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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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bilden." Wir sollen nun von den Franzosen lernen, die Anarchie, welche
in dem Gebiete der Erkenntniß herrscht, aufheben und einen Gemein-
willen hervorbringen, sollen an der Franzosen Hand, oder doch durch
ihr Beispiel angeregt, uns auf das Gebiet "deö gemeinsamen Han¬
delns" begeben. Von französischer Seite kommt dann hier und da ein
ähnlicher Wunsch entgegen. Rüge führt Aeußerungen eines Franzosen
an, welcher sagt: "Die Franzosen sind theoretisch, die Deutschen
praktisch unfrei. Die Deutschen brauchen die Franzosen, aber viel¬
leicht noch nöthiger haben wir Franzosen die Deutschen, ihre Philo¬
sophie und vornehmlich ihre Kritik der Religion.... Frankreich hat
den Klerus aus der politischen Welt entfernt; es hat ihn weder aus
den Taschen noch ans den Gemüthern der Franzosen vertrieben. Frank¬
reich täuscht sich, Frankreich verliert sich durch Religion." Die Fran¬
zosen, meint dieser Franzose, müßten in dieser Beziehung zu Deutschen
werden, "zu Deutschen, die jeden Tag die Verweltlichung aller ihrer
Priester, die Verwandlung der illusorischen Wissenschaft (der Theolo¬
gie) in die wirkliche (die Anthropologie, nach Feuerbach) decretiren
(decretiren!) könnten (könnten!)." "pour <Z"Mvrer !-l I^r-meo it Kind
I-t <I.!cIniL<i!misvi-." Es ist augenscheinlich, daß eine gründliche Um¬
bildung der französischen Welt ohne die Kritik der Religion, ohne die
Verwandlung derselben in Wissenschaft, der Kirche in die Schule, der
Mildthätigkeit gegen Einzelne in Gerechtigkeit gegen Alle, nicht mög¬
lich ist." Rüge gibt dann seinem französischen Freunde zu, daß, da
die Franzosen das Christenthum noch nicht vergessen können und sehr
Unrecht thäten, es ignoriren zu wollen, wo es noch in gutem Anden¬
ken ist, für sie nichts übrig bleibe, als sich gründlicher mit der theore¬
tischen Behandlung der Religion zu beschäftigen; und dazu eben möchte
er mithelfen und etwas thun, was den Franzosen nicht minder als uns
Deutschen selbst zu Gute käme. Denn "selbst unsere Philosophie."
sagt er an einer andern Stelle, "worin wir jetzt einen Schritt vor den
Franzosen voraus haben, wird nicht eher zur Macht werden, als bis
sie in Paris und mit französischem Geiste auftritt."

Ruge's erster Versuch, zu solcher Vermittlung oder Ausgleichung der
beiden Volkögeister mitzuhelfen, bestand in dem Unternehmen, ein deutsch-
französisches Journal zu gründen. Von diesem Unternehmen wird gleich
mehr die Rede sein. Daß dasselbe scheiterte, ist bekannt. Dessenungeachtet hat
Rüge die Sache selbst noch nicht aufgegeben, und einen zweiten Versuch
in bescheideneren Maßstabe liefert ein Aussatz unter dem Titel: "Unsere


Gr-nzbvten, 184". II. Zlj

bilden." Wir sollen nun von den Franzosen lernen, die Anarchie, welche
in dem Gebiete der Erkenntniß herrscht, aufheben und einen Gemein-
willen hervorbringen, sollen an der Franzosen Hand, oder doch durch
ihr Beispiel angeregt, uns auf das Gebiet „deö gemeinsamen Han¬
delns" begeben. Von französischer Seite kommt dann hier und da ein
ähnlicher Wunsch entgegen. Rüge führt Aeußerungen eines Franzosen
an, welcher sagt: „Die Franzosen sind theoretisch, die Deutschen
praktisch unfrei. Die Deutschen brauchen die Franzosen, aber viel¬
leicht noch nöthiger haben wir Franzosen die Deutschen, ihre Philo¬
sophie und vornehmlich ihre Kritik der Religion.... Frankreich hat
den Klerus aus der politischen Welt entfernt; es hat ihn weder aus
den Taschen noch ans den Gemüthern der Franzosen vertrieben. Frank¬
reich täuscht sich, Frankreich verliert sich durch Religion." Die Fran¬
zosen, meint dieser Franzose, müßten in dieser Beziehung zu Deutschen
werden, „zu Deutschen, die jeden Tag die Verweltlichung aller ihrer
Priester, die Verwandlung der illusorischen Wissenschaft (der Theolo¬
gie) in die wirkliche (die Anthropologie, nach Feuerbach) decretiren
(decretiren!) könnten (könnten!)." „pour <Z«Mvrer !-l I^r-meo it Kind
I-t <I.!cIniL<i!misvi-." Es ist augenscheinlich, daß eine gründliche Um¬
bildung der französischen Welt ohne die Kritik der Religion, ohne die
Verwandlung derselben in Wissenschaft, der Kirche in die Schule, der
Mildthätigkeit gegen Einzelne in Gerechtigkeit gegen Alle, nicht mög¬
lich ist." Rüge gibt dann seinem französischen Freunde zu, daß, da
die Franzosen das Christenthum noch nicht vergessen können und sehr
Unrecht thäten, es ignoriren zu wollen, wo es noch in gutem Anden¬
ken ist, für sie nichts übrig bleibe, als sich gründlicher mit der theore¬
tischen Behandlung der Religion zu beschäftigen; und dazu eben möchte
er mithelfen und etwas thun, was den Franzosen nicht minder als uns
Deutschen selbst zu Gute käme. Denn „selbst unsere Philosophie."
sagt er an einer andern Stelle, „worin wir jetzt einen Schritt vor den
Franzosen voraus haben, wird nicht eher zur Macht werden, als bis
sie in Paris und mit französischem Geiste auftritt."

Ruge's erster Versuch, zu solcher Vermittlung oder Ausgleichung der
beiden Volkögeister mitzuhelfen, bestand in dem Unternehmen, ein deutsch-
französisches Journal zu gründen. Von diesem Unternehmen wird gleich
mehr die Rede sein. Daß dasselbe scheiterte, ist bekannt. Dessenungeachtet hat
Rüge die Sache selbst noch nicht aufgegeben, und einen zweiten Versuch
in bescheideneren Maßstabe liefert ein Aussatz unter dem Titel: „Unsere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/241>, abgerufen am 24.11.2024.