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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Uebrigens ist von dem diesjährigen Osterbundestag kein einziger her¬
vorstechender Zug zu berichten, nicht einmal der Sklavenhandel wurde
abgeschafft, wie doch der frankfurter Bundestag, um einem dringenden
Bedürfniß in Deutschland entgegen zu kommen, im Laufe des vorigen
Jahres glorreich decretirte. Im Gegentheil wurde der Negerhandel, mit
den an den Küsten von Frankreich und England geraubten Romanen, wo
möglich in noch größerem Maßstabe als je betrieben, und eine ganze
Masse dummer Schwarzer wurde abermals, zur Anpflanzung des süßen
Zuckerrohrs in unseren Leihbibliotheken, in unsere Colonien übersetzt. Die¬
ser Negcrhandel soll übrigens abermals als der lucrativste Zweig deut¬
schen Buchhandels sich erwiesen haben! Ein so glänzendes Geschäft, wie
Otto Wigand vor zwei Jahren mit den "Musteret de Paris"'gemacht hat,
wußte die diesjährige Buchhändlermesse zwar nicht auszuweisen; grade weil
so Viele in diese Bahn sich stürzten, blieb keinem einzigen der Haupt¬
schlag. Indessen "rühmt" man der Frankhschen Buchhandlung in Stutt¬
gart mit ihrem " belletristischen Ausland" eine der größten Einnahmen
auf der diesjährigen Messe nach.'

Auf dem Gebiete unserer Nationalliteratur steht Humbolds Kosmos
als eine überragende Erscheinung nicht blos in seinem Inhalt, sondern
auch in seinem Absätze da. Es sind nämlich innerhalb des Jahres drei¬
zehn Tausend Exemplare verkauft worden!!

Großes Aufsehen machte in den letzten Tagen der Messe Otto Wi-
gandS Widerruf seiner bekannten Erklärung gegen Oesterreich. Da noch
alle österreichischen Buchhändler anwesend waren, die um die wirkliche
Existenz jenes von der wiener Censurbehörde gegen Wigand und Reclam
erlassenen Rundschreibens wußten und da kurz zuvor das sächsische Mini¬
sterium in einem Rundschreiben an die leipziger Buchhändler auf jenes
österreichische Actenstück sich bezog, so war Wigand's Widerruf um so
eclatantcr, als Wigand darin sagte: Es habe sich herausgestellt, daß ein
k. k. Publicandum erwähnten Inhalts im Bereiche der österreichischen
Staaten nicht erschienen ist.

Der Accent dieser Erklärung ist auf das erschienen zu legen.
In der That ist das famose Decret des Herrn Hölzel blos den Buch¬
händlern mitgetheilt worden und (wie alle Eensurangelegenheiten in Oe¬
sterreich) dem Publicum verheimlicht geblieben. "Indessen können wir
es nicht verhehlen, daß dieser Widerruf eine Doppelzüngigkeit hat, die Je¬
dermann verletzt. Herrn Wigand's erste Erklärung war in ihrer dekla¬
matorischen Art kein Meisterstück, seine zweite ist in ihrer diplomatischen
Weise jedoch noch viel unglücklicher. Man hat in letzteren Tagen in den
buchhändlerischen und schriftstellerischen Kreisen sehr harte Urtheile über
Herrn Otto Wigand fällen hören. So viel uns zu Ohren kam, ist der
Sachverhalt in diesem "Untere cis I^vis,"!":" folgender: Herr Wigand
hat gleich nach seiner ersten fulminanten Erklärung bei der österreichi¬
schen Negierung Schritte gethan, um jenes für seine Verlagshandlung
so bedeutende, den Wohlstand seines Geschäfts untergrabende, Verbot wie¬
der abzuwenden. Nebst diesem officiellen Schritt wendete sich Herr Wi¬
gand auch noch an einen ihm befreundeten einflußreichen Beamten in


Uebrigens ist von dem diesjährigen Osterbundestag kein einziger her¬
vorstechender Zug zu berichten, nicht einmal der Sklavenhandel wurde
abgeschafft, wie doch der frankfurter Bundestag, um einem dringenden
Bedürfniß in Deutschland entgegen zu kommen, im Laufe des vorigen
Jahres glorreich decretirte. Im Gegentheil wurde der Negerhandel, mit
den an den Küsten von Frankreich und England geraubten Romanen, wo
möglich in noch größerem Maßstabe als je betrieben, und eine ganze
Masse dummer Schwarzer wurde abermals, zur Anpflanzung des süßen
Zuckerrohrs in unseren Leihbibliotheken, in unsere Colonien übersetzt. Die¬
ser Negcrhandel soll übrigens abermals als der lucrativste Zweig deut¬
schen Buchhandels sich erwiesen haben! Ein so glänzendes Geschäft, wie
Otto Wigand vor zwei Jahren mit den „Musteret de Paris"'gemacht hat,
wußte die diesjährige Buchhändlermesse zwar nicht auszuweisen; grade weil
so Viele in diese Bahn sich stürzten, blieb keinem einzigen der Haupt¬
schlag. Indessen „rühmt" man der Frankhschen Buchhandlung in Stutt¬
gart mit ihrem „ belletristischen Ausland" eine der größten Einnahmen
auf der diesjährigen Messe nach.'

Auf dem Gebiete unserer Nationalliteratur steht Humbolds Kosmos
als eine überragende Erscheinung nicht blos in seinem Inhalt, sondern
auch in seinem Absätze da. Es sind nämlich innerhalb des Jahres drei¬
zehn Tausend Exemplare verkauft worden!!

Großes Aufsehen machte in den letzten Tagen der Messe Otto Wi-
gandS Widerruf seiner bekannten Erklärung gegen Oesterreich. Da noch
alle österreichischen Buchhändler anwesend waren, die um die wirkliche
Existenz jenes von der wiener Censurbehörde gegen Wigand und Reclam
erlassenen Rundschreibens wußten und da kurz zuvor das sächsische Mini¬
sterium in einem Rundschreiben an die leipziger Buchhändler auf jenes
österreichische Actenstück sich bezog, so war Wigand's Widerruf um so
eclatantcr, als Wigand darin sagte: Es habe sich herausgestellt, daß ein
k. k. Publicandum erwähnten Inhalts im Bereiche der österreichischen
Staaten nicht erschienen ist.

Der Accent dieser Erklärung ist auf das erschienen zu legen.
In der That ist das famose Decret des Herrn Hölzel blos den Buch¬
händlern mitgetheilt worden und (wie alle Eensurangelegenheiten in Oe¬
sterreich) dem Publicum verheimlicht geblieben. «Indessen können wir
es nicht verhehlen, daß dieser Widerruf eine Doppelzüngigkeit hat, die Je¬
dermann verletzt. Herrn Wigand's erste Erklärung war in ihrer dekla¬
matorischen Art kein Meisterstück, seine zweite ist in ihrer diplomatischen
Weise jedoch noch viel unglücklicher. Man hat in letzteren Tagen in den
buchhändlerischen und schriftstellerischen Kreisen sehr harte Urtheile über
Herrn Otto Wigand fällen hören. So viel uns zu Ohren kam, ist der
Sachverhalt in diesem „Untere cis I^vis,»!«:" folgender: Herr Wigand
hat gleich nach seiner ersten fulminanten Erklärung bei der österreichi¬
schen Negierung Schritte gethan, um jenes für seine Verlagshandlung
so bedeutende, den Wohlstand seines Geschäfts untergrabende, Verbot wie¬
der abzuwenden. Nebst diesem officiellen Schritt wendete sich Herr Wi¬
gand auch noch an einen ihm befreundeten einflußreichen Beamten in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/326>, abgerufen am 24.11.2024.