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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Staatsverhältnisse und Einrichtungen, wie sie hergebracht sind, fest
halten und etwas fester stellen, will aber nicht ganz deutsch wer¬
den, sondern mit Dänemark in einer Union bleiben; denn auf diese
Weise werden am besten manche Vorrechte und hergebrachte Ein¬
richtungen erhalten, als namentlich die Gesandtschaftsposten an
fremden Höfen, die Schleswig-Holstein für sich allein wohl meh-
rentheils aufgeben würde. Auffallend ist es hierbei und ein Zeug¬
niß von der Charakterlosigkeit mancher unserer öffentlichen Charak¬
tere, daß die jetzigen diplomatischen Verhandlungen um die
Selbststäiidigkeit unsers Landes, grade durch Leute aus Schleswig-
Holsteinischem Adel und Schleswig-Holstcinischer Ritterschaft ge¬
führt werden. Der Minister der Auswärtigen, unter dessen Leitung
sie geführt werden und der auch Mitglied einer besondern Com¬
mission zur Ergründung und Festhaltung der Erbfolge ist, gehört
zur Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft; die Gesandten von Pe¬
tersburg, Berlin, Wien, London, Paris und Frankfurt, wo unsre
Angelegenheiten vom dänischen Cabinet im dänischen Sinn neulich
zu Sprache gebracht sind, sowie der Herr von Bülow, der mit ei¬
ner besondern Mission nach England beauftragt war, sind Schles¬
wig-Holsteiner und von Herrn von Pensum in Frankfurt weiß man,
daß er auch außeramtlich in deutschen Zeitungen für die Ansichten
des dänischen Cabinets zu wirken sticht trotz seiner idealistisch-senti¬
mental deutschen Gedichte. Solches ist freilich der hier ansässigen
Aristokratie nicht angenehm. Die große Mehrheit der Gebildeten
aus den bürgerlichen Klassen aber, das eigentliche Volk, so weit
es zum Bewußtsein gelangt und der Fragen kundig geworden ist,
will aus diesem se-deus "zuo heraus, will in Wirklichkeit selbstständig
werden, will sich dem übrigen Deutschland ganz anschließen. Die
Konservativen haben es auch bei uns nicht daran fehlen lassen,
den nationalen Enthusiasmus in ihrem Interesse auszubeuten, sie
haben dabei viel Ungehöriges erhalten und manches erlangt, was
sie sonst nicht erlangt haben würden; die Hauptsache aber ist, daß
sie die Liberalen in einer gewissen politischen Unthätigkeit rückstcht-
lich der innern Angelegenheiten erhalten haben. Eins habe ich da¬
von schon berührt, nämlich das Jagdwesen, ein anderes ist die
Verfassung und ein drittes die Presse, von andern wichtigen Ange¬
legenheiten abgesehen. Aber es kann diese Unthätigkeit unmöglich


Staatsverhältnisse und Einrichtungen, wie sie hergebracht sind, fest
halten und etwas fester stellen, will aber nicht ganz deutsch wer¬
den, sondern mit Dänemark in einer Union bleiben; denn auf diese
Weise werden am besten manche Vorrechte und hergebrachte Ein¬
richtungen erhalten, als namentlich die Gesandtschaftsposten an
fremden Höfen, die Schleswig-Holstein für sich allein wohl meh-
rentheils aufgeben würde. Auffallend ist es hierbei und ein Zeug¬
niß von der Charakterlosigkeit mancher unserer öffentlichen Charak¬
tere, daß die jetzigen diplomatischen Verhandlungen um die
Selbststäiidigkeit unsers Landes, grade durch Leute aus Schleswig-
Holsteinischem Adel und Schleswig-Holstcinischer Ritterschaft ge¬
führt werden. Der Minister der Auswärtigen, unter dessen Leitung
sie geführt werden und der auch Mitglied einer besondern Com¬
mission zur Ergründung und Festhaltung der Erbfolge ist, gehört
zur Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft; die Gesandten von Pe¬
tersburg, Berlin, Wien, London, Paris und Frankfurt, wo unsre
Angelegenheiten vom dänischen Cabinet im dänischen Sinn neulich
zu Sprache gebracht sind, sowie der Herr von Bülow, der mit ei¬
ner besondern Mission nach England beauftragt war, sind Schles¬
wig-Holsteiner und von Herrn von Pensum in Frankfurt weiß man,
daß er auch außeramtlich in deutschen Zeitungen für die Ansichten
des dänischen Cabinets zu wirken sticht trotz seiner idealistisch-senti¬
mental deutschen Gedichte. Solches ist freilich der hier ansässigen
Aristokratie nicht angenehm. Die große Mehrheit der Gebildeten
aus den bürgerlichen Klassen aber, das eigentliche Volk, so weit
es zum Bewußtsein gelangt und der Fragen kundig geworden ist,
will aus diesem se-deus «zuo heraus, will in Wirklichkeit selbstständig
werden, will sich dem übrigen Deutschland ganz anschließen. Die
Konservativen haben es auch bei uns nicht daran fehlen lassen,
den nationalen Enthusiasmus in ihrem Interesse auszubeuten, sie
haben dabei viel Ungehöriges erhalten und manches erlangt, was
sie sonst nicht erlangt haben würden; die Hauptsache aber ist, daß
sie die Liberalen in einer gewissen politischen Unthätigkeit rückstcht-
lich der innern Angelegenheiten erhalten haben. Eins habe ich da¬
von schon berührt, nämlich das Jagdwesen, ein anderes ist die
Verfassung und ein drittes die Presse, von andern wichtigen Ange¬
legenheiten abgesehen. Aber es kann diese Unthätigkeit unmöglich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/20>, abgerufen am 24.11.2024.