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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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geschehen sind, seit es Sekten gibt, welche die neuen kritischen Theoreme
in's Leben einzuführen suchen; es ist kein Geheimniß mehr, daß der
Zweifel an dem Bestehenden zu einer Macht und daß dadurch die
Lage Deren, die sich thatsächlich gegen die bestehende Ordnung empö¬
ren, eine andere geworden, indem für sie die Möglichkeit geschaffen ist,
ihre Auflehnung als eine berechtigte, ihre Empörung als einen Krieg
gegen die in ihren Augen ungerechten gesellschaftlichen Zustände zu
betrachten, und also die Verbrechen nicht mit bösem Gewissen, sondern
gewissermaßen aus Grundsah zu begehen. Unsere Zeitschriften, welche
Fälle der praktischen Polizei und Criminalrechtspflege sammeln, wie
der "Publicist", die "Beiträge", sind reich an Beispielen von einer Art,
das Diebeshandwerk zu treiben, welche auf eine solche bewußte Em¬
pörung gegen die bestehende gesellschaftliche Ordnung schließen lassen.
Da hören wir von Dieben, welche das geraubte Gut zurückgeben, da
sie zufällig erfahren, daß der Beraubte selbst in bedrängter Lage sei,
von Anderen, welche das nicht mehr zurückzugebende in Gelde ersetzen
oder gar noch Geldgeschenke hinzufügen u. tgi. in. Wie kann man
nun Diejenigen, welche den gesellschaftlichen Zustand wie er ist, nicht
für das Gute Kalten, sondern für das Böse, zum Guten zu bringen
und zu nützlichen Gliedern der Gesellschaft, die sie verachten und be¬
feinden, zu machen hoffen? Hat es das Besserungssystem mit Verbre¬
chern, die sich als Verbrecher fühlen, zu thun, so wird es da an sei¬
nem Platze sein; aber Denen gegenüber, welche sich als im Kriege
gegen die bestehende Ordnung begriffen ansehen, ist es ohnmächtig.
Als allgemeingültiges System kann es daher nicht mehr aufgestellt
werden. Dem ganz abstracten, fanatischen, barbarischen Zellensystem,
welches ebenfalls Besscrungssystem ist, diesem gegenüber ist das ratio¬
nelle Appert'sche Bcsserungssyftem in seinem Rechte; auch hört man
hier sagen, daß in der That das Appert'sche Buch höheren Orts Ein¬
druck gemacht habe. Aber mit den Besserungösystemen überhaupt ist,
wie die Sachen nun einmal liegen, nicht mehr auszukommen, um der
Strafe einen humanen- Sinn und Zweck zu geben. Wie die Sachen
liegen, ist nichts anderes übrig, als die Strafe als Nothwehr der
bestehenden Gesellschaft gegen die ihr feindlichen und an ihren Grund¬
pfeilern nagenden Mächte zu betrachten. Die Strafe wird dann, je
nachdem der Fall ist, den Charakter entweder eines Mittels zur Un¬
schädlichmachung des Feindes, oder eines Abschreckungsmittels für die
Zukunft und für Andere, oder auch selbst eines Besserungsmittels an¬
nehmen, indem sie den ihr Verfallenden zwingt, sich zur Vermeidung


geschehen sind, seit es Sekten gibt, welche die neuen kritischen Theoreme
in's Leben einzuführen suchen; es ist kein Geheimniß mehr, daß der
Zweifel an dem Bestehenden zu einer Macht und daß dadurch die
Lage Deren, die sich thatsächlich gegen die bestehende Ordnung empö¬
ren, eine andere geworden, indem für sie die Möglichkeit geschaffen ist,
ihre Auflehnung als eine berechtigte, ihre Empörung als einen Krieg
gegen die in ihren Augen ungerechten gesellschaftlichen Zustände zu
betrachten, und also die Verbrechen nicht mit bösem Gewissen, sondern
gewissermaßen aus Grundsah zu begehen. Unsere Zeitschriften, welche
Fälle der praktischen Polizei und Criminalrechtspflege sammeln, wie
der „Publicist", die „Beiträge", sind reich an Beispielen von einer Art,
das Diebeshandwerk zu treiben, welche auf eine solche bewußte Em¬
pörung gegen die bestehende gesellschaftliche Ordnung schließen lassen.
Da hören wir von Dieben, welche das geraubte Gut zurückgeben, da
sie zufällig erfahren, daß der Beraubte selbst in bedrängter Lage sei,
von Anderen, welche das nicht mehr zurückzugebende in Gelde ersetzen
oder gar noch Geldgeschenke hinzufügen u. tgi. in. Wie kann man
nun Diejenigen, welche den gesellschaftlichen Zustand wie er ist, nicht
für das Gute Kalten, sondern für das Böse, zum Guten zu bringen
und zu nützlichen Gliedern der Gesellschaft, die sie verachten und be¬
feinden, zu machen hoffen? Hat es das Besserungssystem mit Verbre¬
chern, die sich als Verbrecher fühlen, zu thun, so wird es da an sei¬
nem Platze sein; aber Denen gegenüber, welche sich als im Kriege
gegen die bestehende Ordnung begriffen ansehen, ist es ohnmächtig.
Als allgemeingültiges System kann es daher nicht mehr aufgestellt
werden. Dem ganz abstracten, fanatischen, barbarischen Zellensystem,
welches ebenfalls Besscrungssystem ist, diesem gegenüber ist das ratio¬
nelle Appert'sche Bcsserungssyftem in seinem Rechte; auch hört man
hier sagen, daß in der That das Appert'sche Buch höheren Orts Ein¬
druck gemacht habe. Aber mit den Besserungösystemen überhaupt ist,
wie die Sachen nun einmal liegen, nicht mehr auszukommen, um der
Strafe einen humanen- Sinn und Zweck zu geben. Wie die Sachen
liegen, ist nichts anderes übrig, als die Strafe als Nothwehr der
bestehenden Gesellschaft gegen die ihr feindlichen und an ihren Grund¬
pfeilern nagenden Mächte zu betrachten. Die Strafe wird dann, je
nachdem der Fall ist, den Charakter entweder eines Mittels zur Un¬
schädlichmachung des Feindes, oder eines Abschreckungsmittels für die
Zukunft und für Andere, oder auch selbst eines Besserungsmittels an¬
nehmen, indem sie den ihr Verfallenden zwingt, sich zur Vermeidung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/172>, abgerufen am 24.11.2024.