren Staat des Friedens zu stiften, d. h. die stehende Heeres¬
macht zu verabschieden und die dadurch ersparte Summe zum Ankauf
und zur Cultivirung der Campagna zu verwenden. Mit Bedauern
muß ich beifügen, daß dies schöne Project an der Politik auswärtiger
Kabinette gescheitert. Da es Leo hierdurch unmöglich gemacht war,
der allgemeinen Noth jener Provinz, und mit ihr zugleich dem tiefsten
Krebsschaden um Rom zu begegnen, so that er doch wenigstens für
einzelne Bewohner so viel, als ihm zu leisten noch möglich wurde. Er
beschäftigte nämlich einen Theil der herum vagabundirenden Bettler,
gegen Zahlung eines guten Tagelohnö, auf den kleinen Bezirken der
Campagna, die dem Staate gehören; und ließ, ebenfalls gegen einen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/349>, abgerufen am 24.11.2024.