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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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stark aufgewühlt gewesen, als sei hier ein Kampf auf Tod und Leben
vorgefallen. Aber es konnte auch ein Sturz mit dem Pferde die Ur¬
sache sein, Noch an demselben Abende hatte sich aber der Verdacht
auf Hobländer geworfen. Dieser war in einem sehr verstörten Zu¬
stande, man wußte nicht woher, gekommen und hatte allerhand Reden
von einem Pferde geführt, das er habe greifen wollen, man hatte ihn
befragt, da er aber noch vollständig betrunken gewesen, hatte man keine
genügende Antwort erhalten, bis man unläugbare Blutspuren an sei¬
ner rechten Hand entdeckt und ihn nun visttirt hatte, wo sich in seiner
Tasche ein Cigarrenetui gefunden, das der Fabrikherr augenblicklich
für das Eigenthum des Verunglückten erkannte. Auf diese Anzeichen
war der Trunkenbold, der jetzt weinend in völlige Verwirrung ge¬
rathen, sofort in Haft gebracht und die Untersuchung gegen ihn ein¬
geleitet worden, die jedoch kein befriedigendes Resultat ergeben hatte,
weil Hobländer die That, die er im Rausche begangen haben sollte,
eben so hartnäckig lciugnete, als die Beschuldigung, den Ermordeten
noch beraubt zu haben -- denn allerdings hatte man bei ihm keine
Brieftasche mehr gefunden. Er war also zu vorläufiger Detention,
da man die Acten noch nicht für geschlossen ansah, einer Strafanstalt
überwiesen worden. -- Diese betrübenden Nachrichten hatte der aus
Amerika heimkehrende Greis von seinem einzigen, noch übrigen Ver¬
wandten erhalten und als er ihn selbst in dem Orte seiner Haft auf¬
suchen wollte, um zu sehen, ob er ihn aufgeben müsse oder ob er noch
zu retten sei, war ihm gesagt worden, daß Inculpat aus der Straf¬
anstalt mit einer Kühnheit ausgebrochen, welche ihn als einen ver¬
zweifelten und höchst gefährlichen Menschen erscheinen lasse, daher Al¬
les aufgeboten sei, um seiner wieder habhaft zu werden. Der alte
Hobländer hatte das Seinige redlich gethan, um für diesen Fall dem
Unglücklichen eine glimpfliche Behandlung zu sichern, er hatte sich dem
Criminalrichter entdeckt und ihm die seltsame Verkettung vorgestellt,
welche vielleicht eine dunkle und schauerliche Nemesis ahnen lasse, um
dem der Ermordete -- wenn er wirklich ermordet und nicht durch einen
Sturz verunglückt sei durch die Hand eines Menschen gefallen
wäre, dessen Vater er um sein Vermögen gebracht. Der Richter war
selbst nicht der Ansicht gewesen, daß der Entsprungene den Todtschlag
begangen, wohl aber laste der Verdacht aus ihm, den Verunglückten,
den er vielleicht gesunden, beraubt zu haben, dafür sprach, daß man
bei ihm etwas, wenn auch nur eine Kleinigkeit, von dessen Eigenthum
vorgefunden. Das hatte der alte Hobländer schweren Herzens zugeben


stark aufgewühlt gewesen, als sei hier ein Kampf auf Tod und Leben
vorgefallen. Aber es konnte auch ein Sturz mit dem Pferde die Ur¬
sache sein, Noch an demselben Abende hatte sich aber der Verdacht
auf Hobländer geworfen. Dieser war in einem sehr verstörten Zu¬
stande, man wußte nicht woher, gekommen und hatte allerhand Reden
von einem Pferde geführt, das er habe greifen wollen, man hatte ihn
befragt, da er aber noch vollständig betrunken gewesen, hatte man keine
genügende Antwort erhalten, bis man unläugbare Blutspuren an sei¬
ner rechten Hand entdeckt und ihn nun visttirt hatte, wo sich in seiner
Tasche ein Cigarrenetui gefunden, das der Fabrikherr augenblicklich
für das Eigenthum des Verunglückten erkannte. Auf diese Anzeichen
war der Trunkenbold, der jetzt weinend in völlige Verwirrung ge¬
rathen, sofort in Haft gebracht und die Untersuchung gegen ihn ein¬
geleitet worden, die jedoch kein befriedigendes Resultat ergeben hatte,
weil Hobländer die That, die er im Rausche begangen haben sollte,
eben so hartnäckig lciugnete, als die Beschuldigung, den Ermordeten
noch beraubt zu haben — denn allerdings hatte man bei ihm keine
Brieftasche mehr gefunden. Er war also zu vorläufiger Detention,
da man die Acten noch nicht für geschlossen ansah, einer Strafanstalt
überwiesen worden. — Diese betrübenden Nachrichten hatte der aus
Amerika heimkehrende Greis von seinem einzigen, noch übrigen Ver¬
wandten erhalten und als er ihn selbst in dem Orte seiner Haft auf¬
suchen wollte, um zu sehen, ob er ihn aufgeben müsse oder ob er noch
zu retten sei, war ihm gesagt worden, daß Inculpat aus der Straf¬
anstalt mit einer Kühnheit ausgebrochen, welche ihn als einen ver¬
zweifelten und höchst gefährlichen Menschen erscheinen lasse, daher Al¬
les aufgeboten sei, um seiner wieder habhaft zu werden. Der alte
Hobländer hatte das Seinige redlich gethan, um für diesen Fall dem
Unglücklichen eine glimpfliche Behandlung zu sichern, er hatte sich dem
Criminalrichter entdeckt und ihm die seltsame Verkettung vorgestellt,
welche vielleicht eine dunkle und schauerliche Nemesis ahnen lasse, um
dem der Ermordete — wenn er wirklich ermordet und nicht durch einen
Sturz verunglückt sei durch die Hand eines Menschen gefallen
wäre, dessen Vater er um sein Vermögen gebracht. Der Richter war
selbst nicht der Ansicht gewesen, daß der Entsprungene den Todtschlag
begangen, wohl aber laste der Verdacht aus ihm, den Verunglückten,
den er vielleicht gesunden, beraubt zu haben, dafür sprach, daß man
bei ihm etwas, wenn auch nur eine Kleinigkeit, von dessen Eigenthum
vorgefunden. Das hatte der alte Hobländer schweren Herzens zugeben


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[0212] stark aufgewühlt gewesen, als sei hier ein Kampf auf Tod und Leben vorgefallen. Aber es konnte auch ein Sturz mit dem Pferde die Ur¬ sache sein, Noch an demselben Abende hatte sich aber der Verdacht auf Hobländer geworfen. Dieser war in einem sehr verstörten Zu¬ stande, man wußte nicht woher, gekommen und hatte allerhand Reden von einem Pferde geführt, das er habe greifen wollen, man hatte ihn befragt, da er aber noch vollständig betrunken gewesen, hatte man keine genügende Antwort erhalten, bis man unläugbare Blutspuren an sei¬ ner rechten Hand entdeckt und ihn nun visttirt hatte, wo sich in seiner Tasche ein Cigarrenetui gefunden, das der Fabrikherr augenblicklich für das Eigenthum des Verunglückten erkannte. Auf diese Anzeichen war der Trunkenbold, der jetzt weinend in völlige Verwirrung ge¬ rathen, sofort in Haft gebracht und die Untersuchung gegen ihn ein¬ geleitet worden, die jedoch kein befriedigendes Resultat ergeben hatte, weil Hobländer die That, die er im Rausche begangen haben sollte, eben so hartnäckig lciugnete, als die Beschuldigung, den Ermordeten noch beraubt zu haben — denn allerdings hatte man bei ihm keine Brieftasche mehr gefunden. Er war also zu vorläufiger Detention, da man die Acten noch nicht für geschlossen ansah, einer Strafanstalt überwiesen worden. — Diese betrübenden Nachrichten hatte der aus Amerika heimkehrende Greis von seinem einzigen, noch übrigen Ver¬ wandten erhalten und als er ihn selbst in dem Orte seiner Haft auf¬ suchen wollte, um zu sehen, ob er ihn aufgeben müsse oder ob er noch zu retten sei, war ihm gesagt worden, daß Inculpat aus der Straf¬ anstalt mit einer Kühnheit ausgebrochen, welche ihn als einen ver¬ zweifelten und höchst gefährlichen Menschen erscheinen lasse, daher Al¬ les aufgeboten sei, um seiner wieder habhaft zu werden. Der alte Hobländer hatte das Seinige redlich gethan, um für diesen Fall dem Unglücklichen eine glimpfliche Behandlung zu sichern, er hatte sich dem Criminalrichter entdeckt und ihm die seltsame Verkettung vorgestellt, welche vielleicht eine dunkle und schauerliche Nemesis ahnen lasse, um dem der Ermordete — wenn er wirklich ermordet und nicht durch einen Sturz verunglückt sei durch die Hand eines Menschen gefallen wäre, dessen Vater er um sein Vermögen gebracht. Der Richter war selbst nicht der Ansicht gewesen, daß der Entsprungene den Todtschlag begangen, wohl aber laste der Verdacht aus ihm, den Verunglückten, den er vielleicht gesunden, beraubt zu haben, dafür sprach, daß man bei ihm etwas, wenn auch nur eine Kleinigkeit, von dessen Eigenthum vorgefunden. Das hatte der alte Hobländer schweren Herzens zugeben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/212>, abgerufen am 24.11.2024.