Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.eigenen heimischen Heerd. So grollt die Polenbewegung noch hierund Die einzige Sache, über die noch mit Feuer discutirt wird, ist eigenen heimischen Heerd. So grollt die Polenbewegung noch hierund Die einzige Sache, über die noch mit Feuer discutirt wird, ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182560"/> <p xml:id="ID_348" prev="#ID_347"> eigenen heimischen Heerd. So grollt die Polenbewegung noch hierund<lb/> da nach, und die Geldsammlungen werden nach wie vor fortgesetzt;<lb/> es ist das wie eine traumhafte Erinnerung an das alte Franzosen-<lb/> thum. Auch von Narvaez's Sturz nach Unterdrückung aller con-<lb/> stitutionellen Freiheiten in Sy.mien wird viel gesprochen, und die<lb/> Opposition benutzt diese Theilnahme des Publicums, alles spanische<lb/> Uebel Herrn Guizot in die Schuhe zip schieben und ihn als bereit¬<lb/> willigen Helfershelfer darzustellen, wo es gilt, eine Constitution cen¬<lb/> sorhaft zu beschneiden. Es ist auch wirklich etwas daran, denn man<lb/> hat sichere Anzeichen, daß das Eabinet der Tuilerien früher von Nar¬<lb/> vaez's Streiche wußte, als man sie in Spanien nur ahnte. Ein<lb/> Wort des französischen Gesandten hätte sie verhindern können, aber Herr<lb/> Bresson sprach das Wort nicht! Der Eonstitutionnel macht nun großen<lb/> Lärm darüber, aber was nützt das? — Das Publicum sagt, daß,<lb/> daß, wenn Herr Thiers, der den Lärm erregt, selbst am Nuder wäre,<lb/> die Sache auch nicht anders geworden wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_349" next="#ID_350"> Die einzige Sache, über die noch mit Feuer discutirt wird, ist<lb/> der — „Salon!" — Aber, offenherzig gestanden, er ist dieses Jahr<lb/> sehr, sehr armselig, so armselig, wie ich ihn noch nie gesehen. Doch<lb/> ist er charakteristisch für die dermaligen Zustände Frankreichs. Der<lb/> Hof, Algier und die «morio e»r<1u>I>- geben ihm seinen Charakter.<lb/> Wo man hin sieht, überall winterhalterische Portraits aus dem kö¬<lb/> niglichen Hause, Scenen aus En, Schlachten und Scharmützel aus<lb/> Afrika. Unter den letzteren ist das großartigste Bild: die Schlacht<lb/> von Jsly, von H. Vernet, vor welchem sich stets eine ungeheure<lb/> Menge von Zuschauern drängt. Die Franzosen sehen den Marschall<lb/> Bugeaud, den gewissen famosen Sonnenschirm, das berühmte erbeu¬<lb/> tete Aelt — was wollen sie mehr? — Das Bild mag als Portrait<lb/> eines großen Ereignisses einen großen Werth haben, aber als Kunst¬<lb/> werk ist es unbedeutend. Vor Allem ist eS keine Schlacht! Marschall<lb/> Bugeaud steht so gemüthlich da, als wäre weiter gar nichts zu thun,<lb/> während tief im Hintergrunde, dem Beschauer kaum sichtbar, die<lb/> Schlacht geschlagen wird. Freilich drängen sich einzelne interessante<lb/> Gruppen in den Vordergrund -- aber es sind nur kleine Genre-<lb/> stücke, wahrend die Hauptsache ganz verschwindet und nicht zur Gel¬<lb/> tung kommt. Für die Franzosen mögen die Portraits, die überall<lb/> angebracht sind, I besonders interessant sein, sonst begreife ich nicht,<lb/> was sie an diesem Bilde so sehr fesseln könnte. Es ist eins der un¬<lb/> bedeutendsten Werke des großen Malers. Sicht man den Salon<lb/> nicht mit nationalem, sondern mit unbisangenem Kenncrauge an, so<lb/> bleibt uns Deutschen der Ruhm, daß ein Deutscher mit das Beste<lb/> geliefert hat, und dieser Deutsche ist Herr Lehmann! — Sein Bild,<lb/> die Okeaniden, die den gefesselten Prometheus beklagen, ist in klei¬<lb/> nem Rahmen ein großes Meisterwerk, das müssen selbst die Franzo¬<lb/> sen anerkennen. Hörte ich doch selbst zwei Franzosen, die hinter mir</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
eigenen heimischen Heerd. So grollt die Polenbewegung noch hierund
da nach, und die Geldsammlungen werden nach wie vor fortgesetzt;
es ist das wie eine traumhafte Erinnerung an das alte Franzosen-
thum. Auch von Narvaez's Sturz nach Unterdrückung aller con-
stitutionellen Freiheiten in Sy.mien wird viel gesprochen, und die
Opposition benutzt diese Theilnahme des Publicums, alles spanische
Uebel Herrn Guizot in die Schuhe zip schieben und ihn als bereit¬
willigen Helfershelfer darzustellen, wo es gilt, eine Constitution cen¬
sorhaft zu beschneiden. Es ist auch wirklich etwas daran, denn man
hat sichere Anzeichen, daß das Eabinet der Tuilerien früher von Nar¬
vaez's Streiche wußte, als man sie in Spanien nur ahnte. Ein
Wort des französischen Gesandten hätte sie verhindern können, aber Herr
Bresson sprach das Wort nicht! Der Eonstitutionnel macht nun großen
Lärm darüber, aber was nützt das? — Das Publicum sagt, daß,
daß, wenn Herr Thiers, der den Lärm erregt, selbst am Nuder wäre,
die Sache auch nicht anders geworden wäre.
Die einzige Sache, über die noch mit Feuer discutirt wird, ist
der — „Salon!" — Aber, offenherzig gestanden, er ist dieses Jahr
sehr, sehr armselig, so armselig, wie ich ihn noch nie gesehen. Doch
ist er charakteristisch für die dermaligen Zustände Frankreichs. Der
Hof, Algier und die «morio e»r<1u>I>- geben ihm seinen Charakter.
Wo man hin sieht, überall winterhalterische Portraits aus dem kö¬
niglichen Hause, Scenen aus En, Schlachten und Scharmützel aus
Afrika. Unter den letzteren ist das großartigste Bild: die Schlacht
von Jsly, von H. Vernet, vor welchem sich stets eine ungeheure
Menge von Zuschauern drängt. Die Franzosen sehen den Marschall
Bugeaud, den gewissen famosen Sonnenschirm, das berühmte erbeu¬
tete Aelt — was wollen sie mehr? — Das Bild mag als Portrait
eines großen Ereignisses einen großen Werth haben, aber als Kunst¬
werk ist es unbedeutend. Vor Allem ist eS keine Schlacht! Marschall
Bugeaud steht so gemüthlich da, als wäre weiter gar nichts zu thun,
während tief im Hintergrunde, dem Beschauer kaum sichtbar, die
Schlacht geschlagen wird. Freilich drängen sich einzelne interessante
Gruppen in den Vordergrund -- aber es sind nur kleine Genre-
stücke, wahrend die Hauptsache ganz verschwindet und nicht zur Gel¬
tung kommt. Für die Franzosen mögen die Portraits, die überall
angebracht sind, I besonders interessant sein, sonst begreife ich nicht,
was sie an diesem Bilde so sehr fesseln könnte. Es ist eins der un¬
bedeutendsten Werke des großen Malers. Sicht man den Salon
nicht mit nationalem, sondern mit unbisangenem Kenncrauge an, so
bleibt uns Deutschen der Ruhm, daß ein Deutscher mit das Beste
geliefert hat, und dieser Deutsche ist Herr Lehmann! — Sein Bild,
die Okeaniden, die den gefesselten Prometheus beklagen, ist in klei¬
nem Rahmen ein großes Meisterwerk, das müssen selbst die Franzo¬
sen anerkennen. Hörte ich doch selbst zwei Franzosen, die hinter mir
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