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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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zcugung unterstützt und getragen wird -- so verfehlt es den größten
Theil des Zieles und die deutsche wie die ausländische Presse fällt mit
Hohn darüber her oder verstopft sich die Ohren, um ja nicht zu hören.

Es ist ein wunderbares und lehrreiches Schauspiel, das die öffent¬
liche Meinung in diesem Augenblicke Oesterreich gegenüber bietet. Die¬
selben Blätter, denen kein Stein zu schwer ist,>um ihn aufOesterreich
zu schleudern, sind voll Feuer und blinder Lobpreisung Preußens; die¬
selben Stimmen, die voll Polenhaß für die Aufrechterhaltung deutscher
Herrschaft in preußisch Polen donnern, sind voll Polenzärtlichkeit gegen¬
über Oesterreich. Wir begreifen dies Alles wo es sich um vor¬
ausgegangene Dinge handelt. -- Preußen hat, wie in Allem so auch
in den polnischen Sachen, die dreißig Jahre die seit dem wiener Frie¬
den verflossen sind, besser zu benutzen gewußt, als Oesterreich. Aber
wir begreifen diese Parteilichkeit nicht, in Bezug auf die Nepressiv-
Maßregeln, die beide Regierungen zur Unterdrückung des Polenauf-
standcs gebraucht haben. Preußen ist wahrlich nicht zärtlicher mit den
Verschworenen umgegangen als Oesterreich; wenn ein glücklicher Zu¬
fall es vor Blutvergießen verhinderte, so ist das eben seinem guten
Stern und seiner bessern Wachsamkeit zuzuschreiben -- aber die preu¬
ßischen Batterien waren mit nicht sanftem Kartätschen als die öster¬
reichischen geladen und sie hätten eben auch keine schmachtende
Mondscheinarien gesungen, wenn sie wie die Oesterreicher durch
einen Angriff geeöthigt gewesen wären, hinein zu brummen. Von
der Bauernhilfe, die Oesterreich jetzt so theuer bezahlen mußte, hätte
Preußen eben so gut Gebrauch gemacht, wenn es ihm an Mann¬
schaft gefehlt hätte. Nicht um ein Haar unterschied sich das Repres-
sivsyffem Preußens von dem Oesterreichs und doch sind selbst die
liberalsten Blatter auf seiner Seite, während selbst die servilsten sei¬
ner Zeitungen gegen Oesterreich offene und verdeckte Stöße führen.
In Bezug auf Posen gab es keine Anklage gegen die Polen, die nicht
bei der deutschen Presse Gläubigkeit gefunden hätte: Vergiftung der
Officiere, Decimirung der Soldaten u. f. w. In Bezug auf Gali-
zien ist es umgekehrt, da gibt es kein Verbrechen, daß man nicht
der Regierung zuschiebt, da ist sie es durchaus, welche die Bauern¬
preise für jeden Kopf ausgeschrieben, da ist sie es, welche den Aus¬
bruch der Revolution heimlich provozirt hat, um den Adel dezimiren
zu können.

Wird man in Oesterreich nun glauben, daß man die Anemonen
liest? Wird man nun glauben, daß es eine öffentliche Meinung gibt,
die um so furchtbarer und leidenschaftlicher sich rächt, je mehr man
sie zu ignoriren sich bemühte?' Wird es nun glauben, daß man den
bösen Leumund nicht durch Verbote von ganzen Verlagshandlungen
bekämpft *) ?



*) Wir begegnen so eben dem, gegen den sämmtlichen Verlag von Otto
Wigand und Philipp Reclam geschleuderten Mandat der österreichischen Cen-

zcugung unterstützt und getragen wird — so verfehlt es den größten
Theil des Zieles und die deutsche wie die ausländische Presse fällt mit
Hohn darüber her oder verstopft sich die Ohren, um ja nicht zu hören.

Es ist ein wunderbares und lehrreiches Schauspiel, das die öffent¬
liche Meinung in diesem Augenblicke Oesterreich gegenüber bietet. Die¬
selben Blätter, denen kein Stein zu schwer ist,>um ihn aufOesterreich
zu schleudern, sind voll Feuer und blinder Lobpreisung Preußens; die¬
selben Stimmen, die voll Polenhaß für die Aufrechterhaltung deutscher
Herrschaft in preußisch Polen donnern, sind voll Polenzärtlichkeit gegen¬
über Oesterreich. Wir begreifen dies Alles wo es sich um vor¬
ausgegangene Dinge handelt. — Preußen hat, wie in Allem so auch
in den polnischen Sachen, die dreißig Jahre die seit dem wiener Frie¬
den verflossen sind, besser zu benutzen gewußt, als Oesterreich. Aber
wir begreifen diese Parteilichkeit nicht, in Bezug auf die Nepressiv-
Maßregeln, die beide Regierungen zur Unterdrückung des Polenauf-
standcs gebraucht haben. Preußen ist wahrlich nicht zärtlicher mit den
Verschworenen umgegangen als Oesterreich; wenn ein glücklicher Zu¬
fall es vor Blutvergießen verhinderte, so ist das eben seinem guten
Stern und seiner bessern Wachsamkeit zuzuschreiben — aber die preu¬
ßischen Batterien waren mit nicht sanftem Kartätschen als die öster¬
reichischen geladen und sie hätten eben auch keine schmachtende
Mondscheinarien gesungen, wenn sie wie die Oesterreicher durch
einen Angriff geeöthigt gewesen wären, hinein zu brummen. Von
der Bauernhilfe, die Oesterreich jetzt so theuer bezahlen mußte, hätte
Preußen eben so gut Gebrauch gemacht, wenn es ihm an Mann¬
schaft gefehlt hätte. Nicht um ein Haar unterschied sich das Repres-
sivsyffem Preußens von dem Oesterreichs und doch sind selbst die
liberalsten Blatter auf seiner Seite, während selbst die servilsten sei¬
ner Zeitungen gegen Oesterreich offene und verdeckte Stöße führen.
In Bezug auf Posen gab es keine Anklage gegen die Polen, die nicht
bei der deutschen Presse Gläubigkeit gefunden hätte: Vergiftung der
Officiere, Decimirung der Soldaten u. f. w. In Bezug auf Gali-
zien ist es umgekehrt, da gibt es kein Verbrechen, daß man nicht
der Regierung zuschiebt, da ist sie es durchaus, welche die Bauern¬
preise für jeden Kopf ausgeschrieben, da ist sie es, welche den Aus¬
bruch der Revolution heimlich provozirt hat, um den Adel dezimiren
zu können.

Wird man in Oesterreich nun glauben, daß man die Anemonen
liest? Wird man nun glauben, daß es eine öffentliche Meinung gibt,
die um so furchtbarer und leidenschaftlicher sich rächt, je mehr man
sie zu ignoriren sich bemühte?' Wird es nun glauben, daß man den
bösen Leumund nicht durch Verbote von ganzen Verlagshandlungen
bekämpft *) ?



*) Wir begegnen so eben dem, gegen den sämmtlichen Verlag von Otto
Wigand und Philipp Reclam geschleuderten Mandat der österreichischen Cen-
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[0035] zcugung unterstützt und getragen wird — so verfehlt es den größten Theil des Zieles und die deutsche wie die ausländische Presse fällt mit Hohn darüber her oder verstopft sich die Ohren, um ja nicht zu hören. Es ist ein wunderbares und lehrreiches Schauspiel, das die öffent¬ liche Meinung in diesem Augenblicke Oesterreich gegenüber bietet. Die¬ selben Blätter, denen kein Stein zu schwer ist,>um ihn aufOesterreich zu schleudern, sind voll Feuer und blinder Lobpreisung Preußens; die¬ selben Stimmen, die voll Polenhaß für die Aufrechterhaltung deutscher Herrschaft in preußisch Polen donnern, sind voll Polenzärtlichkeit gegen¬ über Oesterreich. Wir begreifen dies Alles wo es sich um vor¬ ausgegangene Dinge handelt. — Preußen hat, wie in Allem so auch in den polnischen Sachen, die dreißig Jahre die seit dem wiener Frie¬ den verflossen sind, besser zu benutzen gewußt, als Oesterreich. Aber wir begreifen diese Parteilichkeit nicht, in Bezug auf die Nepressiv- Maßregeln, die beide Regierungen zur Unterdrückung des Polenauf- standcs gebraucht haben. Preußen ist wahrlich nicht zärtlicher mit den Verschworenen umgegangen als Oesterreich; wenn ein glücklicher Zu¬ fall es vor Blutvergießen verhinderte, so ist das eben seinem guten Stern und seiner bessern Wachsamkeit zuzuschreiben — aber die preu¬ ßischen Batterien waren mit nicht sanftem Kartätschen als die öster¬ reichischen geladen und sie hätten eben auch keine schmachtende Mondscheinarien gesungen, wenn sie wie die Oesterreicher durch einen Angriff geeöthigt gewesen wären, hinein zu brummen. Von der Bauernhilfe, die Oesterreich jetzt so theuer bezahlen mußte, hätte Preußen eben so gut Gebrauch gemacht, wenn es ihm an Mann¬ schaft gefehlt hätte. Nicht um ein Haar unterschied sich das Repres- sivsyffem Preußens von dem Oesterreichs und doch sind selbst die liberalsten Blatter auf seiner Seite, während selbst die servilsten sei¬ ner Zeitungen gegen Oesterreich offene und verdeckte Stöße führen. In Bezug auf Posen gab es keine Anklage gegen die Polen, die nicht bei der deutschen Presse Gläubigkeit gefunden hätte: Vergiftung der Officiere, Decimirung der Soldaten u. f. w. In Bezug auf Gali- zien ist es umgekehrt, da gibt es kein Verbrechen, daß man nicht der Regierung zuschiebt, da ist sie es durchaus, welche die Bauern¬ preise für jeden Kopf ausgeschrieben, da ist sie es, welche den Aus¬ bruch der Revolution heimlich provozirt hat, um den Adel dezimiren zu können. Wird man in Oesterreich nun glauben, daß man die Anemonen liest? Wird man nun glauben, daß es eine öffentliche Meinung gibt, die um so furchtbarer und leidenschaftlicher sich rächt, je mehr man sie zu ignoriren sich bemühte?' Wird es nun glauben, daß man den bösen Leumund nicht durch Verbote von ganzen Verlagshandlungen bekämpft *) ? *) Wir begegnen so eben dem, gegen den sämmtlichen Verlag von Otto Wigand und Philipp Reclam geschleuderten Mandat der österreichischen Cen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/35>, abgerufen am 24.11.2024.